OGH 4Ob74/02i

OGH4Ob74/02i9.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Neudorfer, Griensteidl, Hahnkamper, Stapf & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. A***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****,

2. R***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Gregor Schett, Rechtsanwalt in Wien, 3. B*****, vertreten durch Alix Frank Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 32.702,79 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 7. Februar 2002, GZ 6 R 22/02f-27, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2und § 521a Abs 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass eine Rechtsprechung zu Art 3 Binnenmarktregelung (BMR) fehle und zwar insbesondere zur Frage, ob ein Versandhandel nach Art 3 Abs 3 vorliegt, wenn der österreichische Verkäufer dem Kunden den Transport der Ware aus dem Ausland in das Inland zur Gänze organisiere, dem Kunden aber die theoretische Möglichkeit verbleibe, den Transport (in der Regel zu höheren Kosten) selbst vorzunehmen.

Durch Art 3 Abs 3 bis 7 BMR wird bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, die durch Beförderung oder Versendung erfüllt werden, der Ort der Lieferung in das Land verlegt, in dem die Beförderung oder Versendung endet. Die Anwendung der Versandhandelsregelung setzt (ua) voraus, dass, sofern kein Verzicht im Sinne des Art 3 Abs 6 BMR vorliegt, der Gesamtbetrag der Entgelte, der den Lieferungen in den jeweiligen Mitgliedstaat zuzurechnen ist, bei dem Lieferer im vorangegangenen oder voraussichtlich im laufenden Kalenderjahr die Lieferschwelle von 1,400.000 S (100.000 EUR) überschreitet (Art 3 Abs 5 BMR). Damit wird die Besteuerung im Bestimmungsland zumindest in gewichtigen Fällen des Imports durch Versendung und Beförderung sichergestellt (Ruppe, Umsatzsteuergesetz 1994² Art 3 BMR Rz 1). Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die Klägerin nicht bescheinigt, dass die Drittbeklagte die in Art 3 Abs 5 BMR festgelegte Lieferschwelle durch Lieferungen nach Österreich überschritten hat. Damit ist die Versandhandelsregelung des Art 3 BMR unabhängig davon nicht anzuwenden, ob der vom Erstgericht festgestellte Erwerbsvorgang als Abholung der Pflanzenschutzmittel durch den Käufer oder als Versand zu werten ist. Von der von der Klägerin in diesem Zusammenhang formulierten Rechtsfrage hängt die Entscheidung daher auch unabhängig davon nicht ab, dass die Klägerin einen Verkauf der Pflanzenschutzmittel durch einen österreichischen Verkäufer und eine bloß theoretische Möglichkeit des Käufers, den Transport selbst vorzunehmen, nicht bescheinigt hat. Keine Relevanz für die Entscheidung hat auch die weiters als erheblich geltend gemachte Rechtsfrage, ob die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung zur Beweislast für den Beginn der Verjährungsfrist widerspricht und ob der Klägerin das Wissen der von ihr beauftragten Testpersonen zuzurechnen ist. Auf die Frage der Verjährung kommt es nicht an, weil es der Klägerin nicht gelungen ist, die Voraussetzungen für die Verlegung des Lieferorts nach Österreich und damit für die Anwendung des österreichischen Umsatzsteuersatzes zu bescheinigen. Ihr Anspruch ist daher auch dann nicht begründet, wenn er bei Einbringung der Klage noch nicht verjährt gewesen sein sollte.

Als aktenwidrig rügt die Klägerin die Ausführungen des Rekursgerichts, wonach das Vorbringen der Klägerin auf Mutmaßungen und angeblichen Behauptungen Dritter beruhe, die in den eidesstättigen Erklärungen der Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin nur "vom Hörensagen" wiedergegeben seien. Die Klägerin versucht damit die Erledigung ihrer Beweisrüge durch das Rekursgericht zu bekämpfen; eine Überprüfung der Sachverhaltsgrundlage im Revisionsrekursverfahren ist aber ausgeschlossen, weil der Oberste Gerichtshof auch im Provisorialverfahren nur Rechtsinstanz ist (stRsp ua 4 Ob 95/91 = ÖBl 1991, 272 - Le Corbusier-Liege).

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