OGH 1Ob78/02f

OGH1Ob78/02f30.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** Bank B***** reg.Gen.m.b.H., ***** vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1. Richard W*****, und 2. Carmen W*****, vertreten durch Dr. Hans-Dieter Sereinig, Rechtsanwalt in Ferlach, sowie 3. ***** T***** & Co KEG, ***** vertreten durch Dr. Helmut Grubmüller, Rechtsanwalt in Wien, die auf Seiten der erst- und zweitbeklagten Partei beigetretene Nebenintervenientin ***** K***** OHG, ***** vertreten durch Dr. Georg und Mag. Thomas Stenitzer, Rechtsanwälte in Laa/Thaya, wegen EUR 42.019,92 sA, infolge von Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 21. November 2000, GZ 5 R 97/00z-72, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 16. Juni 1999, GZ 25 Cg 34/98h-44, in der Hauptsache bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Keiner der Revisionen wird Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei EUR 708,06 (darin EUR 118,01 Umsatzsteuer), die Zweitbeklagte und die Drittbeklagte zur ungeteilten Hand darüber hinaus weitere EUR 1.416,13 (darin EUR 236,02 an Umsatzsteuer) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass die Zweitbeklagte im eigenen Namen sowie auch (rechtswirksam) im Namen der drittbeklagten Partei die klagende Partei mit der Übernahme einer Bankgarantie über S 600.000 zu Gunsten der Nebenintervenientin beauftragt hat. Grundlage für die Bestellung dieser Bankgarantie war ein zwischen der Nebenintervenientin und der drittbeklagten Partei geschlossener Darlehens- und Liefervertrag, mit dem sich die Nebenintervenientin unter anderem zur Gewährung eines Darlehens von S 600.000 verpflichtet hat, das bei einer Laufzeit von 7,5 Jahren in monatlichen Raten von S 8.500, beginnend mit April 1996, und mit einer Verzinsung von 6 % p.a. (bei 12 %-igen Verzugszinsen) zurückgezahlt werden sollte; der Erst- und die Zweitbeklagte hatten die Haftung für die Verbindlichkeiten der drittbeklagten Partei aus diesem Vertrag als Bürgen und Zahler übernommen. Im Punkt 5 des Vertrags wurde vereinbart, dass die Nebenintervenientin die Bankgarantie unter anderem in Anspruch nehmen könne, wenn der Kunde mit mehr als drei Raten im Rückstand ist.

Nachdem die klagende Partei der Nebenintervenientin den geforderten Bankgarantiebrief übermittelt hatte, in dem sie sich verpflichtete, über deren "erste Aufforderung ohne Prüfung des Rechtsgrundes" Zahlung bis S 600.000 zu leisten, und ferner festhielt, dass die Garantie "nach Bezahlung des Darlehens, spätestens jedoch am 31. 12. 2003" endet, teilte sie der Nebenintervenientin mit Schreiben vom 17. 3. 1997 mit, dass die Garantie von ihr "per sofortiger Wirkung" aufgekündigt werde, weil sie von der inzwischen gekündigten Geschäftsleitung ohne Befassung der zuständigen Gremien abgegeben worden sei; Zahlungen würden nur geleistet, wenn ein entsprechendes Anspruchsschreiben bis längstens 25. 3. 1997 einlangen würde. Dieses Schreiben bewog die Nebenintervenientin dazu, am 20. 3. 1997 die klagende Partei aufzufordern, im Rahmen der Bankgarantie den sich aus ihrer Abrechnung ergebenden insgesamt aushaftenden Darlehensbetrag in Höhe des Klagsbetrags zu überweisen, weil sie befürchtete, andernfalls gar nichts zu erhalten; ohne das Schreiben der klagenden Partei wäre die Bankgarantie zu diesem Zeitpunkt nicht eingelöst worden. Mit Schreiben vom 7. 7. bzw 8. 7. 1997 forderte die klagende Partei die Beklagten auf, ihr den an die Nebenintervenientin gezahlten Betrag von S 597.956,77 zuzüglich Zinsen binnen 14 Tagen zurückzuerstatten, widrigenfalls Terminsverlust eintrete. Der Erst- und die Zweitbeklagte antworteten darauf durch ihren Rechtsvertreter, dass sie keine Bankgarantie in Auftrag gegeben und auch kein Geld aus dem Darlehen bezogen hätten, sie hätten daher keine Veranlassung, ein Darlehen zurückzuzahlen; die erhobenen Ansprüche seien gänzlich unbegründet. Auch die drittbeklagte Partei bestritt mit Schreiben vom 17. 7. 1997 die Erteilung eines Auftrags zur Ausstellung einer Bankgarantie. Keine der drei beklagten Parteien leistete eine Zahlung an die klagende Partei.

