OGH 7Ob32/02k

OGH7Ob32/02k22.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert F***** , vertreten durch Dr. Peter Sparer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H***** AG ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellungen (Streitwert S 50.000 bzw S 5.000, insgesamt S 55.000 = EUR 3.957,01) und Zwischenantrag der beklagten Partei auf Feststellung (Streitwert S 25.000 = EUR 1.816,82), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2001, GZ 3 R 85/01y, 3 R 283/01s-26, womit die Urteile des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 20. Dezember 2000, GZ 30 C 434/00f-7, und vom 13. August 2001, GZ 30 C 434/00f-21, infolge Berufungen beider Streitteile teilweise bestätigt, teilweise abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der PKW des Klägers wurde am 9. 10. 1997 bei einem (Begegnungs-)Unfall beschädigt. Das Fahrzeug war damals bei der beklagten Partei sowohl haftpflicht- als auch rechtsschutzversichert. Dem Rechtsschutzversicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Rechtsschutzversicherung für Privatpersonen (AKRB 1995) zugrunde, die ua folgende Bestimmungen enthalten:

Art 6

Welche Leistungen erbringt der Versicherer?

1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, übernimmt der Versicherer im Falle seiner Leistungspflicht die ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Deckungsanspruches entstehenden Kosten gemäß Pkt. 6., soweit sie für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers notwendig sind.

.....

3. Notwendig sind die Kosten, wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zweckentsprechend und nicht mutwillig ist und hinreichende Aussicht auf deren Erfolg besteht.

.....

8. Die Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers beträgt pro Versicherungsfall

8. 1. 20 % der Kosten gemäß Art 6., mindestens öS 3.000

8.2. Die Selbstbeteiligung entfällt, wenn der Versicherungsnehmer einen vom Versicherer vorgeschlagenen Anwalt wählt, oder die Auswahl des Anwaltes - in den Fällen des Artikels 10.4. und 10.5. - durch den Versicherer erfolgt.

....

Art 10

Wer wählt den Rechtsanwalt aus, durch wen und wann wird dieser beauftragt und was hat bei Vorliegen einer Interessenkollision zu geschehen?

1. Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, zu seiner Vertretung vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden, eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person (Rechtsanwalt, Notar, etc) frei zu wählen. Der Versicherer ist verpflichtet, den Versicherungsnehmer auf sein Wahlrecht hinzuweisen, sobald dieser Versicherungsschutz für die Einleitung eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens verlangt.

2. Darüber hinaus kann der Versicherungsnehmer zur sonstigen Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen einen Rechtsanwalt frei wählen, wenn beim Versicherer eine Interessenkollision entstanden ist.

Eine Interessenkollision liegt vor,

4.1. wenn die versicherte außergerichtliche Wahrnehmung rechtlicher Interessen nicht durch den Versicherer selbst vorgenommen wird;

4.3. wenn innerhalb von einem Monat vom Versicherungsnehmer kein Rechtsvertreter namhaft gemacht wird, nachdem ihn der Versicherer auf sein Wahlrecht und die Folgen des Fristablaufes hingewiesen hat;

4.4. in den Fällen des Art 6.7.3.

5. Der Versicherer ist verpflichtet, einen Rechtsvertreter auszuwählen, wenn der Versicherungsnehmer bei der Geltendmachung seines Deckungsanspruches keinen Rechtsvertreter namhaft macht und die sofortige Beauftragung eines Rechtsvertreters zur Wahrung der rechtlichen Interessen erforderlich ist.

6. Die Beauftragung des Rechtsvertreters erfolgt durch den Versicherer im Namen und im Auftrag des Versicherungsnehmers

.....

Der - schon damals vom nunmehrigen Klagevertreter, den er frei gewählt hatte, vertretene - Kläger begehrte im Verfahren 26 C 252/98f des Bezirksgerichtes Innsbruck vom Unfallsgegner und dessen Haftpflichtversicherer den Ersatz seines beim Unfall am 9. 10. 1997 erlittenen Sachschadens, den er mit S 65.733,60 bezifferte. Die Klage wurde in erster Instanz mit der Begründung abgewiesen, dem Unfallsgegner habe kein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls nachgewiesen werden können. Seitens der Beklagten, die dem Kläger Kostendeckung aus der Rechtsschutzversicherung für das erstinstanzliche Verfahren zugesagt hatte, wurde daraufhin mündlich eine Kostendeckung für das Berufungsverfahren wegen Aussichtslosigkeit abgelehnt. Über vom Kläger dennoch erhobene Berufung hob das Gericht zweiter Instanz das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger 1. die Feststellung der Rechtsschutzdeckungspflicht der Beklagten im Verfahren 26 C 252/98f BG Innsbruck (auch) für das Berufungsverfahren und das anschließende erstinstanzliche Verfahren im zweiten Rechtsgang und 2. die Feststellung, dass für die Abrechnung der Kosten des genannten Verfahrens kein Selbstbehalt in Abzug zu bringen sei; in eventu, dass sich die beklagte Partei auf eine Vereinbarung, wonach für den Verkehrsunfall vom 9. 10. 1997 wegen der freien Wahl eines Rechtsanwalts ein Selbstbehalt von 20 % bestünde, nicht berufen könne. Der Kläger brachte im Wesentlichen vor, der für den Fall der freien Anwaltswahl nach den AKRB 1995 vorgesehene "Strafselbstbehalt" verstoße gegen die gemäß § 158p VersVG zugunsten des Versicherungsnehmers zwingende Bestimmung des § 158k VersVG. Die beklagte Partei bestritt dies und beantragte, die Klage abzuweisen. Sie stellte ihrerseits einen Zwischenantrag auf Feststellung, dass sie als Rechtsschutzversicherer dem Kläger gegenüber berechtigt sei, von den Gesamtkosten in jedem einzelnen Schadensfall, auch im gegenständlichen, einen Selbstbehalt von 20 %, mindestens aber S 3.000 in Abzug zu bringen. Dieser Selbstbehalt entfalle dann, wenn der Kläger einen von ihr vorgeschlagenen Rechtsanwalt beauftrage. Die Beklagte erklärte im Übrigen, ihre Deckungspflicht "im Sinne eines Teilanerkenntnisses" nur insoweit anzuerkennen, als sie dem Kläger nicht für diejenigen Mehrkosten Kostendeckung zu gewähren habe, die "dadurch entstanden sind und noch entstehen werden, dass die Berufung im Verfahren 26 C 252/98f BG Innsbruck nicht im Sinne eines angestrebten dreigliedrigen Urteiles (angestrebte Klagsforderung S 21.911,20, angestrebte Gegenforderung S 9.994,67, daher angestrebter Zuspruch S 11.916,53 sA) ausgeführt wurde".

