OGH 8ObA9/02k

OGH8ObA9/02k18.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Herbert Bernold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. Igor T*****, vertreten durch Dr. Martin Neuwirth, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 30 Cga 116/00y des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. November 2001, GZ 10 Ra 343/01m-16, womit der Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 3. Juli 2001, GZ 30 Cga 119/01s-2, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Im Hauptverfahren wurde im Wesentlichen davon ausgegangen, dass der Kläger, der zuletzt bei der Beklagten mit der Qualitätssicherung von EDV-Programmen befasst war, am Computer der Beklagten während der Arbeitszeit verschiedene private Dokumente, und zwar am 9. 9. im Umfang von einer Seite und am 13. 9. im Umfang von 7.589 Zeichen verfasste. Am 22. 10. 1999 druckte er während der Mittagspause zwischen 12.30 Uhr und 13.00 Uhr Teile eines bereits davor zu Hause erstellten 171 Seiten umfassenden Dokuments über eine private Klage bei der Beklagten aus. Dann bearbeitete er dieses Dokument in seiner Arbeitszeit ab 13.00 Uhr durchgehend bis 14.30 Uhr. Als sein Vorgesetzter kam und ihn darauf ansprach sagte der Kläger zuerst, dass er sich das Dokument nur kurz ansehe. Der Vorgesetzte bemerkte jedoch den Umfang des Dokuments und auch, dass an diesem zahlreiche Arbeitsschritte vorgenommen worden waren. Er nahm eine Sicherung des Dokuments auf einer Diskette, aber auch auf einem anderen Rechner vor und wies den Kläger an, das Dokument gespeichert zu lassen und mit der Diskette, auf der sich noch weitere Dokumente befanden, zum Geschäftsführer zu gehen. Diesem sollte der Kläger erzählen, was er während seiner Arbeitszeit mache. Der Geschäftsführer vewies den Kläger auf einen Termin um 16.00 Uhr. Als der Kläger dann alleine in seinem Arbeitszimmer war, verschob er als ersten Schritt der Löschung das Dokument entgegen der Anweisung des Vorgesetzten in den "Papierkorb". Als der Vorgesetzte dies bemerkte, wies er den Kläger darauf hin, dass er ihm die Löschung untersagt habe. Dennoch nahm der Kläger im Anschluss daran die Löschung vor, auch weil er nicht wollte, dass das Dokument publik wird. Durch die Sicherung des Vorgesetzten war es aber auf einem anderen Rechner noch erhalten. Bei dem anschließenden Gespräch mit dem Geschäftsführer wurde der Kläger entlassen.

Dies wurde als Verhalten beurteilt, das ihn im Sinne der oben dargestellten Judikatur des dienstlichen Vertrauens des Arbeitgebers als unwürdig erscheinen lässt, weil zwar regelmäßig allein aus der fallweisen Nutzung des zur Verfügung gestellten PC`s zu privaten Zwecken ohne Ermahnung ein solcher Vertrauensverlust noch nicht objektiv begründbar ist, hier aber hinzukam, dass der Kläger, nachdem sein Verhalten aufgedeckt wurde, entgegen der ausdrücklichen Anweisung seines Vorgesetzten versuchte, das Dokument zu löschen, und diesen Versuch auch nach dem neuerlichen Hinweis seines Vorgesetzten auf das Verbot fortsetzte. Die Beklagte habe daher befürchten müssen, dass der Kläger auch in Zukunft nicht nur während seiner Arbeitszeit auf dem PC Privatarbeiten verrichtet, sondern auch Anweisungen, die der Kontrolle und Verhinderung solcher Aktivitäten dienen, unterläuft (vgl OGH 25. 10. 2001, 8 ObA 218/01v).

Seine Wiederaufnahmsklage stützt der Kläger zusammengefasst darauf, dass die Aussage eines Zeugen in dem wiederaufzunehmenden Verfahren über bestimmte Abläufe bei der Speicherung und der Löschung von Daten objektiv unrichtig gewesen sei. Die Abläufe auf dem Computer seien anders.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage zurück. Die nunmehr aufgestellte Behauptung habe der Kläger bereits im Hauptverfahren erhoben. Danach stellten die vom Kläger relevierten Abläufe für den in EDV-Fragen offenbar gut informierten Kläger ein Basiswissen dar. Der Kläger hätte bereits im Hauptverfahren eine ergänzende PV oder eine Computerüberprüfung beantragen können. Die Bezugnahme auf die Unrichtigkeit der Zeugenaussage stelle keinen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO dar.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs des Klägers nicht Folge. Die Wiederaufnahmsklage sei jedenfalls verspätet erhoben worden, da die 4-Wochenfrist des § 534 Abs 1 ZPO zumindest im Zeitpunkt der inhaltsgleichen Eingabe des Klägers im Vorverfahren zu laufen begonnen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Zwar trifft es zu, dass die Frist des § 534 Abs 1 ZPO auch bei früherer Kenntnis eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO erst mit der Zustellung des für den Kläger ungünstigen - die Entscheidung des Erstgerichtes abändernden - Urteils des Berufungsgerichtes zu laufen begonnen hat (vgl RIS-Justiz RS0044641 mwN; Kodek in Rechberger ZPO2 § 534 Rz 4).

Gemäß § 538 Abs 1 ZPO hat das Gericht aber vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung die Wiederaufnahmsklage auch insoweit zu prüfen, ob diese auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt worden ist. Mangelt es an diesem Erfordernis, so ist sie als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurückzuweisen. Die Zurückweisung der Klage ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn sich der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund unter keinen der im Gesetz angeführten Wiederaufnahmsgründe einordnen lässt (vgl OGH 29. 10. 1998, 2 Ob 249/98a mwN = EvBl 1992/77 = JBl 1993, 126 = RdW 1992, 248). Zwar müssen sich die neuen Tatsachen oder Beweismittel, auf die ein Wiederaufnahmsbegehren gestützt wird, nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung auswirken, sondern es genügt, wenn sie geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen (RIS-Justiz RS0044411), jedoch muss es sich zumindest um neue Tatsachen und Beweismittel (Zeugen, Urkunden etc) handeln. Alleine die bereits im Hauptverfahren aufgestellte Behauptung, dass eine frühere Zeugenaussage technisch nicht nachvollziehbar sei, ist jedoch in diesem Sinne weder neu, noch stellt sie eine Tatsache oder ein Beweismittel dar.

Im Übrigen ist gemäß § 530 Abs 2 ZPO eine Wiederaufnahme wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, diese vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen. § 530 Abs 2 ZPO setzt also voraus, dass eine Partei nicht die ihr nach der Prozessordnung obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat (OGH 14. 6. 2000, 9 ObA 7/00w mwN = RIS-Justiz RS0044570). Den Mangel des Verschuldens hat die Partei, welche die prozessuale Sorgfaltspflicht trifft, zu beweisen (OGH 14. 6. 2000, 9 ObA 7/00w mwN = Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 5 zu § 530 und Rz 1 zu § 538; RIS-Justiz RS0044633).

Im Ergebnis war daher dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.

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