OGH 11Os48/02

OGH11Os48/0228.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Steindl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günther R***** wegen des Verbrechens nach § 3g VG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 10. Dezember 2001, GZ 35 Hv 56/02a-167, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Günther R***** des Verbrechens nach § 3g VG schuldig erkannt, weil er sich vom 3. März 1996 bis 4. April 2001 in Salzburg und an anderen Orten des Bundesgebietes auf eine andere als die in §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise nationalsozialistisch betätigt hat.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 6, 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung nicht abgesprochen werden kann.

Zur Begründung wird auf die Stellungnahme der Generalprokuratur verwiesen, welcher der Oberste Gerichtshof vollinhaltlich beitritt:

Darnach ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, dass die vorliegende Fragestellung - auch wenn sie wörtlich dem Anklagesatz entsprach (vgl Mayerhofer StPO4 § 312 E 8) - verfehlt war, weil es ihr an der nötigen Individualisierung (Konkretisierung) der von der Anklage erfassten Tatgeschehen mangelte. Die sehr weitreichende Bestimmung des § 3g VG umfasst - im Sinne einer Generalklausel - jede nicht unter die §§ 3a bis 3f dieses Gesetzes fallende Art nationalsozialistischer Betätigung und kann durch Handlungen verschiedenster Art verwirklicht werden (SSt 57/40). Insbesondere fällt auch die Verherrlichung oder die Anpreisung von Zielen, Einrichtungen oder Maßnahmen der NSDAP und anderer nationalsozialistischer Organisationen und überhaupt jede völlig einseitige, propagandistisch vorteilhafte Darstellung nationalsozialistischer Maßnahmen und Ziele darunter. Neben Einzelhandlungen die schon für sich als typische Betätigung im Sinne des Nationalsozialismus zu erkennen sind, können auch Handlungskomplexe den Tatbestand verwirklichen, deren Teilakte, isoliert betrachtet, noch nicht als typisch nationalsozialistisch zu beurteilen sind (EvBl 1993/8).

Eine nach dem zitierten Tatbestand gestellte Hauptfrage an die Geschworenen erfordert daher die Anführung der konkreten Tatumstände, die eine Handlung als Betätigung im nationalsozialistischen Sinn erscheinen lassen. Andernfalls ist weder eine differenzierte Beurteilung durch die Geschworenen noch eine rechtliche Überprüfung ihres Wahrspruches möglich (Mayerhofer aaO E 26, 26a und 26b). Die vorliegende (einzige) Hauptfrage enthält jedoch lediglich in ihrem Einleitungssatz eine beispielhafte und undifferenzierte Aufzählung von Tathandlungen ohne jede Bezugnahme auf die in der Folge angeführten Tatmittel, welche eine Überprüfbarkeit der von den Geschworenen vorgenommenen Subsumtion nicht zulässt. Zur Notwendigkeit der Konkretisierung der Fragestellung wird illustrativ auf die darin enthaltene (bloße) Erwähnung des Mitführens (von nationalsozialistisches Gedankengut enthaltenden Schriften oder CDs) in einem PKW hingewiesen (US 2), wodurch der Verbotstatbestand noch nicht verwirklicht wird. Dazu wären vielmehr in die zu jedem Anklagepunkt gesondert zu stellende Hauptfrage jeweils Hinweise tatsächlicher Art aufzunehmen gewesen, aus denen die tatbestandswesentliche Wiederbetätigung ableitbar und nachvollziehbar ist.

Dazu kommt, dass mehrere der in der Frage enthaltenen Textstellen (US 8: unter der Überschrift "Bestseller, ein Schwindel"; US 27: 18.