In der Hauptsache erkannte das Erstgericht sämtliche Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei S 192.735,69 samt Zinsen und die zweit- und die drittbeklagte Partei zur ungeteilten Hand, weitere S 385.471,18 samt Zinsen zu zahlen; das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Der Auftrag zur Erstellung der Bankgarantie sei von der Zweitbeklagten im eigenen Namen sowie im Namen der drittbeklagten Partei erteilt worden, sodass diese aus dem Auftragvertrag verpflichtet seien, den von der klagenden Partei auftragsgemäß getätigten Aufwand zu ersetzen. Die klagende Partei könne ihren Anspruch gegen alle drei Beklagten aber auch aus § 1358 ABGB ableiten. Sie habe nämlich als Garantin eine fremde Schuld, nämlich eine solche der drittbeklagten Partei, bezahlt, wodurch sie ex lege in die Rechte der Nebenintervenientin eingetreten sei und zu deren Geltendmachung gegen die Beklagten - teils als Schuldner, teils im Regress gegen die Bürgen und Zahler - berechtigt sei. Zwischen mehreren Sicherungsgebern, zu denen sowohl der Garant als auch der Bürge zählten, habe der Ausgleich im Sinne des § 896 ABGB anteilig zu erfolgen, sodass insofern der Erstbeklagte (und auch die Zweitbeklagte) zu je einem Drittel hafteten. Die klagende Partei könne auch aufgrund ihres Eintritts in die Rechte der Nebenintervenientin (insgesamt) den gesamten Klagebetrag begehren, weil sie alle drei Beklagten mit Schreiben vom 7. bzw 8. Juli 1997 vom Sachverhalt informiert und ihnen den Terminsverlust angedroht habe. Die ausdrückliche Weigerung der Beklagten, auch nur irgendwelche Zahlungen zu leisten, habe jedenfalls zum Eintritt des im Darlehens- und Liefervertrag vereinbarten Terminsverlust geführt.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung in der Hauptsache und ließ die Revision mit der Begründung zu, dass Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage, wie sich eine (vertragswidrige) Kündigung der Garantie durch den Garanten auf dessen Ansprüche (§§ 1014, 1358 f ABGB) auswirke, nicht vorliege. Es vertrat die Rechtsansicht, dass der klagenden Partei, die auf Grund des Garantievertrags zur Leistung der abgerufenen Summe verpflichtet gewesen sei, gemäß § 1014 ABGB der Ersatz ihres Aufwands zustehe. Die Frage einer allfälligen Schadenersatzpflicht der klagenden Partei brauche nicht erörtert zu werden. Das Erstgericht habe die Entscheidung SZ 60/266 richtig verstanden und angewendet. Danach regle § 1359 ABGB ein Prinzip, das in analoger Weise auf jedes Verhältnis mehrerer Sicherungsgeber Anwendung finde, somit auch auf den Garanten. Warum dies hier anders sein solle, sei nicht ersichtlich.

Die Revisionen sind zwar zulässig, keine von ihnen ist aber berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagten führen im Wesentlichen aus, die klagende Partei habe durch ihr Verhalten (vertragswidrig) die Abrufung der Garantiesumme provoziert, ohne dass hiefür ein sachlicher Grund gegeben gewesen sei. Es könne dem Garanten nicht freistehen, die vorzeitige Fälligstellung einer zunächst in Raten zu tilgenden und durch seine Garantie gesicherte Forderung zu provozieren, um dann die Garantieauftraggeber auf den vollen Betrag in Anspruch zu nehmen.

