Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Das Erstgericht ordnete mit Beschluss vom 19. 1. 2001 gemäß § 28 Abs 1 JWG die volle Erziehung der Minderjährigen an und übertrug deren Pflege und Erziehung dem Jugendwohlfahrtsträger. Die Minderjährige ist schon seit 12. 5. 2000 in einem Heim des Jugendwohlfahrtsträgers untergebracht. Aufgrund dessen Antrags vom 17. 8. 2000 sprach das Erstgericht mit Beschluss vom 11. 9. 2000 aus, dass der Vater der Minderjährigen als Unterhaltsschuldner verpflichtet sei, dem Jugendwohlfahrtsträger die mit 3.300 S bestimmten monatlichen Kosten der vollen Erziehung "am Fünften eines jeden Monates im Nachhinein und die bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen zu zahlen".
Das Rekursgericht bestätigte diese - nur vom Jugendwohlfahrtsträger angefochtene - Entscheidung und sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Mit Beschluss vom 20. 8. 2001 änderte es diesen Ausspruch dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei.
Es erwog in rechtlicher Hinsicht, dass Alimente zwar nach § 1418 zweiter Satz ABGB wenigstens auf einen Monat im Voraus zu zahlen seien, der Jugendwohlfahrtsträger habe jedoch keinen Unterhalts-, sondern einen Ersatzanspruch. Er könne sich daher "durch die Festsetzung der Fälligkeit mit dem 5. des jeweiligen Folgemonats nicht beschwert erachten". Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil § 40 JWG seit der JWG-Novelle 1998 dahin laute, dass sowohl über entstandene wie künftig laufende entstehende Kosten, auch vor Fälligkeit des Ersatzanspruchs, entschieden werden könne. Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage für diese Novelle folge, dass der Gesetzgeber beabsichtigt habe, für den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung eine dem § 406 zweiter Satz ZPO entsprechende Regelung zu schaffen. Diese Gesetzänderung berühre zwar § 1418 ABGB "nicht direkt", in den erwähnten Erläuterungen werde jedoch ausgeführt, dass sich der Ersatzanspruch an unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zu orientieren habe, weil er in enger Verbindung mit dem zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch stehe. Der Oberste Gerichtshof könnte aufgrund dieser weitgehenden Gleichstellung des Ersatz- mit dem Unterhaltsanspruch seine bisherige Rechtsprechung zu dessen Fälligkeit ändern.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
1. Der Oberste Gerichtshof sprach in der Entscheidung 4 Ob 505/92 (= ÖA 1992, 163) aus, der Jugendwohlfahrtsträger könne sich bei Geltendmachung des Ersatzanspruchs nach §§ 33, 40 JWG nicht auf § 1418 zweiter Satz ABGB berufen. Dieser Anspruch sei kein Unterhaltsanspruch. Im Übrigen mache § 406 Abs 1 ZPO nur für Alimentationsansprüche eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass zu einer Leistung nur nach deren Fälligkeit in dem für die Entscheidung maßgebenden Zeitpunkt verurteilt werden könne. Der Jugendwohlfahrtsträger könne sich daher durch die Festsetzung der Fälligkeit der Ersatzbeträge "mit dem 5. des jeweiligen Folgemonates - also jeweils knapp nach dem Ablauf des Monates, für den er die Erziehungskosten getragen hat - nicht beschwert erachten". Diese Praxis wurde in der Entscheidung 7 Ob 2337/96v (= ÖA 1997, 203) fortgeschrieben und dahin ergänzt, dass der erörterte Ersatzanspruch Unterhaltsansprüchen nicht gleichzustellen sei. Der Zweck eines in die Zukunft greifenden Leistungsbefehls sei, Verzögerungen zu verhindern, die durch das Erfordernis der Schaffung eines jeweils neuen Titels einträten und die Existenz oder doch zumindest wichtige Lebensbelange des Unterhaltsberechtigten gefährden könnten. Bei einem Unterhaltsersatzanspruch mangle es an diesem Zweck. Außerdem könne der Jugendwohlfahrtsträger gemäß § 34 JWG den gesetzlichen Übergang der Unterhaltsforderung des Minderjährigen auf ihn durch eine Anzeige an den (die) Unterhaltspflichtigen bewirken. Nach einer solchen Legalzession mache der Jugendwohlfahrtsträger einen Unterhaltsanspruch geltend. Dann könne er gemäß § 406 zweiter Satz ZPO bei einer nur in der Vergangenheit liegenden Verletzung auch Ansprüche auf künftige Leistungen geltend machen. Es bestehe somit kein Anlass, dem Jugendwohlfahrtsträger im Rahmen des § 33 JWG auch künftige Ersatzansprüche zuzusprechen. Sein Anspruch beschränke sich auf den Ersatz der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz fälligen Beträge. Da § 1418 zweiter Satz ABGB unanwendbar sei, könne - mangels Fälligkeit - auch nicht der auf den Monat der Beschlussfassung entfallende Ersatzbetrag zuerkannt werden.
