OGH 4Ob83/02p

OGH4Ob83/02p9.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Harald S*****, vertreten durch Mag. Birgit Streif, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Ingo K*****, vertreten durch Dr. Roland Kometer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 17.377,37 EUR sA, infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. Jänner 2002, GZ 3 R 165/01s‑40, mit dem infolge Berufung des Beklagten das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 3. Juli 2001, GZ 8 Cg 221/99x‑35, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2002:0040OB00083.02P.0409.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 875,34 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 145,89 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Kläger ist Rechtsanwalt in Innsbruck. Er hat den Beklagten im Verfahren 41 Cg 220/96p des Landesgerichts Innsbruck vertreten.

Gegenstand des Verfahrens war eine Schadenersatzforderung des Beklagten gegen einen Arzt, der ihn in O***** behandelt hatte. Der Beklagte war beim Schifahren mehrmals gestürzt und hatte den Arzt wegen Rückenbeschwerden aufgesucht. In der folgenden Nacht hatte der Beklagte - aus bisher nicht geklärter Ursache - einen Hirnstamminfarkt erlitten.

Im Verfahren über seine Schadenersatzforderung brachte der Beklagte vor, der Arzt habe ihn auch im Bereich der Halswirbelsäule chiropraktisch behandelt. Diese Behandlung habe den Hirnstamminfarkt ausgelöst. Sie sei nicht fachgerecht gewesen; der Arzt habe ihn vor der Behandlung auch nicht über die möglichen Folgen aufgeklärt.

Der Arzt bestritt, den Beklagten im Bereich der Halswirbelsäule chiropraktisch behandelt zu haben. Spätestens am 19. 10. 1998 erhielt der Kläger ein Schreiben des Beklagten, wonach er vermutlich in naher Zukunft einen Zeugen nennen könne, der aussagen werde, dass der Arzt entgegen seiner Aussage chiropraktische Behandlungen durchgeführt habe. Da es sich um eine wesentliche Beweisfrage handle, dürfe das Verfahren in der für den 20. 10. 1998 anberaumten Verhandlung keinesfalls geschlossen werden.

Der Beklagte schaltete im Herbst 1998 einen Detektiv ein, der im Zeitraum 14. Bis 16. 11. 1998 Leute in O***** anrief und sie fragte, ob ihnen der Arzt jemals „schon etwas" eingerenkt habe. Wurde diese Frage bejaht, so fragte er gezielt nach einer Einrenkung der Halswirbelsäule. Am 16. und 17. 12. 1998 setzte der Detektiv seine Nachforschungen in Obergurgl fort und sprach mit einer Serviererin und einem Hotelier. Dass die Serviererin ihm gesagt hätte, der Arzt habe ihr den Hals eingerenkt, ist nicht erwiesen. Der Hotelier, möglicherweise war es auch seine Gattin, erwähnte zwar eine Information über eine Einrenkung bei einem Gast; er konnte aber dessen Personalien nicht mehr angeben.

Hätte der Kläger im Schadenersatzprozess beantragt, ihm eine Frist für die Namhaftmachung von Zeugen zu geben und wären die Zeugen in der Folge vernommen worden, so hätte dies nicht zu anderen Feststellungen geführt. Festgestellt wurde, dass der Arzt an der Halswirbelsäule des Beklagten keine chiropraktischen Behandlungen vorgenommen hat.

Der Kläger hat im Schadenersatzprozess nicht vorgebracht, dass der Arzt die Behandlung des Beklagten nicht dokumentiert und damit gegen die ärztliche Dokumentationspflicht verstoßen hat. Ob ein entsprechendes Vorbringen die Beweiswürdigung zu Gunsten des Beklagten beeinflusst hätte, konnte nicht festgestellt werden. Das Gleiche gilt auch für das Versäumnis des Klägers, nicht auf den Widerspruch zwischen den Angaben des Arztes in der vorprozessualen Korrespondenz und seiner Aussage als Partei im Prozess hingewiesen zu haben. Im Schreiben vom 18. 7. 1995 an den Kläger hatte der Arzt noch behauptet, beim Beklagten die Halswirbelsäule weder untersucht noch in irgendeiner Weise behandelt zu haben, als Partei vernommen gab er hingegen eine Untersuchung der Halswirbelsäule zu.

Der Beklagte hatte den Kläger lange vor Schluss der Verhandlung im Schadenersatzprozess aufgefordert, die Vorlage „seiner Patientenakte" zu beantragen. Der Kläger stellte keinen derartigen Antrag, obwohl der Arzt bei seiner Vernehmung angab, jede Behandlung ausführlich zu dokumentieren. Grund für die Unterlassung war, dass ihm der Rechtsvertreter des Arztes gesagt hatte, es gebe keinen Patientenakt.

Der Beklagte hatte den Kläger schon 1996 zweimal schriftlich aufgefordert, darauf hinzuwirken, das seine „Patientenakte", die ein wichtiges Beweismittel sei, eingesehen werden könne. Der Kläger meinte noch am 21. 12. 1998, es bestehe keine gesetzliche Handhabe, eventuell vorhandene Patientenakten einzusehen.

Erst in der - erfolglosen - außerordentlichen Revision gegen die Bestätigung des klageabweisenden Urteils rügte der Kläger das Fehlen der Arztdokumentation. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass ein entsprechendes Vorbringen des Klägers in erster Instanz die Beweiswürdigung zu Gunsten des Beklagten beeinflusst hätte.

Ob der Kläger den Beklagten über die Möglichkeit einer Wiederaufnahmsklage informierte, konnte nicht festgestellt werden. Für den Beklagten wäre aber auch durch eine Wiederaufnahmsklage nichts gewonnen gewesen, weil die Zeugen nicht in seinem Sinn ausgesagt hätten.

Der Kläger begehrt für die Vertretung des Beklagten im Verfahren 41 Cg 220/96p des Landesgerichts Innsbruck 239.117,80 S sA. In diesem Betrag sind 27.040 S Barauslagen enthalten. Der Kläger macht geltend, den Beklagten ordnungsgemäß vertreten zu haben.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger habe ihn nicht ausreichend und - was das Einsichtsrecht in den Patientendokumentation betrifft - auch falsch beraten, er habe es versäumt, auf Widersprüche in der Verantwortung des Arztes hinzuweisen, er hätte eine Frist für die Namhaftmachung von Zeugen beantragen müssen und er hätte auf die Verletzung der Dokumentationspflicht durch den Arzt hinweisen müssen. Hätte der Kläger alles Notwendige vorgetragen, so wäre es für den Beklagten wesentlich leichter gewesen, die chiropraktische Behandlung der Halswirbelsäule durch den Arzt zu beweisen. Für die Schadenskausalität eines derartigen chiropraktischen Eingriffs sprächen neue Arztberichte aus 1999 und 2000.

Das Erstgericht sprach dem Kläger 217.069,24 S sA zu; das Mehrbegehren wies es ab. Dass der Beklagte den Schadenersatzprozess bei sachgemäßer Vertretung gewonnen hätte, könne nicht gesagt werden. Der Fehler, in der letzten Tagsatzung keine Frist für die Bekanntgabe von Zeugen beantragt zu haben, habe sich nicht ausgewirkt. Eine Wiederaufnahmsklage wäre erfolglos geblieben. Dass der Kläger auf gewisse Ungereimtheiten in der Darstellung des Beklagten nicht besonders hingewiesen habe, sei kein Kunstfehler. Es sei jedenfalls nicht hervorgekommen, dass ein diesbezüglicher Prozessvortrag die Beweiswürdigung zu Gunsten des Beklagten beeinflusst hätte. Ein entscheidungswesentlicher Kunstfehler sei auch im Hinblick auf die Dokumentation ebensowenig erwiesen wie ein sonstiger haftungsbegründender Sorgfaltsverstoß. Der Kläger habe daher Anspruch auf volle Vergütung seiner Leistungen sowie auf Auslagenersatz. Für den Schriftsatz ON 7 stehe nur TP 2 zu; ein Schriftsatz mit Datum 18. 6. 1997 fehle im Akt. Das Gericht nehme an, dass der Kläger die Pauschalgebühr gezahlt habe. Dem Kläger stünden daher 190.029,24 S Honorar (einschließlich 31.671,54 S USt) und 27.040 S an Barauslagen zu.