Damit zeigen die Revisionswerber aber keine rechtliche Fehlbeurteilung auf. Der Erst- und die Zweitbeklagte gestehen sogar ausdrücklich zu, dass der Garantieauftraggeber dem Garanten im "Regressprozess" gewöhnlich eine zu Unrecht erfolgte Inanspruchnahme der Garantie nicht entgegenhalten könne. Warum die - allenfalls vertragswidrige und schuldhafte - Herbeiführung der Inanspruchnahme der Garantie durch den Begünstigten an dem nach § 1014 ABGB bestehenden Anspruch auf Aufwandersatz etwas ändern sollte, wird nicht nachvollziehbar begründet.

Es ist ganz unstrittig, dass die Vereinbarung zwischen einem Kunden und der Bank, eine Garantie an den Begünstigten hinauszulegen, als Auftragsverhältnis (§§ 1002 ff ABGB) zu qualifizieren ist (vgl nur Koziol in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II, Rz 3/53). Gemäß § 1014 ABGB ist der Auftraggeber verpflichtet, dem Beauftragten allen zur Besorgung des Geschäftes notwendig oder nützlich gemachten Aufwand zu ersetzen. Dass die Auszahlung des Garantiebetrags an die Nebenintervenientin angesichts des Abrufs durch die Begünstigte notwendig war, kann nicht zweifelhaft sein, zumal dabei regelmäßig auf den Zeitpunkt der Aufwendung abzustellen ist (Apathy in Schwimann², Rz 5 zu § 1014 ABGB). Der Aufwand war auch insoweit nützlich, als damit die Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Nebenintervenientin getilgt wurden, die der Höhe nach gar nicht mehr in Zweifel gezogen werden.

Die von der drittbeklagten Partei vertretene Auffassung, eine vorzeitige, vertragswidrige Kündigung der Garantie nehme dem Garanten das grundsätzliche Rückgriffsrecht gegen den Schuldner, hätte zum Ergebnis, dass die drittbeklagte Partei durch die Zahlung zwar von ihrer Verbindlichkeit gegenüber der Nebenintervenientin befreit wäre, aber auch an die Klägerin keine (Rück-)Zahlungen tätigen müsste. Demgemäß kann auch vertragswidriges Verhalten des (zahlenden) Garanten nicht dazu führen, dass sich der Schuldner die Kreditvaluta im Ergebnis ohne Gegenleistung - zu Lasten des Garanten - behalten dürfte.

Auch wenn der Abruf der Bankgarantie durch den Begünstigten allenfalls auf schuldhaftes Fehlverhalten des Garanten zurückzuführen sein sollte, änderte dies nichts an dessen Anspruch auf Aufwandersatz nach § 1014 ABGB. Sollte dem Garantieauftraggeber durch eine verschuldete Vertragsverletzung allerdings ein Vermögensnachteil entstanden sein, käme - wie bereits das Berufungsgericht angedeutet hat - grundsätzlich, wie auch sonst bei Verletzung vertraglicher Pflichten, ein Schadenersatzanspruch des Garantieauftraggebers in Betracht. Da die zweit- und die drittbeklagte Partei Schadenersatzansprüche gegen die Klägerin aber gar nicht erhoben haben, war darauf auch nicht einzugehen.

Bei ihrem Vorwurf, die Klägerin habe den Abruf der Bankgarantie provoziert, obwohl die Voraussetzungen für die Fälligstellung des gesamten Darlehensbetrags nicht vorgelegen seien, übersehen die Revisionswerber offenbar auch Punkt 5 der Vereinbarung mit der Nebenintervenientin, nach dem diese "diese Bankgarantie" - u.a. - in Anspruch nehmen kann, wenn der Kunde mit mehr als drei Raten (von ursprünglich je S 8.500 je Monat) im Rückstand ist. Da die Beklagten weitere Teilzahlungen gar nicht behauptet haben, ist von den Aufstellungen der Nebenintervenientin (Beilage VI und VII) auszugehen, aus denen sich ergibt, dass zum 31. 12. 1996 rund 27.000 S weniger gezahlt wurden als vereinbart, was einem Rückstand von mehr als drei Raten entspricht. Selbst wenn man davon ausginge, zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt (offenbar im November 1996) sei vereinbart worden, dass in Zukunft vierteljährlich Beträge von je S 50.000 zurückgezahlt werden sollten, wäre zum Zeitpunkt des Abrufs der Bankgarantie (20. 3. 1997) jedenfalls ein Betrag offen, der S 25.500 (also drei Monatsraten zu je S 8.500) überstieg, und zwar auch dann, wenn die nächste Rate (über nunmehr S 50.000) erst Ende März 1997 fällig geworden sein sollte.