Rundbrief mit dem Titel "Das ganze Deutschland soll es sein"; US 30:

21. Rundbrief ohne Titel; US 35, 36: in der Folge 140/1992 der Nachrichten der HNG unter der Überschrift "Mitteilungen des Vorstandes" - ein Vortrag von Rechtsanwalt Dr. S***** aus Wien; US 49: unter der Überschrift "Generalmajor aD Otto Ernst R*****:

Gedanken zum 20. Juli 1944"; US 72: der Abdruck der ersten Strophe des Deutschlandliedes) ihrem Wortlaut nach weder eine Verherrlichung des Nationalsozialismus oder ihrer Repräsentanten noch eine vorteilhafte Darstellung nationalsozialistischer Maßnahmen und Ziele oder eine Leugnung, Verharmlosung oder Gutheißung der Ermordung von Juden zum Gegenstand haben. Diesbezüglich wäre es - ebenso wie hinsichtlich der überhaupt nicht zitierten, sondern nur als "die Verherrlichung des Einsatzes der Legion Condor in Spanien" charakterisierten Ausschnitte aus Zeitschriften der NS-Zeit (US 98 ganz oben) - erforderlich gewesen, jene Umstände in die Fragestellung aufzunehmen, aus denen sich im konkreten Fall eine auf diese Texte bezogene nationalsozialistische Wiederbetätigung ergibt. Das angefochtene Urteil ist daher mit dem Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 6 StPO behaftet.

Dem Beschwerdeführer ist auch beizupflichten, dass die Rechtsbelehrung des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes geeignet war, die Geschworenen bei der Beantwortung der an sie gestellten Frage zum Nachteil des Angeklagten zu beeinflussen. Gemäß § 321 Abs 2 StPO muss die den Geschworenen erteilte schriftliche Rechtsbelehrung eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Haupt- oder Eventualfrage gerichtet ist, sowie eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes enthalten und das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander sowie die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage klarlegen. Gegenstand der Rechtsbelehrung können daher nur rechtliche, nicht aber tatsächliche Umstände sein, die nur für die Beweiswürdigung in Frage kommen. Keinesfalls darf die Rechtsbelehrung eine Beweisführung oder Feststellung enthalten. Der Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO liegt daher vor, wenn die Rechtsbelehrung durch gegebene Beispiele oder durch ein Vorgreifen auf die Lösung der Tatfrage die Eignung erlangt, die Geschworenen durch eine richtungsweisende fixierte Darstellung rechtlich bedeutsamer Umstände zu einer bestimmten - dieser Schilderung entsprechenden - rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes zu beeinflussen (SSt 45/9, 11 Os 107/01).

Unter diesen Gesichtspunkten stellt die vorliegend den Geschworenen erteilte schriftliche Rechtsbelehrung einen Verstoß gegen das Gesetz dar, denn sie nimmt die allein von den Geschworenen auf Grund freier Beweiswürdigung zu treffende Feststellung zur subjektiven Tatseite, ob nämlich die dem Angeklagten objektiv angelasteten Tathandlungen mit nationalsozialistischer Zielsetzung erfolgten, vorweg, indem ausgeführt wird: "Die Straftatbestände der §§ 3a bis 3b und 3d bis 3g VG setzen jeweils eine Betätigung im nationalsozialistischen Sinn voraus, wobei unter einer solchen Betätigung auch die propagandistische Verwendung typisch nationalsozialistischer oder den Sprachgebrauch der Nationalsozialisten deutlich angenäherter Parolen und Schlagworte sowie nationalsozialistische Symbole in der Weise anzusehen sind, dass darin die verpönten Zielsetzungen und Wertvorstellungen des Nationalsozialismus zum Ausdruck kommen wie dies bei den zur Schau gestellten nationalsozialistischen Symbolen (Hakenkreuz) und den gerufenen Parolen der Fall ist" (Rechtsbelehrung S 9 letzter Absatz).

Auch diese - im Ergebnis sämtliche Urteilsfakten betreffende - den Wahrspruch vorwegnehmende Rechtsbelehrung macht die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich, ohne dass noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Günther R***** war daher der Wahrspruch der Geschworenen und der darauf beruhende Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 3g VG sowie der Strafausspruch bereits in einer nichtöffentlichen Sitzung (§§ 285e, 344 StPO) aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen. Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte