OGH 8ObA285/01x

OGH8ObA285/01x27.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dieter Fröhlich und Mag. Thomas Maurer-Mühlleitner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Rudolf H*****, vertreten durch Rudolf Lind, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Peter K*****, vertreten durch Dr. Maximilian Schludermann, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 7.773,37 netto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. August 2001, GZ 9 Ra 369/00a-15, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Oktober 2000, GZ 3 Cga 97/99t-11, teils bestätigt, teils aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil wird aufgehoben und die Rechtssache auch insoweit zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Über das Vermögen des Beklagten wurde mit Beschluss 26. 8. 1997 das Ausgleichsverfahren eröffnet. Mit Zustimmung der Ausgleichsverwalterin und des Beklagten wurde der Kläger, der vom 7. 2. 1994 bis 30. 4. 1998 beim Beklagten beschäftigt war, wobei auf das Beschäftigungsverhältnis der Kollektivvertrag der Gartenbaubetriebe Wien, Niederösterreich und Burgenland anzuwenden war, gemäß § 20c AO zum 31. 10. 1997 gekündigt und ab 1. 11. 1997 ein neues Dienstverhältnis begründet. Bereits im Zeitpunkt der Kündigung war vorgesehen, dass der Kläger (und andere Arbeitnehmer) ab 1. 11. 1997 weiter beschäftigt werden sollten.

Der Kläger meldete seine aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Forderungen gegenüber dem Beklagten im Ausgleichsverfahren mit S 188.357,28 an. Diese Forderung wurde weder von der Ausgleichsverwalterin noch vom Beklagten bestritten und somit in das Anmeldungsverzeichnis als unbestritten eingetragen. In der Folge wurde der Ausgleich mit einer in Raten zu entrichtenden 40 %igen Quote am 22. 10. 1997 angenommen, am 16. 1. 1998 vom Ausgleichsgericht bestätigt und am 3. 4. 1998 das Ausgleichsverfahren gemäß § 57 Abs 1 AO aufgehoben.

Der Kläger stellte an das Bundessozialamt einen Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von S 134.500,12, der abgewiesen wurde. Die dagegen vom Kläger eingebrachte Klage wurde mit rechtskräftig gewordenem Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 25. 11. 1999, 6 Cgs 111/98f mit der Begründung abgewiesen, dass die Kündigung nur zum Schein erfolgt sei, um die daraus resultierenden Ansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geltend machen zu können. Der Kläger konsumierte Ende April 1998 Zeitausgleich und teilte einer Dienstnehmerin des Beklagten telefonisch mit, dass er eine neue Arbeitsstelle habe, abgemeldet werden wolle und mit 1. 5. 1998 den Dienst beim neuen Arbeitgeber antreten werde. Der Kläger ersuchte diese Mitteilung an den Beklagten weiterzuleiten. Er rief dann noch ein zweites Mal im Betrieb des Beklagten an und erkundigte sich, ob die Abmeldung in Ordnung gegangen sei. In der Folge veranlasste der Beklagte, dass das Lohnbüro die Abrechnung durchführte und die Abmeldung bei der Krankenkasse erfolgte.

Mit der vorliegenden, am 2. 6. 1999 eingebrachten Klage begehrt der Kläger nach Klagseinschränkung S 106.963,86 mit dem wesentlichen Vorbringen, ihm stünde eine Abfertigung für vier volle Dienstjahre in Höhe von S 67.387,05 netto sowie eine Urlaubsentschädigung für 84 Werktage von S 92.821,81 netto, insgesamt somit S 160.208,86 netto zu. Am 27. 5. 2000 seien ihm S 53.295 netto überwiesen worden, weshalb er sein ursprüngliches Klagebegehren auf S 106.953,86 einschränkte. Er brachte dazu vor, sein Dienstverhältnis sei mit Schreiben vom 26. 8. 1997 in dem über das Vermögen des Beklagten eröffneten Ausgleichsverfahren mit Zustimmung der Ausgleichsverwalterin gemäß § 20c AO zum 31. 10. 1997 gekündigt und sogleich am 1. 11. 1997 fortgesetzt worden. Die Kündigung sei nicht rechtswirksam zustandegekommen, da sie ein Umgehungsgeschäft dargestellt habe. Die Umgehungsabsicht sei darin gelegen gewesen, dass durch die nach Ausgleichseröffnung ausgesprochene Kündigung die Beendigungsansprüche auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds überwälzt werden sollten. Tatsächlich sei das Dienstverhältnis dadurch beendet worden, dass der Beklagte dem Kläger im April 1998 per Post die Lohnunterlagen sowie die Arbeitspapiere übermittelt habe, wobei auf der Abmeldung der Gebietskrankenkasse und der Arbeitsbescheinigung Kündigung durch den Dienstnehmer vermerkt worden sei. Dies entspreche aber nicht den Tatsachen, da er niemals eine Kündigung ausgesprochen habe. Vielmehr sei das Dienstverhältnis durch Dienstgeberkündigung beendigt worden.

Für den Fall, dass davon ausgegangen werden sollte, dass das Dienstverhältnis mit 31. 10. 1997 beendet worden sei, erhob der Kläger ein auf S 134.500,12 netto sA gerichtetes Eventualbegehren. Aus welchen Forderungen sich dieser Betrag zusammensetzt wurde nicht ausgeführt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte im Wesentlichen ein, das Dienstverhältnis habe am 30. 4. 1988 nach Kündigung durch den Kläger geendet. Ein Abfertigungsanspruch stehe ihm daher nicht zu, zumal die geltend gemachten Beträge aufgrund der Bestimmungen des Kollektivvertrages verfallen und verjährt seien. Im Übrigen sei der Ausgleich angenommen worden; die Ausgleichsquote habe 40 % betragen. Die Forderungen des Klägers seien vom Ausgleichsverwalter bzw vom Beklagten anerkannt worden; diesbezüglich bestünde daher ein Exekutionstitel.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab. Ein Anspruch auf Abfertigung in Höhe von S 67.387,05 netto stehe dem Kläger nicht zu, weil er selbst gekündigt habe. Hinsichtlich des weiter geltend gemachten Betrages vom S 92.821,81 netto Urlaubsentschädigung sei das Klagebegehren mangels Schlüssigkeit abzuweisen; der Kläger habe trotz Aufforderung versäumt, diesen Teil der Klagsforderung aufzuschlüsseln, überdies sei ein Teil des Klagebegehrens verjährt.

Zum Eventualbegehren meinte das Erstgericht, dass die Kündigung zum 31. 10. 1997, wie bereits vom Arbeits- und Sozialgericht Wien im Verfahren 6 Cgs 111/98f betreffend die Ansprüche auf Insolvenzausfallgeld ausgeführt, in Umgehungsabsicht und deshalb nicht rechtswirksam erfolgt sei, sodass dieses Eventualbegehren gleichfalls abzuweisen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil die Abweisung des Klagebegehrens auf Abfertigung in Höhe von S 67.387,05 netto sA, weil eine solche infolge Selbstkündigung nicht zustehe. Ebenso bestätigte es die Abweisung des nicht aufgegliederten Eventualbegehrens auf S 134.500,12 netto sA, das für den Fall erhoben wurde, dass von einer Beendigung des Dienstverhältnisses zum 31. 10. 1997 ausgegangen werden sollte, mangels Rechtschutzbedürfnisses, weil ohnedies bereits ein Titel vorhanden sei und die Voraussetzungen des § 54 AO zur Schaffung eines Doppeltitels weder behauptet worden seien noch vorlägen.

Im Übrigen hob es die erstgerichtliche Entscheidung hinsichtlich der begehrten Urlaubsentschädigung in der Gesamthöhe von S 92.821,-- netto sA zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf, weil nicht klar sei, worauf sich die Klagseinschränkung um S 53.295,-- beziehe und wie viel auf die Zeit nach der Forderungsanmeldung im Ausgleichsverfahren entfiele. Da dieser Aufhebungsbeschluss ohne Zulassung des Rekurses ergangen ist, ist dieser Punkt nicht mehr Gegenstand des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof.

Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag es im klagsstattgebenden Sinn abzuändern, in eventu dem Eventualklagebegehren vollinhaltlich stattzugeben; schließlich stellt er hilfsweise hinsichtlich der "gesamten Rechtssache" einen Aufgebungsantrag.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

1. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes hinsichtlich des Hauptbegehrens ist insoweit zutreffend, dass es nach den oben wiedergegebenen Feststellungen keinem Zweifel unterliegen kann, dass der Kläger Ende April 1998 gekündigt hat und ihm infolgedessen keine Abfertigung zusteht. Der nunmehrige Versuch des Klägers, seine Erklärung dahin auszulegen, es habe sich nur um ein Ersuchen um eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehandelt, kann nur als ein untauglicher Versuch gewertet werden, seine Abfertigung doch noch zu retten, nachdem die Vorinstanzen seinen Klagsbehauptungen, er sei gekündigt worden, keinen Glauben geschenkt hatten, sondern vielmehr festgestellt haben, dass der Kläger abgemeldet werden wollte, weil er ein anderweitiges Dienstverhältnis eingehen wollte.

Dennoch muss auch dieser Teil des Teilurteils aufgehoben werden:

Da - infolge nicht aufgeschlüsselter Zahlung von S 53.245,-- am 27. 5. 2000 - das Begehren in der Tagsatzung vom 12. 9. 2000 auf insgesamt S 106.963,86 netto sA eingeschränkt wurde und die Abweisung dieses Begehrens durch das Erstgericht im Umfang von S 92.821,81 netto (also hinsichtlich der gesamten Urlaubsentschädigung) vom Berufungsgericht aufgehoben wurde, verbleibt für die vom Berufungsgericht entschiedene Bestätigung der Abweisung des Hauptbegehrens mit S 67.387,05 netto sA (also betreffend die gesamte Abfertigung) kein Raum; es könnte - rein rechnerisch - die Abweisung nur hinsichtlich S 14.142,05 bestätigt werden. Mangels Zuordnung der Zahlung ist jedoch auch diesbezüglich zur Gänze mit Aufhebung vorzugehen; dem Erstgericht wird eine entsprechende Erörterung zur Klärung der Zuordnung der Zahlung aufgetragen.

2. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, das Eventualbegehren sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht berechtigt, weil der Kläger bereits über einen gültigen Exekutionstitel verfüge und keines "Doppeltitels" bedürfe, ist ebensowenig zutreffend, wie die der Entscheidung des Erstgerichtes zugrundeliegende Ansicht, dass vorliegendenfalls keine Bindungswirkung hinsichtlich der Forderungsfeststellung im Ausgleichsverfahren bestehe, weil die Kündigung in Umgehungsabsicht und somit rechtsunwirksam erfolgt sei. Die Forderungsanmeldung (Pos. 41) in Höhe von S 188.357,28 wurde im Ausgleichsverfahren weder von der Ausgleichsverwalterin noch vom Schuldner bestritten, sondern von beiden in voller Höhe anerkannt. Damit ist die Forderung durch die Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis festgestellt und kann aufgrund dieser Exekution geführt werden, und zwar gegen den Ausgleichsschuldner nach rechtskräftiger Bestätigung des Ausgleichs zur Hereinbringung des nach Maßgabe des Ausgleichs geschuldeten Betrages (§ 54 Abs 1 AO; in diesem Sinn auch § 156a Abs 1 KO hinsichtlich des Zwangsausgleichs) ebenso wie im Konkursverfahren auf das zur freien Verfügung bleibende oder nach der Konkursaufhebung erworbene Vermögen des Gemeinschuldners (§ 61 KO).

a) Zum angeblich mangelnden Rechtsschutzbedürfnis:

Mit der Forderungsfeststellung im Insolvenzverfahren wurde ein Entscheidungssurrogat geschaffen. Ihr kommt aber keine urteilsgleiche Wirkung zu; die Tragweite der Forderungsfeststellung ist zwar der (vollen) Urteilsrechtskraft verwandt, bleibt jedoch hinter ihr zurück, wie sich aus § 60 Abs 2 KO bzw § 54 Abs 4 AO und § 156a Abs 3 KO, jeweils idF IRÄG 1982 ergibt (Erl RV 3 BlgNR 15. GP 41, 48; EvBl 1991/86; Jelinek in Fasching - FS 245 ff mwN; Jelinek/Nunner - Krautgasser in Konecny/Schubert Komm zu den Insolvenzgesetzen Rz 40 zu §§ 60, 61 KO).