Das Erstgericht gab Punkt 1. des Klagebegehrens statt und wies Punkt 2. ebenso wie das betreffende Eventualbegehren ab. Der Versicherer habe gemäß § 158n VersVG die Obliegenheit, dem Versicherungsnehmer innerhalb von zwei Wochen ab der Geltendmachung des Deckungsanspruches den Versicherungsschutz grundsätzlich schriftlich zu bestätigen oder abzulehnen. Erfülle der Versicherer diese Pflicht nicht, müsse er alle Kosten tragen, die seit dem Ablauf der zweiwöchigen Frist entstanden seien. Da der dafür beweispflichtigen Beklagten der Nachweis einer schriftlichen Ablehnungserklärung nicht gelungen sei, träfen sie die genannten Folgen der Obliegenheitsverletzung. Dem Punkt 1. des Klagebegehrens sei daher infolge des Teilanerkenntnisses der Beklagten und aufgrund des unbestritten bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrages Folge zu geben gewesen. Betreffend Punkt 2. des Klagebegehrens ändere die Verbindung von Selbstbehalteregelungen und Regelungen für den Fall der Auswahl der Rechtsvertreters nichts am freien Rechtsvertreterwahlrecht des Versicherungsnehmers. Insbesondere widerspreche die Vereinbarung eines Selbstbehalts für den Fall der freien Wahl eines Rechtsvertreters nicht den Bestimmungen des § 158k VersVG, da der Wegfall (gemeint wohl der Ersatz) der gesamten Kosten für den Fall der Wahl eines vorgeschlagenen Vertreters lediglich eine Begünstigung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Regelfall des Selbstbehaltes darstelle. Diese Regelung verstoße nicht gegen § 879 ABGB, da im Rahmen der Vertragsautonomie es dem Versicherungsunternehmen möglich sein müsse - insbesondere bei derart geringen Prämien - kalkulatorisch das Risiko zu minimieren. Den Zwischenfeststellungsantrag der beklagten Partei wies das Erstgericht zunächst mit Beschluss mangels Präjudizialität iSd § 236 ZPO zurück; der Zwischenantrag auf Feststellung beziehe sich inhaltlich auf die Feststellung des Gegenteils dessen, was die klagende Partei zu Punkt 2. ihres Klagebegehrens beantragt habe. Im dritten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Zwischenfeststellungsantrag mit Urteil vom 13. 8. 2001 schließlich statt, wobei es auf seine Ausführungen zur Selbstbehaltsregelung im Urteil vom 20. 12. 2000 verwies.

Das sowohl vom Kläger (hinsichtlich der abweisenden Entscheidung zu Punkt 2. des Klagebegehrens und der Stattgebung des Zwischenfeststellungsantrags) als auch von der Beklagten (hinsichtlich der Stattgebung des Punktes 1. des Klagebegehrens) angerufene Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge. Hingegen änderte es die erstinstanzliche Entscheidung in Stattgebung der Berufung des Klägers dahin ab, dass 2.) Punkt 2. des Klagebegehrens Folge gegeben und 3.) der Zwischenfeststellungsantrag der Beklagten abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht sprach dazu aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes den Betrag von S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige und die Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht führte im Wesentlichen aus: Es treffe zwar zu, dass sich der Kläger auf das Schriftlichkeitserfordernis des § 158n VersVG gar nicht gestützt habe. Darauf müsse aber nicht weiter eingegangen werden, weil die Deckungspflicht der Beklagten bereits aus anderen Gründen zu bejahen sei. Im vorliegenden Verfahren sei nämlich lediglich zu beurteilen, ob die Beklagte grundsätzlich verpflichtet ist, als Rechtsschutzversicherer Kostendeckung zu gewähren, ohne dass derzeit zu beurteilen wäre, ob und allenfalls welche Rechtshandlungen des Klagevertreters im Verfahren 26 C 252/98f BG Innsbruck zweckentsprechend waren oder nicht. Vielmehr sei aufgrund des Teilanerkenntnisses der Beklagten davon auszugehen, dass diese grundsätzlich Rechtsschutzdeckung zu gewähren habe, während der Frage, inwieweit einzelne Prozesshandlungen, wie insbesondere die Berufung, zu ihrer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, lediglich bei der Beurteilung, welche Kosten konkret zu ersetzen sind, Relevanz zukomme. Nach Art 6 Punkt 1.3. AKRB 1995 übernehme der Versicherungsnehmer (soll heißen Versicherer) nur jene Kosten, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers notwendig sind. Ob und inwieweit die Berufung im Verfahren 26 C 252/98f BG Innsbruck (in dieser Form) zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war, sei erst im Zuge eines (allenfalls nachfolgenden) Leistungsverfahrens zu klären. Damit sei der Berufung der Beklagten ein Erfolg zu versagen. Hinsichtlich der Berufung des Klägers gehe es sowohl betreffend die teilweise Klagsabweisung in der Hauptsache als auch die Stattgebung des Zwischenantrages auf Feststellung um die zentrale Frage, ob die Beklagte berechtigt sei, in jenen Fällen, in denen der Versicherungsnehmer selbst einen Anwalt wähle, einen 20 %igen Kostenselbstbehalt in Anrechnung zu bringen, oder ob dieser Teil des Versicherungsvertrages unzulässigerweise gegen § 158k VersVG verstoße. Der Ansicht des Klägers, die betreffende Regelung eines "Strafselbstbehalts" widerspreche der einseitig zwingenden Bestimmung des § 158k VersVG, wonach der Versicherungsnehmer berechtigt sei, zu seiner Vertretung in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person frei zu wählen, werde beigetreten. Die betreffende Bestimmung fuße auf der Richtlinie des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung; nach Art 4 dieser Richtlinie sei in jedem Rechtsschutz-Versicherungsvertrag ausdrücklich anzuerkennen, dass dem Versicherten die freie Wahl des Rechtsanwaltes insbesondere dann freistehe, wenn eine Interessenkollision entstehe. Hintergrund dieser Regelung sei, dass Interessenkollisionen zwischen einem Rechtsschutzversicherten und seinem Versicherer möglichst zu vermeiden seien. Dazu werde in der Richtlinie ausgeführt, dass dieses Ziel unter anderem dadurch erreicht werden könne, dass dem Rechtsschutzversicherten das Recht eingeräumt werde, seinen Rechtsanwalt frei zu wählen, sobald er Anspruch auf das Tätigwerden des Versicherers habe. Der im gegenständlichen Fall vorgesehene Selbstbehalt von 20 % der gesamten Verfahrenskosten (auch der Kosten der Gegenseite und der Gerichtskosten) für den Fall, dass ein Versicherungsnehmer einen Anwalt seines Vertrauens beauftragen will, laufe der in § 158k Abs 1 VersVG normierten freien Anwaltswahl zuwider. Die Beklagte könne sich daher auf diese Bestimmung gemäß § 158p VersVG nicht berufen. Die Beklagte sei im Übrigen auch Haftpflichtversicherer des Klägers und liege damit "gerade klassisch" der Fall der Interessenkollision vor, den die Richtlinie vermeiden wolle. Damit habe aber für den gegenständlichen Versicherungsfall dieser Selbstbehalt nicht zur Anwendung zu kommen.

Die Revision sei zulässig, da keine Judikatur des Höchstgerichtes zur - über den vorliegenden Rechtsstreit hinausgehend bedeutsamen - Frage vorliege, ob die Vereinbarung eines Selbstbehaltes bei freier Rechtsanwaltswahl eine gemäß § 158p VersVG unzulässige Abweichung von der Bestimmung des § 158k Abs 1 VersVG darstelle.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass Punkt 1. des Urteilsbegehrens "nur in dem von uns anerkannten Umfang stattgegeben und das darüber hinausgehende Mehrbegehren abgewiesen" werde sowie hinsichtlich der Punkte 2. und 3. des Urteilsbegehrens das Ersturteil wiederhergestellt werde.

Der Kläger stellt in seiner Revisionsbeantwortung den Antrag, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Keine Berechtigung kommt zunächst der Bekämpfung der Stattgebung des Punktes 1. des Urteilsbegehrens (grundsätzliche Kostendeckungspflicht den gegenständlichen Unfall betreffend) zu. Dazu genügt es, auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Die Revisionswerberin hält dem entgegen, dass sie die grundsätzliche Deckung für das Berufungsverfahren und den nachfolgenden zweiten Rechtsgang nicht bestritten habe, weshalb diesbezüglich kein Feststellungsinteresse bestehe; weiters, dass sie dem "weiterreichenden" Begehren des Klägers zu Recht entgegengesetzt habe, dass die Berufung nicht einfach so abgefasst werden könne, als ob keine Gegenforderung bestünde; dies hätte bereits im vorliegenden Verfahren im Urteil Niederschlag finden müssen.