Auch im Zusammenhang mit der Heranziehung der §§ 1358 f ABGB durch die Vorinstanzen zeigen die Revisionswerber keinen Rechtsirrtum der Vorinstanzen auf. Vorweg ist festzuhalten, dass daraus die (anteilige) Haftung des Erstbeklagten abzuleiten ist, wogegen die weiteren Beklagten - in Ansehung des Kapitalbetrags - ohnehin bereits aus dem mit der Klägerin geschlossenen Auftragsvertrag haften (§ 1014 ABGB). In Lehre und Rechtsprechung (siehe dazu nur die Nachweise bei Koziol/Welser12 II, 142) wird die systematisch dem Bürgschaftsrecht des ABGB zugeordnete Bestimmung des § 1359 auch für andere Fälle einer Mehrheit von Interzedenten herangezogen. So wurde etwa auch dem dritten Pfandbesteller ein dem § 1359 ABGB entsprechender Regress gegen Bürgen und Garanten zugestanden (SZ 60/266; SZ 61/91 ua). Konsequenterweise muss dies auch dort gelten, wo - was bei der Sicherung einer Forderung (auch) durch Bankgarantie naheliegt - der Garant vom Gläubiger in Anspruch genommen wurde und geleistet hat. Da die fehlende Akzessorietät der Garantie für die Frage des internen Ausgleichs zwischen mehreren Interzedenten keine Bedeutung haben kann (so etwa Koziol in Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht II, Rz 3/126 mwN; Schinnerer/Avancini II 295), ist wegen der Gleichartigkeit der Interessenlage auch zugunsten des zahlenden Garanten die Bestimmung des § 1359 ABGB analog anzuwenden. Zutreffend haben die Vorinstanzen daher den Regress der klagenden Partei gegen den Erstbeklagten im Ausmaß eines Drittels des Klagsbetrags zugelassen.

Davon, dass im Zeitpunkt der Einlösung der Bankgarantie "eine Schuld nicht vorhanden" gewesen sei, kann schon deshalb keine Rede sein, weil sich die Drittbeklagte dazu verpflichtet hatte, den Darlehensbetrag in Raten zurückzuzahlen; die übrigen Beklagten haben die Haftung als Bürgen und Zahler übernommen. Zur Frage der Fälligkeit ist das Berufungsgericht der Auffassung des Erstgerichts gefolgt, nach der das Schreiben der Klägerin vom 7. bzw. 8. Juli 1997, in dem im Falle einer Zahlungsverweigerung der Terminsverlust - also die Fälligkeit sämtlicher offener Raten - angedroht wurde, die Fälligkeit des gesamten Darlehensbetrags herbeigeführt hat. Dazu war die Klägerin auf Grund ihres Eintritts in die Rechtsstellung der Nebenintervenientin gemäß § 1358 ABGB (vgl dazu nur SZ 48/101; 60/87 ua) berechtigt, weil in Punkt 4 des Darlehens- und Liefervertrags vereinbart worden war, dass die Darlehensgeberin alle Außenstände fälligstellen kann, wenn der Kunde den Vertrag verletzt, insbesondere Zahlungen nicht pünktlich leistet.

Dagegen führen die Revisionswerber in der Sache nichts ins Treffen. Die (nicht näher begründete) Rechtsbehauptung der drittbeklagten Partei, die Voraussetzungen für die Fälligstellung des gesamten Darlehensbetrags seien nicht vorgelegen, widerspricht den dargelegten Bestimmungen des Darlehens- und Liefervertrags.

Die Kostentscheidung beruht auf § 50 Abs 1, § 41 Abs 1 und § 46 ZPO. Die klagende Partei hat eine einheitliche Revisionsbeantwortung zu den Revisionen der Beklagten erstattet. Soweit sämtliche beklagten Parteien in der Hauptsache solidarisch haften (mit einem Drittel des Klagebetrags) war eine allseitige Solidarhaftung auszusprechen. Für die darüber hinausgehenden Kosten der Revisionsbeantwortung haften (nur) die zweit- und die drittbeklagte Partei zur ungeteilten Hand. Der Einheitssatz beträgt (nur) 50 % (§ 23 Abs 1 und Abs 3 RATG).

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