Die ohne Bestreitung durch den Ausgleichs- bzw Gemeinschuldner erfolgte Feststellung einer Ausgleichs- bzw Konkursforderung schafft gegenüber späteren Leistungsklagen kein rechtskraftgleiches Prozesshindernis. Vielmehr sind neue Leistungsklagen des Gläubigers schon aufgrund der ausdrücklichen Regelung des § 54 Abs 4 zweiter Satz AO bzw § 60 Abs 2 zweiter Satz KO zulässig. Dies entspricht dem Grundgedanken, dass die mehrfache Titulierung einer Forderung grundsätzlich zulässig ist (Fink JBl 1986, 82; Fasching Lehrbuch2 Rz 742; Jelinek/Nunner - Krautgasser aaO Rz 47). Der Gesetzgeber normierte nämlich ungeachtet des Umstandes, dass zumindest im Inland die Eintragungen in den Anmeldungsverzeichnissen in den Wirkungen mit Urteilen gleichgestellt wurden, dass Leistungsbegehren dennoch zulässig bleiben, dem unterlegenen Beklagten aber die Prozesskosten zu ersetzen seien, es sei denn, er habe die Abweisung des Klagebegehrens beantragt, oder der Kläger benötige das Urteil zur Zwangsvollstreckung in einem Staat, der Auszüge aus dem Anmeldungsverzeichnis eines österreichischen Gerichtes nicht anerkennt. Wie die Erl (aaO 41) dazu ausführen, sollte damit der Streit gelöst werden, ob und wieweit die Möglichkeit der Schaffung eines Exekutionstitels aufgrund der Ergebnisse des Insolvenzverfahrens auf nachfolgende Verfahren über Geldleistungsansprüche einwirke. Dem berechtigten Schutz des Schuldners vor willkürlicher Inanspruchnahme diene die oben erwähnte Kostenersatzbestimmung, die § 45 ZPO verwandt sei.

Der Berufung auf den Mangel des Rechtsschutzbedürfnisses im Fall, dass bereits ein (anderer) Titel wie die Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis bei Insolvenzverfahren vorliegt, hat der Gesetzgeber des IRÄG 1982 daher eine klare Absage erteilt (Frauenberger in Rechberger Komm ZPO2 Rz 10 vor § 226; Fasching aaO

Rz 742; Konecny RdW 1986, 37; SZ 66/173 = JBl 1994, 624). Die

wettbewerbsrechtliche Judikatur (SZ 66/145; ecolex 1996, 197 = MuR

1996, 37 [Frauenberger/Korn]) hält zwar weiterhin am mangelnden Rechtsschutzbedürfnis fest und meint aus den genannten Bestimmungen könne nicht gefolgert werden, dass der Gesetzgeber "Doppeltitel" billige (idS auch Sprung/Fink in Fasching - FS 508 ff, die eine Lösung des Doppeltitelproblems auf der Ebene des Rechtsschutzbedürfnisses für zweckmäßiger erachten). Die vom Obersten Gerichtshof - je nach Materie bzw Senat - kontroversiell gelöste Frage des Rechtschutzbedürfnisses im allgemeinen kann vorliegendenfalls dahingestellt bleiben und bedarf hier keiner generellen Lösung, weil jedenfalls im Bereich des Insolvenzrechtes aufgrund der ausdrücklichen Regelung des § 54 Abs 4 Satz 2 AO bzw § 60 Abs 2 Satz 2 und § 156a Abs 3 KO eine Klagsabweisung bzw -zurückweisung mangels Rechtsschutzbedürfnisses am positiven Recht scheitern muss (Jelinek/Nunner - Krautgasser aaO Rz 47).

b) zur Bindungswirkung

Unrichtig ist aber auch die der erstgerichtlichen Entscheidung offenbar zugrundeliegende Ansicht mangelnder Bindungswirkung. § 54 Abs 4 Satz 1 AO bzw § 60 Abs 2 Satz 1 und § 156a Abs 3 KO sprechen der Forderungsfeststellung im Insolvenzverfahren gegenüber späteren Leistungsklagen zwar keine Einmaligkeitswirkung, wohl aber Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft zu (Jelinek in Fasching -

FS 245 [250]; Fasching aaO Rz 1508; EvBl 1991/86; SZ 67/153 = EvBl

1995/80 = JBl 1995, 599; ZIK 1996, 25). Die Bindungswirkung greift

sowohl dann ein, wenn neuerlich ein Leistungsbegehren gestellt wird, als auch dann, wenn die Leistungspflicht lediglich als Vorfrage zu beurteilen ist (Erl aaO 41, 48). Diese kann ausschließlich mit den Mitteln des Prozessrechtes beseitigt werden; hiefür steht

insbesondere die Wiederaufnahmsklage (SZ 59/196 = EvBl 1987/205 = JBl

1987, 254; SZ 67/153 = EvBl 1995/80 = JBl 1995, 599) und

gegebenenfalls die Nichtigkeitsklage zur Verfügung (Jelinek in Fasching - FS 245 ff; Jelinek/Nunner - Krautgasser aaO Rz 44). Die Beseitigung der Bindungswirkung im Wege einer selbstständigen Klage ist ebenso ausgeschlossen (SZ 67/153 = EvBl 1995/80 = JBl 1995, 599) wie ein auf materielle Rechtsverletzung gestützter Aufhebungsantrag (Jelinek/Nunner - Krautgasser Rz 44).

Heraus folgt, dass das Gericht bei der hier zu beurteilenden Leistungsklage an die Feststellungswirkung der Eintragung im Anmeldungsverzeichnis gebunden ist und gegen diese Bindung nicht ins Treffen geführt werden kann, dass der Titel nur zum Schein geschaffen wurde, um den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zu unberechtigten Zahlungen zu veranlassen. Ungültig sind derartige Vereinbarungen nur zu Lasten eines Dritten; dieser kann sich hierauf berufen. Vorliegendenfalls geht es aber um die Bindung zwischen den Parteien (Gläubiger bzw Kläger und Schuldner bzw Beklagter). Diese Bindung muss sich der Beklagte entgegen halten lassen, weil sie - wie oben ausgeführt - nur durch Wiederaufnahmsklage oder Nichtigkeitsklage aus der Welt geschafft werden kann.

Dennoch ist aber auch das Eventualbegehren in keiner Weise spruchreif: Einerseits deshalb, weil nicht geklärt ist, inwieweit sich der Titel laut Anmeldungsverzeichnis über S 188.357,28 mit dem hier geltend gemachten Eventualbegehren über S 134.500,12 sA deckt. Nur im Umfang der Deckung kann von einer Bindungswirkung ausgegangen werden; hinsichtlich anderer Ansprüche bestünde keine derartige Bindungswirkung und hätte das Gericht allfällige derartige Ansprüche frei zu prüfen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass zwischenzeitig der Ausgleich bestätigt wurde, sodass dem Kläger nur mehr die Ausgleichsquote zuerkannt werden kann (dazu näheres unten) und dem Kläger ein nicht aufgeschlüsselter Betrag vom S 53.245,-- zugekommen ist, um den er zwar sein Hauptbegehren, nicht aber das Eventualbegehren eingeschränkt hat.

3. Zur Höhe der geltend gemachten Ansprüche

Unvorgreiflich des Umstandes, dass alle diese offenen Fragen mit den Parteien in erster Instanz zu erörtern sein werden, vermeint der erkennende Senat, dass es bereits jetzt - zur Vermeidung einer für die Parteien überraschenden Rechtsansicht - zweckmäßig ist, auf folgende Umstände hinzuweisen:

Sowohl zur Prüfung des Hauptbegehrens, als auch des Eventualbegehrens bedarf es der Klärung, welche Ansprüche des Klägers im Ausgleichsverfahren des Beklagten 3 Sa 901/97p des Handelsgerichtes Wien zu ON 41 des Anmeldungsverzeichnisses mit dem Betrag von S 188.357,28 angemeldet und vom Beklagten anerkannt wurden. Der erkennende Senat hat sich auf kurzem Weg eine Ablichtung der Anmeldung beschafft, aus der - unvorgreiflich abweichender Feststellungen im zu ergänzenden Verfahren - hervorzugehen scheint, dass im Insolvenzverfahren die selben Ansprüche angemeldet wurden, die auch als Insolvenzausfallgeld geltend gemacht wurden - die angemeldeten Ansprüche laut Beilage ./A denken sich hinsichtlich Rechtsgrund und Höhe -; dem Kläger wurde offensichtlich lediglich für die Ansprüche auf laufendes Entgelt samt Sonderzahlungen im Gesamtbetrag von S 53.857,16 Insolvenzausfallgeld zuerkannt, nicht aber für die vom Beklagten im Ausgleichsverfahren anerkannten Ansprüche auf Abfertigung in Höhe von S 50.540,28 und auf Urlaubsabfindung (Urlaubsentschädigung?) in Höhe von S 83.959,84; diese beiden Posten ergeben insgesamt S 134.500,12, was der Höhe nach dem hier geltend gemachten Eventualbegehren entspricht.

a) Da diese Ansprüche vom Bundessozialamt bestritten und nicht bezahlt wurden, gingen sie gemäß § 11 Abs 1 IESG nicht auf den Fonds über und verblieben beim Kläger, allerdings nur im Umfang einer Ausgleichsforderung. Seit der Entscheidung SZ 65/56 ist es ständige Rechtsprechung, dass dann, wenn wie hier die Bestätigung des Ausgleiches vor Schluss der mündlichen Verhandlung wirksam geworden ist, ohne Vorliegen eines Wiederauflebungstatbestandes nur die Ausgleichsquote zuerkannt werden kann. Mit der Zahlung der der darauf entfallenden Quote wäre die Ausgleichsforderung erloschen. 40 % von S 134.500,12 ergeben einen Betrag von S 53.800,05; mit der Zahlung des bis jetzt weder vom Kläger noch vom Beklagten zugeordneten Betrages von S 53.245,-- wäre daher fast die gesamte für diese Eventualforderung geschuldete Quote beglichen und damit die angemeldete und vom Beklagten anerkannte Forderung fast zur Gänze erloschen, zumal ein zum Wiederaufleben der Forderung führender Vorgang gemäß § 53 Abs 4 AO vom Kläger nicht einmal behauptet wurde.

b) Geht man vom Inhalt der Forderungsanmeldung sowie vom Vorbringen des Klägers AS 37 aus, dann handelt es sich bei dem Betrag von S 83.959,84 um Urlaubsentschädigung für 68 Werktage, womit alle Urlaubsansprüche bis zum Ende des laufenden Urlaubsjahres am 6. 2. 1998 erfasst worden seien. Am 7. 2. 1998 habe ein neues Urlaubsjahr begonnen, für das - ausgehend von der vom Kläger in seinem Hauptbegehren behaupteten Dienstgeberkündigung - gemäß § 9 Abs 1 Z 3 UrlG idF vor dem ARÄG 2000 Urlaubsentschädigung für 30 Werktage begehrt werde. Da hievon 14 Werktage konsumiert worden seien, verbliebe ein Rest von 16 Werktagen (= S 8.861,97), sodass sich zusammen mit dem bereits im Ausgleichsverfahren geltend gemachten

Anspruch auf Urlaubsentschädigung für 68 Werttage insgesamt ein Anspruch auf Urlaubsentschädigung für 84 Werktage ergebe. Geht man nun aber davon aus, dass das Arbeitsverhältnis am 30. 4. 1998 nicht durch Dienstgeberkündigung, sondern durch Dienstnehmerkündigung geendet hat (siehe oben Punkt 1), dann gebührte dem Kläger auch nach der alten Rechtslage - mangels Erfüllung der Voraussetzungen nach § 9 Abs 1 Z 6 UrlG aF - nur die der im neuen Urlaubsjahr zurückgelegten Beschäftigungszeit entsprechende Urlaubsabfindung. Da der Kläger in diesem Urlaubsjahr mehr als den aliquoten Urlaub verbraucht hat, stünde ihm auch aus diesem Titel kein Anspruch mehr zu. Da dem Kläger daher weder aus dem Titel der Abfertigung - aus Anlass der Beendigung zum 30. 4. 1998 steht dem Kläger, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, keine Abfertigung zu - noch aus dem der Urlaubsentschädigung bzw -abfindung ein Anspruch zusteht, der über die aus diesen Titeln im Ausgleich angemeldete Forderung hinausgeht, bleibt nur zu prüfen, inwieweit die im Ausgleich aus diesen Rechtsgründen angemeldete und anerkannte Forderung von S 134.500,12 durch Zahlung der Quote getilgt wurde. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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