Damit setzt sich die Revisionswerberin einerseits darüber hinweg, dass sie ihren Deckungsanspruch hinsichtlich des gegenständlichen Unfalls eben nicht vorbehaltlos anerkannt hat und andererseits, dass ihr Einwand, nur für die Kosten einer zweckentsprechend erstatteten Berufung deckungspflichtig zu sein, keine Frage der grundsätzlichen Deckungspflicht (deren Klärung Punkt 1. des Urteilsbegehrens dienen soll), sondern eine Frage der in Art 6 Punkt 1. AKRB 1995 geforderten und in Punkt 3. dieses Artikels näher erläuterten Notwendigkeit der einzelnen Vertretungshandlungen des für den Kläger einschreitenden Rechtsanwalts darstellt. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin hat das Berufungsgericht die Stattgebung des Punktes 1. des Urteilsbegehrens durch das Erstgericht daher ohne Rechtsirrtum bestätigt.

Hinsichtlich Punkt 2. des Urteilsbegehrens und den Antrag auf Zwischenfeststellung wird die Rechtsfrage releviert, ob die Regelung des Art 6 Pkt 8. (Vereinbarung einer Selbstbeteiligung, die entfällt, wenn der Versicherungsnehmer einen vom Versicherer vorgeschlagenen Anwalt wählt), wie das Berufungsgericht angenommen hat, gegen die (gemäß § 158p VersVG halbzwingende - nämlich nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abänderbare) Bestimmung des § 158k Abs 1 VersVG verstößt, wonach der Versicherungsnehmer berechtigt ist, zu seiner Vertretung in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren einen Rechtsanwalt frei zu wählen. Die Revisionswerberin tritt der Ansicht des Berufungsgerichts mit der wesentlichen Begründung entgegen, die vom Gericht II. Instanz angenommene Interessenkollision liege nicht vor. Im Übrigen sei in der Rechtsschutzversicherung sowohl die Vereinbarung eines Selbstbehalts zulässig als auch die Vereinbarung, darauf bei Beauftragung eines vom Rechtsschutzversicherer empfohlenen Rechtsanwalts zu verzichten, zumal für einen solchen Verzicht "sachbezogene Umstände" sprächen.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Durch § 158k VersVG wird der in Art 4 der Richtlinie 87/344/EWG des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung (im Folgenden kurz Rechtsschutzversicherungsrichtlinie) vorgegebene Grundsatz der freien Anwaltswahl des Versicherungsnehmers im österreichischen Recht umgesetzt (Erl RV 641 BlgNR 18. GP 5; vgl Kronsteiner in Fenyves/Kronsteiner/Schauer VersVG-Novellen Rz 4 zu § 158k). Ziel und Zweck der Rechtsschutzversicherungsrichtlinie ist es, eine Interessenkollision zwischen Versicherten und Mehrspartenversicherern möglichst auszuschalten (vgl Prölss in Prölss/Martin VVG26, 801), falls es aber trotzdem dazu kommt, ihre negativen Folgen zu beseitigen und die Stellung der Versicherten insbesondere durch freie Anwaltswahl und fakultatives Schiedsverfahren zu verbessern (Kronsteiner, Die Interessenkollision in der Rechtsschutzversicherung, VR 1994, 1 [2]). Nach dem genannten Art 4 der Richtlinie muss dem Versicherten die Wahl des Rechtsanwaltes oder einer sonstigen nach dem nationalen Recht entsprechend qualifizierten Person für die Vertretung in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren freistehen. Wenn eine Interessenkollision entsteht, muss dieses Wahlrecht umfassend, dh auch außerhalb eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens eingeräumt werden. Art 4 der Richtlinie bekämpft also die Möglichkeit der Interessenkollision in der Rechtsschutzversicherung auf zwei Ebenen, und zwar einerseits durch die generalpräventive Einschaltung eines Rechtsanwalts zwecks Vermeidung von Interessenkonflikten a priori und andererseits durch dessen Einschaltung a posteriori, wenn bereits ein konkreter Interessenkonflikt aufgetreten ist (vgl Migsch, Die Umsetzung der versicherungsrechtlichen Richtlinie in das österreichische Privatrecht, in Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wirtschaftsprivatrecht, Teil 3/2 Versicherungsvertragsrecht 140). Art 7 der Richtlinie verpflichtet den Versicherer, den Versicherungsnehmer auf sein erweitertes Wahlrecht hinzuweisen, wenn eine Interessenkollision eintritt (Kronsteiner, Die neuen Musterbedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung, VR 1994, 172 [179]; Honsell in BK §§ 158l - 158o Rn 17).