Das Berufungsgericht wies auch das restliche Klagebegehren ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Ein Rechtsanwalt, der den Prozesserfolg schuldhaft vereitle, sei nicht nur schadenersatzpflichtig, sondern verliere auch seinen Honoraranspruch. Wenn der Mandant einer Honorarklage Mängel der Vertretung entgegenhalte und beweise, dass die Prozessvertretung in wesentlichen Punkten mangelhaft war, so habe der Rechtsanwalt Umstände darzulegen und zu beweisen, dass die Vertretungsmängel keine nachteiligen Folgen hatten. Erbringe er diesen Beweis nicht, so stehe seinem Honoraranspruch der berechtigte Einwand der nicht gehörigen Erfüllung des Auftrags entgegen. Der Kläger habe im Vorprozess auftragswidrig keinen Antrag gestellt, ihm eine Frist für die Bekanntgabe von Zeugen zu setzen. Die Unterlassung habe jedoch keine nachteiligen Folgen gehabt. Das Gleiche gelte für die allenfalls unterlassene Belehrung über die Möglichkeit einer Wiederaufnahmsklage, weil eine Wiederaufnahmsklage ohnehin erfolglos geblieben wäre. Der Kläger habe es jedoch auch unterlassen, die Verletzung der Dokumentationspflicht geltend zu machen und - entgegen dem ihm erteilten ausdrücklichen Auftrag - einen Antrag auf Vorlage des Patientenaktes zu stellen. Eine Verletzung der Dokumentationspflicht führe insoweit zu einer Beweiserleichterung, als sie die Vermutung begründe, dass der Arzt eine nicht dokumentierte Maßnahme nicht getroffen habe. Sie begründe jedoch keine Vermutung, dass der Arzt eine von ihm bestrittene Behandlung vorgenommen habe. Eine Verletzung der Dokumentationspflicht könne jedoch bei der Beweiswürdigung eine Rolle spielen. § 22a Abs 1 ÄrzteG 1984 habe den Arzt verpflichtet, dem Patienten alle Auskünfte über seine Aufzeichnungen zu erteilen. Der Kläger wäre verpflichtet gewesen, eine Verletzung der Dokumentationspflicht geltend zu machen, nachdem ihm der Rechtsvertreter des Arztes bereits 1997 mehrfach mitgeteilt habe, es gebe keinen Patientenakt des Arztes über den Beklagten. Auf Grund der Aussage des Arztes, jede Behandlung sehr ausführlich zu dokumentieren, hätte der Kläger beantragen müssen, dem Arzt die Vorlage der über die Behandlung des Beklagten erstellten Aufzeichnungen aufzutragen. Dazu wäre der Kläger nicht nur aus prozessualer Umsicht, sondern schon auf Grund der ihm erteilten Weisung verpflichtet gewesen. Die Unterlassung begründe einen wesentlichen Vertretungsmangel. Das Gleiche gelte für die, ohne gleichzeitigen Hinweis auf die Auskunftspflicht nach § 22a ÄrzteG 1984 unvollständige Auskunft, „es bestehe keine gesetzliche Handhabe, eventuell vorhandene Patientenakte einzusehen". Da der Beklagte damit wesentliche Vertretungsmängel des Klägers bewiesen habe, wäre es Sache des Klägers gewesen, zu behaupten und zu beweisen, dass sich die Mängel nicht nachteilig ausgewirkt hätten. Diesen Beweis habe der Kläger weder angetreten noch erbracht. Er habe damit seinen Honoraranspruch zur Gänze verloren.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Klägers ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Beweislast beim Einwand wesentlicher Vertretungsmängel gegen den Honoraranspruch eines Rechtsanwalts besteht; die Revision ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger hat seinen Sitz in Innsbruck; der Beklagte wohnt in der Bundesrepublik Deutschland. Da somit ein Sachverhalt mit Auslandsbeziehung vorliegt, ist zuerst die Frage des anwendbaren Rechts zu klären. Eine Rechtswahl wurde nicht behauptet. Der zwischen den Streitteilen zustandegekommene anwaltliche Mandatsvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag im Sinne des - hier noch anwendbaren, weil der Vertrag vor Inkrafttreten des Übereinkommens vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht geschlossen wurde (§ 50 Abs 2 IPRG idF BGBl 1998/119) - § 36 IPRG. Ein solcher Vertrag ist nach dem Recht des Staats zu beurteilen, in dem die Partei, die nicht überwiegend Geld schuldet, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das ist im vorliegenden Fall der Kläger; es ist daher österreichisches Recht anzuwenden.

