OGH 5Ob111/02p

OGH5Ob111/02p14.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Prinz Eugenstraße 20-22, 1040 Wien, vertreten durch Dr. Manfred Korn, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Gemeinnützige S*****Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Raits Ebner, Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen EUR 4.500, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 4. Februar 2002, GZ 54 R 385/01h-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes St. Johann im Pongau vom 10. Oktober 2001, GZ 5 C 30/01x-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 399,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 66,62 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte hat als gemeinnützige Wohnbaugesellschaft eine nach den Bestimmungen des Salzburger Wohnbauförderungsgesetzes 1968 geförderte Wohnanlage in***** errichtet. Das Haus ***** war im Spätherbst 1992 bezugsfertig, aufgrund von Mietverträgen vom 3. 11. und 9. 11. 1992 bezogen damals die Mieter Franz F***** und Karl Heinz S***** in diesem Haus Wohnungen. Mit Franz F***** war ein monatlicher Mietzins von S 5.390,70 vereinbart, mit Karl Heinz S***** ein Mietzins von S 4.573,85. Zum damaligen Zeitpunkt war noch keine Endabrechnung erstellt, sodass die dem Mietzins zugrunde zu legenden Größen sowohl hinsichtlich der Preisbasis (Angebote der Professionisten) als auch in Hinblick auf die Finanzierungskosten "vorläufige" Beträge waren. Das wurde auch jeweils in Punkt III der Mietverträge unter "Kosten und Finanzierung" folgendermaßen klargestellt:

"Grundlage dieses Vertrages sind die sich aus der Endabrechnung ergebenden Gesamtbaukosten (Herstellungskosten), sowie gegebenenfalls die Grundkosten. Die Herstellungskosten und die Finanzierung bilden die Basis für die Errechnung der Bestandteile des laufenden Entgelts und der neben dem laufenden Entgelt gegebenenfalls zu leistenden Beträge. Alle Beträge dürfen von der Vermieterin nicht höher aber auch nicht niedriger angesetzt werden, als es dem für gemeinnützige Bauvereinigungen gültigen Kostendeckungsprinzip entspricht. Die Finanzierung des Hauses erfolgt nach den Bestimmungen des Wohnbauförderungsgesetzes 1984 idgF. Da die Endabrechnung der Herstellungskosten zum Zeitpunkt der erstmaligen Vermietung der Wohnung noch nicht vorliegt, sind die aus der Preisbasis und Finanzierung resultierenden Kosten vorläufige Beträge".

In Punkt V ist bestimmt:

"Mietzins: Unter Berücksichtigung der in Punkt III angeführten Finanzierung ergibt sich ein monatlicher Mietzins von ... Der Mietzins wird nach § 14 Abs 1 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz unter Berücksichtigung der Entgeltsrichtlinienverordnung in der jeweils geltenden Fassung errechnet und kann diesen Vorschriften entsprechend verändert werden, wenn sich die der Berechnung des Entgelts zugrundeliegenden Beträge ändern. Es gelten die nach den genannten Bestimmungen jeweils zulässigen Sätze als vereinbart". Das Mietverhältnis mit Franz F***** und Karl Heinz S***** endete 1997.

Nach Vorliegen der Endabrechnung und der tatsächlichen Errichtungskosten ergab sich ein Differenzbetrag von S 18.356,92 für Franz F***** und S 15.536,75 für Karl Heinz S***** für den Zeitraum 1. 1. 1997 bis 31. 8. 1997.

Mit 1. 11. 1997 bzw 1. 1. 1998 wurden die zuvor von F***** und S***** gemieteten Wohnungen an Nachmieter K***** und P***** vermietet. Die Guthaben, die sich aus der Differenz zwischen den tatsächlichen Errichtungskosten und den geschätzten Errichtungskosten für den gesamten Mietzinszeitraum der Mieter F***** und S***** in Höhe von S

30.777 bzw S 26.047,84 ergaben, wurden von der beklagten Partei den Nachmietern K***** und P***** mit Schreiben vom 13. 9. 1997 gutgebucht. Aufgrund der Endabrechnung wurden die Mieten mit 1. 1. 1997 generell gesenkt.