§ 158k Abs 1 VersVG behandelt in Übereinstimmung mit der Rechtsschutzversicherungsrichtlinie das Wahlrecht des Versicherungsnehmers in den beiden erwähnten Fällen, also im "Normalfall" eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens und erweitert es im Fall einer (konkreten) Interessenkollision (vgl Grubmann, VersVG4 FN 2 zu § 158k; Kronsteiner, Die Rechtsschutzversicherung im VersVG, ecolex 1994, 525). Abs 3 leg cit geht insoferne über die Rechtsschutzversicherungsrichtlinie hinaus, als er dem Versicherer eine Pflicht zum Hinweis auf das Wahlrecht nicht nur im Fall der Interessenkollision, sondern auch im Normalfall auferlegt, ohne allerdings für den Fall eines Verstoßes gegen die Hinweispflicht ausdrückliche Sanktionen vorzusehen (Heiss, Der Einfluss des EWR-Vertrages auf das Versicherungsvertragsrecht, WBl 1993, 214 [218]). § 158k Abs 2 VersVG ergänzt die Bestimmungen der Rechtsschutzversicherungsrichtlinie dadurch, dass er eine vertragliche Vereinbarung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer über die örtliche Begrenzung des Wahlrechtes zulässt. Diese Gestaltungsmöglichkeit soll den Vertragsparteien eingeräumt werden, da eine solche Begrenzung kostensparend und somit prämiensenkend wirken kann (Erl RV 641 BlgNR 18. GP 6). Von der Sektion für die Rechtsschutz-Versicherung des Verbandes der Versicherungsunternehmen Österreichs wurden Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 1994) als unverbindlich empfohlene Musterbedingungen angeboten, die den Bestimmungen des § 158k VersVG Rechnung tragen sollen. Das darin statuierte freie Wahlrecht, das den Versicherungsnehmer vor Interessenkollisionen schützen soll, ist in Art 10 Pkt 1 bis 3 geregelt, welche Bestimmungen von den dem gegenständlichen Versicherungsvertrag zugrunde gelegten AKRB 1995 übernommen und hier bereits eingangs wiedergegeben wurden. Ein Anhang zu den ARB 1994 enthält "unverbindlich empfohlene Polizzenklauseln", wobei der oben wiedergegebene Art 6 Pkt 8. AKRB 1995 die Polizzenklausel 12 darstellt, die eine Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers (entsprechend dem fakultativen Vorschlag des Art 6. Pkt 8. der ARB 1994) vorsieht und die unter dem Gesichtspunkt des § 158k VersVG hier zu beurteilende Bestimmung enthält, dass diese Selbstbeteiligung entfällt, wenn der Versicherungsnehmer einen vom Versicherer vorgeschlagenen Anwalt wählt, oder die Auswahl des Anwaltes in den Fällen des Art 10 Pkt 4. und 5. durch den Versicherer erfolgt. Kronsteiner vertritt in den von ihm gemeinsam mit Lafenthaler herausgegebenen Erläuterungen zu den Musterbedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung die Ansicht (S. 250 f), dass die Verbindung von Selbstbehaltsregelung und Auswahl des Rechtsvertreters im konkreten Einzelfall nichts am freien Rechtsvertreterwahlrecht des Versicherungsnehmers ändere und daher in Übereinstimmung mit den Regeln des § 158k VersVG und Art 10 ARB 1994 stehe. Dem kann - unter dem zu beachtenden Aspekt, dass § 158k Abs 1 VersVG (als gemäß § 158p VersVG halbzwingende Norm) nur zum Vorteil des Versicherungsnehmers abgeändert werden darf - im Falle einer bereits konkret aufgetretenen Interessenkollision keineswegs beigepflichtet werden. Eine konkrete Interessenkollision ist allerdings im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ("in geradezu klassischer Weise") nicht schon deshalb gegeben, weil der Kläger bei der Beklagten nicht nur rechtsschutz- sondern auch haftpflichtversichert ist. Liegt doch eine Interessenkollision (wie dies in Art 10 Punkt 2 ARB 1994 und 10 Punkt 2. AKRB 1995 ausdrücklich betont wird; eine Definition des Begriffes bzw der Voraussetzungen für den tatsächlichen Eintritt einer Interessenkollision ist weder in der Rechtsschutz-Richtlinie noch in den entsprechenden österreichischen Rechtsvorschriften des VAG oder des VersVG enthalten [Kronsteiner in Venyves/Kronsteiner/Schauer, Rz 8 zu § 158k VersVG]) nicht schon dann vor, wenn der Versicherungsnehmer aufgrund desselben Ereignisses Ansprüche aus verschiedenen Versicherungsverträgen bei demselben Versicherer geltend macht, sondern muss dazu (kumulativ) auch noch das Rechtsschutzinteresse des Versicherungsnehmers im Gegensatz zum wirtschaftlichen Interesse des Versicherers in einem anderen Versicherungszweig stehen (vgl Schauer, Versicherungsvertragsrecht3 455; Kronsteiner azaO; ders VR 1994, 180; Lafenthaler in Versicherungs-Handbuch, Rechtsschutz 9).