Der Vertrag zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Klienten hat in der Regel die entgeltliche Besorgung von Geschäften in Vertretung des Klienten zum Gegenstand. Auf den Vertrag sind in erster Linie die Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung und subsidiär die §§ 1002ff ABGB anzuwenden (Strasser in Rummel, ABGB³ § 1002 Rz 26 mwN; 1 Ob 333/98x = MietSlg 51.100 mwN). Die Pflichten des Rechtsanwalts sind nach § 9 RAO, § 1009 ABGB zu bestimmen. § 9 RAO verpflichtet den Rechtsanwalt, die Rechte seiner Partei mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten; nach § 1009 ABGB ist der Gewalthaber verpflichtet, das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag übertragene Geschäft emsig und redlich zu besorgen. Für den Rechtsanwalt gilt der Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB. Danach hat der Rechtsanwalt den Mangel des notwendigen Fleißes und der erforderlichen Kenntnisse seines Berufs zu vertreten.

Zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsanwalts gehört die erforderliche Belehrung seines meist rechtsunkundigen Mandanten (1 Ob 785/83 = SZ 56/181 mwN). Der Rechtsanwalt ist auch, so wie jeder Geschäftsbesorger, an Weisungen seines Mandanten grundsätzlich gebunden. Ausgenommen sind vertrags‑, gesetz- oder sittenwidrige Weisungen; ein Rechtsanwalt braucht auch rein prozesstaktische Weisungen nicht unbedingt zu befolgen (Strasser aaO § 1009 Rz 14 mwN). Will der Rechtsanwalt von Weisungen seines Mandanten abgehen oder sind die Weisungen widersprüchlich oder nicht genügend bestimmt, so muss er, außer bei Gefahr im Verzug, rückfragen (6 Ob 610/83 = RdW 1983, 106; 6 Ob 226/97x = AnwBl 1998/7510).

Belehrt der Rechtsanwalt seinen Mandanten nicht ausreichend, weicht er von, dem Prozessstandpunkt seines Mandanten dienlichen Weisungen ab und/oder unterlässt er notwendiges Vorbringen, so ist er dem Mandanten bei Verschulden zum Schadenersatz verpflichtet. In diesem Fall hat der Mandant nicht nur den Vertretungsfehler zu beweisen, ihn trifft auch die Beweislast dafür, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Handeln des Rechtsanwalts nicht eingetreten wäre (1 Ob 333/98x = ÖBA 2000/849 ua).

Vertretungsfehler machen den Rechtsanwalt jedoch nicht nur nach §§ 1009, 1010 und 1012 ABGB schadenersatzpflichtig; sie können auch dazu führen, dass der Rechtsanwalt seinen Honoraranspruch verliert. Nach der Rechtsprechung hat der Rechtsanwalt keinen Anspruch auf Entgelt, wenn seine Leistung wertlos ist (7 Ob 621/79 = SZ 52/73; 7 Ob 612/93 = RZ 1995/58 ua; Strasser aaO § 1009 Rz 9 mwN). In einem solchen Fall hat der Mandant wegen der einer Nichterfüllung gleichkommenden Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags ein Leistungsverweigerungsrecht, das er dem Zahlungsbegehren entgegenhalten kann. Dass das Leistungsverweigerungsrecht - wie in der Entscheidung 6 Ob 304/99w (= JBl 2000, 590 [Rummel]) ausgesprochen - nicht dazu berechtigt, das gezahlte Honorar nach § 1431 ABGB zurückzufordern, ist hier ohne Bedeutung, weil über die Klage des Rechtsanwalts auf Zahlung seines Honorars zu entscheiden ist.

Beruft sich der Mandant auf sein Leistungsverweigerungsrecht, so hat er grundsätzlich zu beweisen, dass und aus welchen Gründen die Leistung wertlos sei. Weist der Mandant nach, dass der Rechtsanwalt eine für den Prozessausgang wesentliche Weisung nicht befolgt hat, so ist bereits damit die einer Nichterfüllung des Vertrags gleichkommende Schlechterfüllung bewiesen, weil es zu den Hauptpflichten des Rechtsanwalts gehört, (gesetzmäßige) Weisungen seines Mandanten zu befolgen. In einem solchen Fall verliert der Rechtsanwalt seinen Honoraranspruch, wenn er nicht beweist, dass sein weisungswidriges Handeln für den Prozesserfolg unschädlich war.