Die früheren Mieter Franz F***** und Karl Heinz S***** traten ihre Forderungen auf Rückzahlung zuviel bezahlten Entgelts an die Klägerin ab.

Diese begehrt mit der vorliegenden Klage die Zahlung von S 33.893,67 sA mit der Begründung, die beklagte Partei dürfe als gemeinnützige Wohnbaugesellschaft nur einen kostendeckenden Mietzins verrechnen, wobei sich die endgültige Mietzinshöhe erst aus dem Vorliegen der Bauendabrechnungen ergebe. Die tatsächlichen Herstellungskosten seien unter den geschätzten Kosten gelegen, weshalb die ursprünglich verrechneten Mieten überhöht gewesen seien. Diese seien von der Beklagten jeweils jenen Mietern zurückzuzahlen, die sie bezahlt hätten und nicht jenen Mietern, die im Zeitpunkt der Endabrechnung die Mieterposition inne hätten. Der Rückforderungsanspruch wurde von der klagenden Partei auf den Rechtsgrund der Bereicherung und jeden sonst erdenklichen Rechtsgrund gestützt.

Die Beklagte bestritt, beantragte Abweisung der Klage und brachte vor, dass sie das Guthaben nur kulanterweise an die aktuellen Mieter ausbezahlt hätte, ohne dass hiefür eine Rechtsgrundlage bestehe. Die Mieter F***** und S***** seien im Zeitpunkt der Endabrechnung nicht mehr Mieter gewesen, sodass ihnen keine Forderung gegen die Beklagte zustehe. Die Endabrechnungen seien auch keineswegs verspätet durchgeführt worden.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte, der klagenden Partei den Betrag von S 33.893,67 sA zu bezahlen. Es folgte dem Rechtsstandpunkt der klagenden Partei, dass diejenigen Mieter rückforderungsberechtigt seien, die zuviel an Mietzins bezahlt hätten und nicht diejenigen, die zufällig im Zeitpunkt des Vorliegens der Endabrechnung Mieter seien. Eine analoge Anwendung der Bestimmungen der §§ 27, 21 MRG, wonach stets der jeweilige Mieter einen Rückersatzanspruch habe, komme nicht in Betracht. Auch bestehe ein Rechtsanspruch der früheren Mieter auf Rückzahlung der zuviel bezahlten Mietzinse. Einer dagegen von der beklagten Partei erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Im WGG seien zwar mehrere Bestimmungen über die Rückzahlung zuviel eingehobener Beträge enthalten, etwa § 14d Abs 8 WGG für nicht verbrauchte Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge oder § 17 WGG für Finanzierungsbeiträge. Damit erfahre jedoch der hier zu beurteilende Sachverhalt keine Regelung. Für die Frage der Rückforderungslegitimation betreffend zuviel bezahlten Entgelts könne die zu § 21 MRG ergangene Rechtsprechung (vgl MietSlg XXXVII/23) nicht herangezogen werden, weil insofern eine Vergleichbarkeit fehle. Bei Überwälzung der Betriebskosten eines Hauses auf die Hauptmieter habe nämlich der Gesetzgeber nicht ein verursacherbezogenes Kostentragungsprinzip zugrunde gelegt, sondern normiert, dass bestimmte, im Gesetz aufgezählte Betriebskosten auf die zur Zeit der Vorschreibung als Hauptmieter anzusehenden Personen überwälzt werden dürften. Solche Grundsätze seien auf Mietzins nicht übertragbar. Ansonsten hättte es die Bauvereinigung in der Hand, durch Wahl des Abrechnungszeitpunktes willkürlich zu bestimmen, wem sich aus der Abrechnung ergebende Guthabensbeträge zukommen sollten und etwa denjenigen Mieter, der die Überzahlungen tatsächlich geleistet habe, leer ausgehen zu lassen. In Frage komme daher nur eine Abwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen, was die Legitimation der früheren Mieter, die die überhöhten Mietzinse bezahlt hätten, ergebe. Diese hätten ihre Forderungen der Klägerin abgetreten, sodass diese aktiv legitimiert sei.