2. Die soeben referierte Rsp beruhte auf § 40 JWG idF vor der JWG-Novelle 1998 BGBl I 1999/53. Diese Bestimmung hatte folgenden Wortlaut:
"Soweit eine Vereinbarung über das Tragen und den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung (§ 33) nicht zustande kommt, entscheidet darüber, unabhängig vom Alter des Kindes, auf Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers das Pflegschafts(Vormundschafts)gericht im Verfahren Außerstreitsachen. Der § 183 AußStrG ist hiebei sinngemäß anzuwenden."
Durch das Inkrafttreten der JWG-Novelle 1998 BGBl I 1999/53 am 1. 7. 1999 (§ 42 Abs 1 JWG idgF) erhielt der § 40 JWG folgende Fassung (Änderungen in Kursivschrift):
"Soweit eine Vereinbarung über das Tragen und den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung (§ 33) nicht zustande kommt, entscheidet sowohl über entstandene, wie künftig laufend entstehende Kosten, auch vor Fälligkeit des Ersatzanspruches, unabhängig vom Alter des Kindes, auf Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers das Pflegschafts(Vormundschafts)gericht im Verfahren außer Streitsachen. Der § 183 AußStrG ist hiebei sinngemäß anzuwenden."
In den Erläuterungen zur RV der JWG-Novelle 1998 (1556 BlgNR 20. GP, 10) wird zur Gesetzesänderung ausgeführt:
"Die Entscheidung über den Ersatz von Kosten der vollen Erziehung durch das Pflegschaftsgericht soll aus verfahrensökonomischen Gründen nicht nur rückwirkend, sondern auch für künftig entstehende Kosten gelten. Damit soll die wiederholte Antragstellung durch den Jugendwohlfahrtsträger und damit verbunden die wiederholte Entscheidung des Gerichts vermieden werden.
Die Rechtsprechung zum geltenden § 40 steht auf dem Standpunkt, dass § 406 zweiter Satz ZPO auf die Ersatzansprüche des Jugendwohlfahrtsträgers nicht anwendbar sei. Die Ausnahme von dem Grundsatz, dass Leistungsbefehle nicht für die (Anm: in) Zukunft fällig werdende(n) Ansprüche erlassen werden dürfen, werde für Unterhaltsansprüche nämlich nur dadurch gerechtfertigt, dass Verzögerungen bei der neuerlichen Klagsführung verhindert werden sollten, die die Existenz oder doch zumindest wichtige Lebensbelange des Anspruchsberechtigten gefährden könnten.
