OGH 8ObA272/01k

OGH8ObA272/01k18.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Herbert Bernold und Dr. Ernst Galutschek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut K*****, vertreten durch Dr. Christian Függer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei J.***** AG *****, vertreten durch Krömer & Nusterer, Rechtsanwälte Partnerschaft in St. Pölten, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 7 Cga 36/93z des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht (Streitwert EUR 54.862,19 brutto sA) infolge "außerordentlicher Revision" der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 2001, GZ 7 Ra 243/01h-36, womit das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. November 2000, GZ 6 Cga 27/98a-30, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zur Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens zurückgestellt.

Text

Begründung

Der Kläger brachte im Vorverfahren, dessen Wiederaufnahme er nunmehr begehrt, vor, er sei im Jahre 1990 als begünstigter Behinderter nach dem Behinderteneinstellungsgesetz bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Diese habe versucht, das Arbeitsverhältnis zum 16. 11. 1990 aufzukündigen, ohne zuvor die notwendige Zustimmung des Landesinvalidenamtes eingeholt zu haben. Das Arbeitsverhältnis sei nach wie vor aufrecht. Die Beklagte schulde dem Kläger daher die monatlichen Gehälter von November 1990 bis einschließlich September 1993 einschließlich Sonderzahlungen im zuletzt begehrten Gesamtbetrag von ATS 945.577,25 brutto.

Die Beklagte wendete ein, sie habe von der Behinderteneigenschaft des Klägers keine Kenntnis gehabt. Der Kläger habe auch nach dem 16. 11. 1990 niemals seine Dienste angeboten. Erst nach nahezu drei Jahren sei er wieder an die Beklagte herangetreten, um Lohnforderungen geltend zu machen.

Das Erstgericht sprach dem Kläger (rechtskräftig) einen Teilbetrag von ATS 190.657 brutto sA zu und wies das Mehrbegehren ab. Vor der wegen mangelhafter Arbeitsleistungen ausgesprochenen Kündigung habe der Personalleiter der Beklagten den Kläger nach seiner Behinderteneigenschaft gefragt. Der Kläger habe diese zwar bejaht, sich jedoch geweigert, seinen Behindertenausweis vorzuzeigen. Der Kläger habe, obwohl er gewusst habe, "dass er als begünstigter Behinderter nicht gekündigt werden konnte", die Kündigung widerspruchslos hingenommen. Erst am 5. 8. 1993 habe die Beklagte ein Schreiben der Arbeiterkammer erhalten, in dem auf die Behinderteneigenschaft hingewiesen und um Wiedereinstellung ersucht worden sei. Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass die ausgesprochene Kündigung zwar gemäß § 8 Behinderteneinstellungsgesetz unwirksam gewesen sei, dass dem Kläger jedoch für die Zeit vom 16. 11. 1990 bis August 1993 kein Entgelt gebühre, weil er nicht im Sinn des § 1155 Abs 1 ABGB leistungsbereit gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der erkennende Senat gab mit seiner Entscheidung 8 ObA 41/97f der dagegen erhobenen Revision nicht Folge. Zur Zulässigkeit der Revision führte er aus, auch wenn - wie hier - der Arbeitnehmer, gestützt auf die vom Arbeitgeber bestrittene Behauptung der Rechtsunwirksamkeit der Auflösungserklärung des Arbeitgebers einen diese Unwirksamkeit voraussetzenden Anspruch auf Zahlung des Entgelts nach § 1155 ABGB für den der Auflösungserklärung folgenden Zeitraum geltend mache, somit der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Vorfrage zu lösen ist, liege ein Fall des § 46 Abs 3 Z 1 letzter Halbsatz ASGG vor (Kuderna, ASGG2, 283). Die Revision sei dann ungeachtet des Vorliegens einer Rechtsfrage von der in § 46 Abs 1 ASGG genannten Qualität zulässig.

Mit seiner am 2. 4. 1998 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger mit dem wesentlichen Vorbringen er habe am 9. 2. 1998 erfahren, dass der Bescheid des Landesinvalidenamtes für das Jahr 1990 der Beklagten am 25. 6. 1991 zugestellt worden sei, die Wiederaufnahme des Vorverfahrens.

Die Beklagte wendete ein, das Klagebegehren gehe schon deshalb ins Leere, weil weiterhin von der mangelnden Leistungsbereitschaft des Klägers und vom Verfall der Ansprüche auszugehen sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Klagebegehren sei verspätet, weil dem Kläger der Bescheid schon seit 13. 8. 1997 bekannt gewesen sei. Der Beklagten sei der Bescheid erst in einem nicht mehr relevanten Zeitpunkt nach Ausspruch der Kündigung zugestellt worden. Das neue Beweismittel tangiere auch nicht die Feststellungen im Vorverfahren über die mangelnde Leistungsbereitschaft des Klägers.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Rechtsfragen von der Qualität des 46 Abs 1 ASGG lägen nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der dagegen erhobenen "außerordentlichen Revision" des Klägers, ist vorerst die Unrichtigkeit dieses Ausspruchs wahrzunehmen.

Wie der erkennende Senat bereits in 8 ObA 41/97f dargelegt hat, war im Vorverfahren über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Vorfrage abzusprechen, sodass dort die Revision gemäß § 46 Abs 3 Z 1 letzter Halbsatz ASGG jedenfalls zulässig war. Dieser Zusammenhang bleibt auch im Wiederaufnahmeverfahren erhalten, ist doch im wiederaufzunehmenden Hauptverfahren (neuerlich) über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Vorfrage zu erkennen (9 ObA 351/98b; 8 ObA 282/98y ua). Da der gesetzwidrige Ausspruch über die (Un)Zulässigkeit der Revision als nicht beigesetzt zu gelten hat (Kuderna ASGG2, 270; 9 ObA 249/91) sind die Akten dem Erstgericht zurückzustellen.

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