Das Berufungsgericht erklärte den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof für zulässig, da zur Frage der Aktivlegitimation für überhöht geleistete Mietzinse nach Legung einer Endabrechnung und Mieterwechsel keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstandes gemäß § 55 Abs 4 JN EUR 4.500 betrage.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist aus den vom Berufungsgericht bezeichneten Gründen zulässig, sie ist aber nicht berechtigt. Die Revisionswerberin hält daran fest, dass ein Anspruch auf Rückzahlung von Mietzins aufgrund des Vertrages weder für die klagende Partei (bzw die früheren Mieter) noch für die nachfolgenden Mieter bestehe. Im Vertrag sei festgehalten, dass bis zur Endabrechnung der Mietzins nach den Herstellungskosten zum Zeitpunkt der erstmaligen Vermietung der Wohnung zu bestimmen sei. Erst künftig zu bezahlende Mietzinse seien nach den Grundlagen der Endabrechnung zu bestimmen. Bis dahin sei der vertragliche und von den Mietern geschuldete Mietzins jener, der sich aufgrund der geschätzten Herstellungskosten ergebe. Die Mieter, die der Klägerin ihre Ansprüche abgetreten hätten, seien im Zeitpunkt der Erstellung der Endabrechnung nicht mehr Mieter gewesen, es habe sich somit erst nach dem Zeitpunkt der Beendigung ihres Mietverhältnisses eine Änderung der Berechnungsgrundlagen ergeben, die eine Senkung des Mietzinses gerechtfertigt hätte. Erst nach Vorliegen der von der Landesregierung überprüften Endabrechnung sei die Grundlage für eine Anpassung des Mietzinses gegeben gewesen.

Unabhängig davon, dass also ein Rückforderungsanspruch nicht bestehe, komme ein solcher allenfalls nur jenen Mietern zu, die im Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs, also im Zeitpunkt des Vorliegens der geprüften Endabrechnung, Mieter seien. Das ergebe sich aus im WGG enthaltenen Rückzahlungsbestimmungen wie etwa § 14d Abs 6 und 17 WGG.

§ 14d Abs 7 und 8 WGG enthalte eine Regelung über die Anspruchslegitimation für die Rückforderung der von Mietern erbrachten Leistungen (Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge) nach erfolgter Abrechnung. Demnach komme eine Rückzahlung jeweils nur an die aktuellen Mieter in Betracht.

Nach denselben Prinzip behandle § 21 bzw § 27 MRG Rückforderungsansprüche. Stets sei nur der aktuelle Mieter zur Rückforderung berechtigt, also jener Mieter der im Zeitpunkt der Jahresabrechnung Mieter sei (MietSlg 37.392/23). Das WGG selbst enthalte für die Legitimation zur konkreten Rückforderung keine Bestimmung, sodass eine Analogie zu den genannten Bestimmungen durchaus angebracht sei.

Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

Gemäß § 21 Abs 1 Z 1 WGG sind Vereinbarungen einer Bauvereinigung mit einem Mieter insoweit rechtsunwirksam, als sie zum Nachteil des Vertragspartners der Bauvereinigung von den Bestimmungen der §§ 13 bis 15, 15b bis 20 und 22 WGG abweichen. Diese Bestimmung verdeutlicht zunächst, dass das WGG kein Konzept gesetzlicher Mietzinse verfolgt, sondern die zumindest konkludente Vereinbarung des Mietzinses erfordert (MietSlg 39.697/42; WoBl 1992/36; Schuster in Schwimann Rz 3 zu § 21 WGG mwN), bzw aller seiner Komponenten gemäß § 14 Abs 1 WGG, die Würth/Zingher20 Rz 2 zu § 14 WGG auch als "Sollentgelt" bezeichnen (vgl auch WoBl 1995/47). Die Entgeltsbildungsregeln des WGG sind einseitig zwingendes Zivilrecht. Das bedeutet, dass Vereinbarungen, die zum Nachteil des Vertragspartners der Bauvereinigung von der Kostendeckung oder einem anderen als Obergrenze normierten Parameter abweichen, insoweit gemäß § 21 Abs 1 Z 1 WGG rechtsunwirksam sind. Die einen Wohnungswerber begünstigende, von § 13 ff WGG abweichende Vereinbarung ist aber zivilrechtlich wirksam (WoBl 1988/43; WoBl 1991/70; 1992/33; 1995/47; RIS-Justiz RS0083301).