Abgesehen davon, dass die wiederholte Antragstellung durch den Jugendwohlfahrtsträger und die damit verbundene wiederholte Durchführung von Gerichtsverfahren für alle Beteiligten eine erhebliche, aber unnötige und vermeidbare Mehrbelastung bedeutet, wird durch das Ergebnis mehreren Besonderheiten von Forderungen nach § 33 nicht Rechnung getragen. Zum einen orientiert sich dieser Ersatzanspruch an unterhaltsrechtlichen Grundsätzen, zum anderen könnte der Jugendwohlfahrtsträger durch eine Anzeige gemäß § 34 die Legalzession des Unterhaltsanspruches selbst bewirken, für den die Festsetzung der zu leistenden Beträge auch für die Zukunft unstrittig möglich wäre. Wenn der Jugendwohlfahrtsträger - aus welchen Gründen immer - von dieser ihm eingeräumten Möglichkeit nicht Gebrauch machen will, soll er bei dieser Sachlage in Hinkunft nicht mehr gezwungen sein, seine Ersatzansprüche ausnahmslos nach Fälligkeit geltend zu machen. Auf Grund der aufgezeigten engen Verbindung dieses Ersatzanspruchs mit dem zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch scheint eine dem § 406 zweiter Satz ZPO entsprechende Regelung für diese Ersatzansprüche gerechtfertigt."
3. Die Gesetzänderung und deren Erläuterung in der Regierungsvorlage belegen, dass der Gesetzgeber den § 40 JWG idgF lediglich dem § 406 zweiter Satz ZPO anpassen wollte, um die von ihm als unbefriedigend empfundene Praxis zu beseitigen, dass der Jugendwohlfahrtsträger einen gerichtlichen Ausspruch über die Ersatzpflicht für künftig fällig werdende Ersatzleistungen nicht erwirken konnte. Daraus ist aber - entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Ansicht - nicht ableitbar, der Gesetzgeber habe den Ersatzanspruch nach §§ 33, 40 JWG idgF dem Unterhaltsanspruch des Minderjährigen zur Gänze gleichstellen wollen, entspricht es doch dem rechtlichen Wesen eines Ersatzanspruchs für Aufwendungen, schon erbrachte Leistung abzugelten. Hätte der Gesetzgeber den erörterten Ersatzanspruch in allen Belangen dem Unterhaltsanspruch des Minderjährigen gleichstellen wollen, so wäre die Bestimmung des § 34 JWG über die Legalzession des Unterhaltsanspruchs kraft Anzeige an den (die) Unterhaltspflichtigen überflüssig geworden. Diese Regelung wurde jedoch durch die JWG-Novelle 1998 nicht beseitigt. Der Novellengesetzgeber berief sich für die Notwendigkeit der Änderung des § 40 JWG ferner ausdrücklich auf die von ihm als unbefriedigend empfundene Rsp zu § 40 JWG aF. Es muss ihm demnach bewusst gewesen sein, dass der Oberste Gerichtshof auch die Anwendbarkeit des § 1418 zweiter Satz ABGB auf den Ersatzanspruch des Jugendwohlfahrtsträgers explizit verneinte (7 Ob 2337/96v; 4 Ob 505/92). Somit ist aber - in Zusammenfassung aller bisherigen Erwägungen - nicht anzunehmen, dass der Novellengesetzgeber dem Jugendwohlfahrtsträger einen permanenten Ersatzleistungsvorschuss einräumen wollte, damit letzterer für den (die) Unterhaltspflichtigen nie in Vorlage treten müsse und sich dadurch allenfalls auch noch einen gewissen Zinsenvorteil verschaffen könne, weil er die Ersatzleistung für einen Monat nicht schon am ersten Tag desselben Monats zur Gänze verbraucht.
Aus diesen Erwägungen ist auch nach der JWG-Novelle 1998 daran festzuhalten, dass die Regelung des § 1418 zweiter Satz ABGB, wonach "Alimente ... wenigstens auf einen Monat im Voraus bezahlt" werden (müssen), auf den Ersatzanspruch des Jugendwohlfahrtsträgers gemäß §§ 33, 40 JWG idgF nicht anzuwenden ist.
Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)