Werden diese Grundsätze im vorliegenden Fall angewandt, so ist der Honoraranspruch des Klägers nicht begründet:

Der Kläger hat ausdrücklich und mehrmals vom Beklagten die Weisung erhalten, den Antrag zu stellen, dem Arzt die Vorlage der Patientendokumentation aufzutragen. Nach dem - zur Zeit der Behandlung geltenden - § 22a ÄrzteG 1984 war der Arzt verpflichtet, Aufzeichnungen über jede zur Beratung oder Behandlung übernommene Person, insbesondere ... über Art und Umfang der beratenden, diagnostischen oder therapeutischen Leistungen ... zu führen und hierüber der beratenen oder behandelten oder der zu ihrer gesetzlichen Vertretung befugten Person alle Auskünfte zu erteilen. Der Arzt musste daher entweder Aufzeichnungen besitzen oder er hatte gegen seine Dokumentationspflicht verstoßen.

Die Aufzeichnungen über die Behandlung des Patienten sind bei Auseinandersetzungen über Art und Umfang der Behandlung ein wesentliches Beweismittel. Behauptet der Patient, dass eine bestimmte Behandlung vorgenommen wurde, und wird dies vom Arzt bestritten, so wäre es, hat der Arzt die Behandlung tatsächlich nicht vorgenommen, naheliegend, dass der Arzt die Aufzeichnungen vorlegt. Geschieht dies nicht, so mögen bereits dadurch Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung des Arztes erweckt werden. Das gilt jedoch um so mehr, wenn die Vorlage beantragt und der Vorlageauftrag entgegen § 304 ZPO nicht befolgt wird.

Die Weisung des Beklagten betraf daher ein für die prozessentscheidende Frage, ob der Arzt den Beklagten im Bereich der Halswirbelsäule chiropraktisch behandelt hat, wesentliches Beweismittel. Der Kläger kann sich keinesfalls darauf berufen, dass ihm der Rechtsvertreter des Arztes mitgeteilt hatte, es gebe keine Patientendokumentation. Abgesehen davon, dass damit eine Verletzung der Dokumentationspflicht behauptet wurde, die im Verfahren geltend zu machen gewesen wäre, hätte der Kläger die Vorlage jedenfalls nach der Aussage des Arztes, jede Behandlung sorgfältig zu dokumentieren, beantragen müssen. Ein die Interessen seines Mandaten wahrnehmender Rechtsanwalt hätte in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass der Rechtsvertreter des Arztes eine Herausgabe der Patientendokumentation mit der Behauptung abgelehnt hatte, dass es keine Dokumentation gebe.

Das weisungswidrige Handeln des Klägers betraf damit die prozessentscheidende Frage, ob der Arzt den Beklagten im Bereich der Halswirbelsäule chiropraktisch behandelt hat. Es war geeignet, den Prozessausgang entscheidend zu beeinflussen, weil die Aufzeichnungen des Arztes über die Behandlung das einzige Beweismittel sind, das neben den widersprüchlichen Aussagen von Arzt und Patient über die strittige Behandlung existiert. Der Kläger hat es damit entgegen der ihm erteilten Weisung unterlassen, die Vorlage des für den Prozessausgang wesentlichen Beweismittels zu beantragen. Bereits damit steht die einer Nichterfüllung gleichkommende Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags fest. Es wäre daher Sache des Klägers gewesen, zu behaupten und zu beweisen, dass sein weisungswidriges Handeln den Prozesserfolg dennoch nicht nachteilig beeinflusst habe. Diesen Beweis hat der Kläger nicht erbracht; das Erstgericht hat insoweit eine Negativfeststellung getroffen.

Steht nicht fest, dass das weisungswidrige Handeln des Klägers unschädlich war, so kann er für seine damit wertlose Vertretungstätigkeit kein Honorar verlangen.

In der Klageforderung sind neben dem Honorar auch Barauslagen von 27.040 S enthalten. Das Rechtsmittel des Klägers enthält zur Abweisung des Begehrens auf Aufwandsersatz keine Ausführungen, so dass die Entscheidung insoweit der Überprüfung entzogen ist (EvBl 1985/154 uva).

Der Revision war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte