OGH 10ObS11/02v

OGH10ObS11/02v28.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Elmar Peterlunger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Albert Ullmer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Alfred A*****, Verkaufsleiter, ***** vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen vorzeitiger Alterspension bei langer Versicherungsdauer, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Oktober 2001, GZ 9 Rs 302/01z-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. März 2001, GZ 4 Cgs 21/01z-6, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 4. 8. 1946 geborene Kläger stellte am 14. 11. 2000 bei der beklagten Partei zwei Anträge auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer, einerseits zum Stichtag 1. 9. 2001 und andererseits zum Stichtag 1. 9. 2006, wobei er jeweils angab, das Beschäftigungsverhältnis sei voraussichtlich noch bis 31. 8. 2001 bzw 31. 8. 2006 aufrecht.

Mit Bescheid vom 12. 1. 2001 lehnte die beklagte Partei „den Antrag vom 14. November 2000 auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension" im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der Versicherungsfall des Alters gemäß § 223 iVm § 253b ASVG erst mit der Vollendung des 738. Lebensmonats eintrete; dieses Alter von 61 Jahren und 6 Monate erreiche der Kläger erst am 4. 2. 2008.

Mit Urteil vom 23. 3. 2001 (auch Datum des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz) wies das Erstgericht das gegen den Bescheid vom 12. 1. 2001 erhobene Klagebegehren,

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger vertritt in seinen Revisionsausführungen weiterhin - zusammengefasst - den Standpunkt, dass zum einen die Feststellungsbegehren zulässig und die Leistungsbegehren berechtigt seien, weiters dass das unterschiedliche Pensionsanfallsalter für Männer und Frauen im Bereich der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße. Er regt deshalb die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens über diese Frage beim EuGH an.

Diesen Ausführungen kann aufgrund folgender Erwägungen nicht gefolgt werden:

a) Zur Zulässigkeit der Feststellungsbegehren:

Nach § 65 Abs 2 ASGG fallen unter den Abs 1 dieser Gesetzesstelle, also unter die Sozialrechtssachen, auch Klagen auf Feststellung. Die Sozialgerichte können aber nach dem Grundsatz der sukzessiven Kompetenz nur dann über ein Feststellungsbegehren entscheiden, wenn die Bestimmungen über das Verfahren vor den Versicherungsträgern eine entsprechende Feststellungsentscheidung in Leistungssachen vorsehen (SSV-NF 8/94 = SZ 67/164 mwN; SSV-NF 10/28 = SZ 69/79; SSV-NF 11/85; RIS-Justiz RS0085830).

Selbst wenn man unterstellte, dass der Kläger bereits im Verwaltungsverfahren eine feststellende Entscheidung beantragt hätte, hätte für den Sozialversicherungsträger keine Möglichkeit bestanden, eine solche Entscheidung zu treffen, da einer der in § 354 iVm mit § 367 Abs 1 und 2 ASVG angeführten Fälle, die von Gesetzes wegen die Erlassung eines Feststellungsbescheides ermöglichen, nicht vorliegt. Gegen eine Ausdehnung der Zulässigkeit von Bescheiden auf Feststellung, dass bestimmte Anspruchsvoraussetzungen für eine Pensionsleistung gegeben sind, spricht vor allem auch der Umstand, dass die seinerzeit mit dem SRÄG 1991, BGBl 1991/157, geschaffenen §§ 255a und 273a ASVG, die einen Antrag auf Feststellung der Invalidität bzw Berufsunfähigkeit vorsahen, über den der Versicherungsträger in einem gesonderten Feststellungsverfahren (§ 354 Z 4 ASVG) zu entscheiden hatte, mit dem SRÄG 1993 wieder aus dem Rechtsbestand entfernt wurden.

Somit besteht kein Raum für die Annahme der Möglichkeit einer feststellenden Entscheidung des Versicherungsträgers, weshalb auch das Gericht - wie bereits dargestellt - nicht befugt ist, über ein Feststellungsbegehren zu entscheiden. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob dem Kläger ein rechtliches Interesse an der fiktiven Feststellung bestimmter Anspruchsvoraussetzungen zu einem weit in der Zukunft liegenden Zeitpunkt zukommt.

b) Zum Begehren auf Zuspruch von Pensionsleistungen ab 1. 9. 2001 bzw 1. 9. 2006:

Ein Leistungsanspruch aus der Pensionsversicherung kann erst aufgrund des Eintritts eines Versicherungsfalls entstehen. Da der Kläger eine Leistung aus einem Versicherungsfall des Alters geltend machte, ist das Erreichen des Anfallsalters für den Leistungsanspruch vorausgesetzt. Zu dem zwingend (§ 223 Abs 2 ASVG) durch die Antragstellung ausgelösten Stichtag 1. 12. 2000 war der Versicherungsfall des Alters beim Kläger noch nicht eingetreten. Eine Beurteilung der Leistungsvoraussetzungen zum Stichtag 1. 9. 2001 erst im gerichtlichen Verfahren aufgrund der Möglichkeit einer Stichtagsverschiebung kam nicht in Betracht, weil die Verhandlung in erster Instanz bereits am 23. 3. 2001 geschlossen wurde. Auch aus § 89 Abs 1 ASGG ist für den Kläger nichts zu gewinnen, weil diese Bestimmung nur aussagt, dass in Sozialrechtssachen - entgegen § 406 erster Satz ZPO - wiederkehrend zu erbringende Leistungen zugesprochen werden können, obwohl die (in Zukunft periodisch zu erbringenden) einzelnen Leistungen zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz noch nicht fällig sind (vgl Kuderna, ASGG2 538; Rechberger in Rechberger, ZPO2 § 406 Rz 9). § 89 Abs 1 ASGG spricht demgemäß vom "Auferlegen" von Leistungen, die erst nach Erlassung des Urteils fällig werden, nicht aber vom "Zuspruch" von erst in Zukunft entstehenden Leistungsansprüchen. Würde man, wie vom Kläger begehrt, eine Entscheidung im Leistungsverfahren Jahre vor dem in Frage kommenden Leistungsbeginn zulassen, könnte ein Versicherter zwischenzeitig vorgenommene Gesetzesänderungen umgehen, die Leistungsverschlechterungen mit sich bringen. Der Versicherungsträger wäre nach § 67 Abs 1 ASGG verpflichtet, über einen Antrag auf Leistung innerhalb von sechs Monaten zu entscheiden, selbst wenn die Leistng erst ab einem weit in der Zukunft liegenden Stichtag begehrt wird. Dabei müsste er die aktuelle Rechtslage anwenden. In dem auf dieser Grundlage erlassenen Bescheid könnte auch bei einer späteren Gesetzesänderung nicht mehr eingegriffen werden. Insoweit ist das Revisionsvorbringen des Klägers, sein Begehren beziehe sich nur fiktiv auf die derzeitige Gesetzeslage und lasse künftige Gesetzesänderungen unberührt, verfehlt.

Überdies könnte ein Leistungsbescheid auf einen Jahre späteren Pensionsstichtag schon deshalb nicht erlassen werden, weil die bis zum Zeitpunkt des Pensionsantritts erworbenen Versicherungszeiten für die Bestimmung der Pensionshöhe berücksichtigt werden müssten, die aber zu einem früheren Entscheidungszeitpunkt noch nicht feststehen. Ein Leistungszuspruch ab 1. 9. 2001 bzw 1. 9. 2006 kommt demnach nicht in Betracht.

Der Revision muss daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

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