Ob bzw inwieweit im "Normalfall" einer nur abstrakt zu befürchtenden Interessenkollision im Gerichts- oder Verwaltungsverfahren der Ansicht Kronsteiners in den erwähnten Erläuterungen beigetreten werden kann, muss hier nicht abschließend untersucht werden. Gesetzbzw richtlinienkonform ist nämlich die Polizzenklausel 12 bzw Art 6 Punkt 8. AKRB 1995 jedenfalls dann nicht, wenn der dem Versicherungsnehmer damit offerierte Vorteil des Wegfalls eines Selbstbehalts die sachlich gerechtfertigte Grenze insofern überschreitet, als der Versicherungsnehmer wegen der Größe des angebotenen Vorteils sozusagen einem psychologischen Zwang unterliegt, von der freien Vertreterwahl jedenfalls nicht Gebrauch zu machen, um des ihm vom Versicherer dafür angebotenen Vermögensvorteils nicht verlustig zu gehen. Die Gefahr, dass auf diese Weise der von § 158k VersVG in Umsetzung des Art 4 der Richtlinie intendierte Schutz des Versicherungsnehmers durch freie Vertreterwahl unterlaufen würde, ist bei dem im vorliegenden Fall vorgesehenen Selbstbehalt von 20 % zweifellos anzunehmen, wobei in diesem Zusammenhang zu beachten ist, dass der Selbstbehalt ja nicht nur die Kosten des eigenen Rechtsanwalts, sondern auch alle anderen Verfahrenskosten umfasst.

Die Missbilligung der Verknüpfung von Selbstbehalt und freier bzw unfreier Anwaltswahl durch das Berufungsgericht erweist sich demnach - zumindest im Ergebnis - frei von Rechtsirrtum. Gegen den vom Berufungsgericht ohne weiteres gezogenen Schluss, dass als Sanktion dieser Missbilligung die gesamte Regelung als unwirksam zu betrachten ist, erhebt die Beklagte ohnehin keinen Einwand. Ihre Revision muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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