Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Rechtsmittelkosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der am 15. 3. 1948 geborene Kläger leidet an Aufbrauchserscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen, beginnenden Senkspreizfüßen und Winkelzehen beidseits. Weiters findet sich ein mäßiges Cervikal- und Lumbalsyndrom (ohne Hinweise auf eine akute Wurzelirritation) und ein neurasthenisch-depressiver Verstimmungszustand.
Aufgrund dieser Erkrankungen kann der Kläger leichte und mittelschwere Arbeiten in der normalen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen verrichten. Arbeiten unter dauerndem besonderen Zeitdruck (Band- und Akkordarbeiten) sind nicht mehr möglich. Der Kläger ist unterweisbar und kann eingeordnet werden. Die Fingerfertigkeit ist erhalten; das Zurücklegen der Anmarschwege ist gewährleistet. Es sind nur Arbeiten ohne häufiges tiefes Bücken möglich. Krankenstände sind bei Kalkülseinhaltung nicht prognostizierbar.
Der Kläger hat während seiner Berufslaufbahn Schweißertätigkeiten ausgeübt. Es fehlen ihm jedoch Fachqualifikationen aus dem Bereich des Hart- und Weichlötens; solche Tätigkeiten hat er nicht ausgeübt. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt es noch zahlreiche Tätigkeiten, die der Kläger trotz seiner Erkrankungen noch ausüben könnte. So könnte er beispielsweise als Hilfskraft im Rahmen der Materialversorgung in größeren Betrieben oder als Verpackungsarbeiter tätig sein.
Das Erstgericht wies ausgehend von diesem Sachverhalt das Begehren des Klägers, die beklagte Partei sei schuldig zu erkennen, ihm ab 1. 5. 2000 eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, ab. Da die vom Kläger vorgewiesenen Qualifikationen für einen Berufsschutz nicht ausreichten, sei die Invalidität des Klägers nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen. Der Kläger könne noch verschiedene Verweisungstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten und sei daher nicht invalide.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es verneinte das Vorliegen der geltend gemachten Verfahrensmängel, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung und erachtete auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes für zutreffend.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne ihres Aufhebungsantrages berechtigt. Die gerügten Mängel des Berufungsverfahrens liegen allerdings nicht vor; diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 ZPO keiner näheren Begründung. Den Revisionsausführungen ist daher nur entgegenzuhalten, dass angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, nicht neuerlich mit Revision geltend gemacht werden können (SSV-NF 7/74 mwN ua). Die Feststellung oder Nichtfeststellung bestimmter Tatsachen resultiert aus der freien Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann. Ob außer den zu einer strittigen Tatsache bereits vorliegenden Beweisen noch weitere Beweise aufzunehmen gewesen wären, ist eine Frage der Beweiswürdigung und kann im Revisionsverfahren nicht überprüft werden (SSV-NF 12/32 mwN). Auch die Frage, ob einem sachverständigen Gutachten gefolgt werden kann oder ob es allenfalls zu ergänzen ist, betrifft die nicht revisible Beweiswürdigung (SSV-NF 7/12 ua). Das Berufungsgericht hat sich mit der diesbezüglichen Mängelrüge des Klägers auseinandergesetzt und ausreichend begründet, warum das Erstgericht von der Einvernahme der beantragten (sachverständigen) Zeugen absehen konnte, sodass auch insoweit kein Mangel des Berufungsverfahrens gegeben ist. In seinen Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung steht der Kläger auf dem Standpunkt, dass er Berufsschutz als angelernter Universalschweißer genieße.
Ein angelernter Beruf im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG liegt vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht der Nachweis des Vorliegens aller Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich, die nach den Ausbildungsvorschriften zum Berufsbild eines Lehrberufes zählen und daher einem Lehrling während der Lehrzeit zu vermitteln sind. Es kommt vielmehr darauf an, dass ein angelernter Arbeiter über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die üblicherweise von ausgelernten Facharbeitern des jeweiligen Berufes in dessen auf dem Arbeitsmarkt gefragten Varianten (Berufsgruppen) unter Berücksichtigung einer betriebsüblichen Einschulungszeit verlangt werden. Hingegen reicht es nicht aus, wenn sich die Kenntnisse und Fähigkeiten auf ein oder mehrere Teilgebiete eines Berufes erstrecken, der von ausgelernten Facharbeitern allgemein in viel weiterem Umfang beherrscht wird. Die Kenntnisse und Fähigkeiten für einen angelernten Beruf können im Fall des Klägers an den Ausbildungsvorschriften für den Lehrberuf Universalschweißer gemessen werden (10 ObS 260/00h; SSV-NF 7/108 mwN ua).
Ob ein angelernter Beruf vorliegt, ist eine Rechtsfrage, zu deren Beantwortung - im vorliegenden Fall - detaillierte Feststellungen darüber erforderlich sind, welche Anforderungen an ausgelernte Facharbeiter der Berufsgruppe Universalschweißer üblicherweise - nicht nur in einzelnen Betrieben - gestellt werden und welche qualifizierten Kenntnisse und Fähigkeiten dieser Berufsgruppe der Kläger erworben hat (10 ObS 60/89 mwN ua).
Im vorliegenden Fall steht weder fest, welche der für das Berufsbild des "Universalschweißers" maßgebenden Kenntnisse und Fertigkeiten der Kläger erworben und ausgeübt hat, noch welche Kenntnisse und Fertigkeiten üblicherweise von ausgelernten Facharbeitern dieser Berufsgruppe verlangt oder erwartet werden. Damit fehlt die für diesen Vergleich notwendige Tatsachengrundlage. Es kann daher derzeit mangels entsprechender Feststellungen noch nicht davon ausgegangen werden, dass für den Kläger allein schon aufgrund des Umstandes, dass er über keine Kenntnisse im Bereich des Hart- und Weichlötens verfügt, ein Berufsschutz als angelernter Universalschweißer nicht mehr in Betracht käme. In der Tagsatzung vom 13. 6. 2001 wurde zwar der Vorakt des Klägers (mit einem ausführlichen berufskundlichen Gutachten) verlesen, es haben aber die entsprechenden Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen in die Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichtes keinen Eingang gefunden. Da somit wesentliche Fragen bisher nicht erörtert und die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen wurden, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden, ob der Kläger Berufsschutz genießt und welche Verweisungstätigkeiten für ihn in Frage kommen. Das Verfahren erweist sich daher als ergänzungsbedürftig, weshalb der Revision Folge zu geben war. Da es offenbar noch einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, war unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)