Die zum Nachteil eines Mieters von den Bestimmungen der §§ 13 ff WGG abweichenden Vereinbrungen sind also zivilrechtlich (teil-)unwirksam. Das bedeutet, dass die in den Bestimmungen der §§ 13, 14 WGG enthaltenen Vorschriften über die Ermittlung eines angemessenen kostendeckenden Entgelts maßgeblich für die Rechtsbeständigkeit einer Entgeltsvereinbarung sind. Ergibt sich daher durch eine (verzögerte) Bauendabrechnung, dass die im Zeitpunkt des Erstbezugs einer Wohnung für die Entgeltsberechnung zugrunde gelegten ("vorläufigen") Baukosten höher angesetzt wurden als die allein maßgeblichen tatsächlichen Baukosten im Sinn des § 13 Abs 2 Z 1 WGG, so ergibt sich daraus zwangsläufig zufolge § 21 Abs 1 Z 1 WGG eine Teilnichtigkeit der Entgeltsvereinbarung. Die Rechtsansicht der Beklagten, dass bis zur Erstellung und Prüfung der Bauendabrechnung die Bestimmungen der §§ 13 f WGG nicht anwendbar seien und bis zu diesem Zeitpunkt der geschätzte, "vorläufige" Mietzins der gesetzlich zulässige sei, erweist sich demnach als unhaltbar. § 14 Abs 1 zweiter Satz WGG, auf den sich die Beklagte bezieht, hat keineswegs eine Heilung überhöhter, teilnichtiger Vereinbarungen im Auge, sondern gestattet eine Neufestsetzung des Entgelts, die sich aus einer Änderung der Berechnungsgrundlagen (Zinssatzänderungen, Tilgung von Finanzierungsmitteln, Wegfall von Zuschüssen etc) ergibt. Davon sind nur Änderungen der Entgeltskomponenten des § 14 Abs 1 Z 1 bis 9 WGG umfasst (vgl Schuster in Schwimann Rz 48 zu §§ 13, 14 WGG). Aus der Anordnung des § 21 Abs 1 Z 1 WGG ergibt sich im Übrigen eindeutig, dass die relative Nichtigkeit einer Entgeltsvereinbarung, hier infolge überhöht angesetzter Baukosten, von demjenigen Mieter oder Nutzungsberechtigten geltend gemacht werden kann, dessen Vereinbarung mit der Bauvereinigung von der Nichtigkeitssanktion erfasst ist. Ein Vergleich mit anderen Mietzinsbestandteilen, wie Betriebskosten oder Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen, ist in diesem Zusammenhang völlig unangebracht, weshalb eine analoge Anwendung entsprechender Bestimmungen oder der Rechtsprechung zu § 21 MRG sich verbietet.

Ergibt daher eine als Vorfrage vorgenommene Überprüfung des Entgelts eine Überschreitung zwingender Entgeltsvorschriften der §§ 13 ff WGG, so ist derjenige Mieter oder Nutzungsberechtigte rückforderungsberechtigt, der aufgrund teilnichtiger Vereinbarungen mit der Bauvereinigung diese Beträge geleistet hat. Die betreffenden Mieter waren daher rechtlich auch in der Lage, die ihnen zustehenden Rückforderungsansprüche gegen die Beklagten der Klägerin als einem in § 29 KSchG genannten Verband abzutreten (§ 55 Abs 4 JN). Der Revision der Beklagten war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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