OGH 8ObA290/01g

OGH8ObA290/01g28.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Walter Zeiler und Claus Bauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Alfred M*****, vertreten durch Schneider & Schneider, Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei U***** Warenhandels Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Kucher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 64.015,87 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juli 2001, GZ 8 Ra 106/01x-43, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. Jänner 2001, GZ 32 Cga 206/99a-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Bereits seit dem Jahre 1981 betrieb der Kläger eine Lagerhaustankstelle der Beklagten, und zwar zuletzt auf Grund eines Handelsagenturvertrages aus dem Jahre 1993. Davor waren in den Jahren 1989 und dann 1993 zwei andere Tankstellen in dem Ort geschlossen worden und die Tankstelle des Klägers ausgebaut, insbesondere ein "Bankomat" installiert worden, bei dem die Kunden mit einer Tankkarte auch außerhalb der Betriebszeiten tanken können. Nach dem unstrittigen Handelsagenturvertrag (Beilage A) hatte der Kläger als "Handelsagent" die auf die Tankstelle bezughabenden Geschäfte im Namen und auf Rechnung der Beklagten im Sinne des Handelsvertretergesetzes als selbständiger Unternehmer zu führen. In der Tankstelle sollten Normalbenzin, Superbenzin und Dieseltreibstoffe, aber auch weitere Artikel als Zusatzgeschäft vertrieben werden. Als Provision erhielt der Kläger 0,32 S zuzüglich USt pro verkauften Liter der Treibstoffe und 11 % des Bruttoverkaufspreises zuzüglich Umsatzsteuer von den Zusatzartikeln wie Autobatterien, Scheibenwischer udgl. Es wurde ihm eine Mindestprovision von S 10.000,-- garantiert. Die Abrechnung hatte täglich zu erfolgen, die Festsetzung der Preise oblag der Beklagten. Der Kläger war verpflichtet, die Tankstelle von Montag bis Freitag von 7.00 bis 19.00 Uhr und an Samstagen von 7.00 bis 16.00 Uhr offenzuhalten und hatte dabei selbst während 60 % der Pflichtöffnungszeiten anwesend zu sein. Die Einstellung von Hilfsbedienungspersonal war ebenso wie dessen Bezahlung von ihm selbst vorzunehmen und zu tragen. Im Übrigen wurden die Betriebskosten der Tankstelle von der Beklagten getragen. Neben dem Kläger arbeitete dann noch ein weiterer vollbeschäftigter Tankwart an der Tankstelle.

Zu Beginn der 80-iger Jahre hatte der Kläger einen Treibstoffumsatz von ca 680.000 Liter, welcher sich dann bis 1986 auf 1,6 Mio Liter steigerte und in den folgenden drei Jahren auf knapp über 1,5 Mio Liter einpendelte. 1990 stieg dann der Treibstoffverkauf auf Werte zwischen 1,7 Mio und ca 2,3 Mio Liter im Jahre 1994 und fiel dann im Hinblick auf den "Tanktourismus" nach Slowenien kontinuierlich auf 1,6 Mio Liter im Jahre 1997, stieg aber dann 1998 wieder auf knapp über 2 Mio Liter. Der Kundenstock des Klägers setzt sich teilweise aus Laufkundschaft, teilweise aber auch aus Stammkundschaft zusammen, welche zum Teil mit und teilweise ohne Tankkarte den Treibstoff bezogen hat. Der Großteil der Stammkunden tankte dabei deshalb bei dieser Tankstelle, da diese nach der Schließung der anderen Tankstellen die einzige Tankstelle in der näheren Umgebung war. Teilweise haben die Stammkunden bereits vor der Tätigkeit des Klägers dort getankt. Für manche war auch ausschlaggebend, dass sie außerhalb der Öffnungszeiten tanken konnten und dies mit einer Monatsrechnung begleichen konnten.

Ein Teil der Kundschaft ist auch Mitglied bei der Beklagten oder auf Grund von geschäftlichen Verbindungen an die Beklagte gebunden. Nicht festgestellt werden konnte, dass ein beachtlicher Teil der Kundschaft durch den Kläger zur Lagerhaustankstelle gebracht wurde. Der Vertrag endete infolge Kündigung durch die Beklagte. Die Provisionserlöse des Klägers in den letzten fünf Jahren entwickelten sich von jeweils ausgehend April bis März von S 884.885,71 im Jahr 1994/1995 im nächsten Jahr auf S 714.954,70, dann von 1996/1997 auf S 677.664,40, dann 1997/1998 auf S 675.393,28 und dann im letzten Jahr, sohin von April 1998 bis März 1999 auf S 757.425,28. Der Kläger begehrt gestützt auf § 24 HVertrG als Ausgleichsanspruch insgesamt S 880.877,65 sA. Dies errechnet er, indem er von einem Umsatzanteil mit Stammkunden von 73,82 % ausgeht und daher von der in den letzten 12 Monaten vor Beendigung des Vertragsverhältnisses verdienten Nettoprovision von S 747.425,48 den Anteil in Höhe von 73,82 %, sohin S 559.131,48 zugrundelegt. Ausgehend davon nimmt er an, dass sich diese Stammkundschaft in einem Ausmaß von 20 % jährlich, sohin insgesamt in fünf Jahren zur Gänze "verlaufe". Daraus errechne sich dann für das erste Jahr ein Provisionsverlust von S 438.534,50, für das zweite Jahr ein solcher von S 332.551,83, für das dritte von S 210.752,83 und für das vierte Jahr von S 101.284,50 insgesamt sohin S 1,083.023,66. Von diesem seien 10 % für verwaltende Tätigkeit abzuziehen, womit S 974.721,30 verbleiben. Da dieser Anspruch jedoch über dem Durchschnitt der Jahresvergütung der letzten fünf Jahre von durchschnittlich S 734.064,71 liege, mache er diesen Durchschnittswert geltend. Unter Zugrundelegung dieses Durchschnittswertes von S 734.064,71 zuzüglich 20 % USt ergäben sich dann die begehrten S 880.877,65. Insoweit habe der Kläger den Umsatz gesteigert und der Beklagten Stammkunden zugeführt. Zur Höhe des Umsatzes seien statistische Schätzungen heranzuziehen bzw dieser ausgehend von den Stammkunden unter Anwendung von § 273 ZPO zu ermitteln.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass der Kläger gar nicht dem Handelsvertretergesetz unterlegen sei, sondern arbeitnehmerähnlich im Rahmen eines freien Dienstvertrages bzw Bestandvertrages gearbeitet habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Kläger zwar Handelsvertreter im Sinne des Handelsvertretergesetzes sei. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass er der Beklagten im Sinne des § 24 HVertrG neue Kunden zugeführt oder bestehende Geschäftsbeziehungen intensiviert habe. Allein durch die Schließung der beiden Konkurrenztankstellen sei die Umsatzsteigerung eingetreten. Ferner sei dem Kläger zugutegekommen, dass er die einzige Tankstelle im Ort betrieben und damit gewissermaßen eine "Monopolstellung" gehabt habe. Die Anzahl der Stammkunden sei daher nicht auf ein aktives Werben des Klägers zurückzuführen. Vielmehr habe die Beklagte noch durch den Umbau die Attraktivität der Tankstelle erhöht. Dazu habe auch das Ausgeben von Tankkarten beigetragen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte den Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG damit, dass der Kläger als einziger Tankstellenbetreiber mit den Ortsbewohnern als Kundschaft habe rechnen können. Ein Konkurrenzkampf sei nicht feststellbar gewesen. Auch könnten die Tankkunden jederzeit bei einer anderen Tankstelle tanken und sogar im Ausland. Ausschlaggebend sei die örtliche Lage der Tankstelle und die in diese getätigten Investitionen der Beklagten, nicht aber die Tätigkeit des Klägers, sodass die Beklagte aus dieser auch nach der Auflösung keine wesentlichen Vorteile ziehen könne. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegens einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Gewährung eines Ausgleichsanspruches an Betreiber von Tankstellen als zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt. Nach § 1 HVertrG ist Handelsvertreter, wer von einem anderen mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften in dessen Namen und für dessen Rechnung ständig betraut ist und diese Tätigkeit selbständig und gewerbsmäßig ausübt. Dass der Kläger, der nach dem Vertrag im Namen und auf Rechnung der Beklagten deren Produkte vertreiben sollte, dem Handelsvertretergesetz unterliegt, wird im Revisionsverfahren auch von der Beklagten zugestanden. Auch die Beklagte geht davon aus, dass der Kläger seine Tätigkeit, die ja darin bestand, die im Eigentum der Beklagten stehenden Treibstoffe auf deren Rechnung und in deren Namen im Wesentlichen an Letztverbraucher zu verkaufen, selbständig und gewerbsmäßig ausgeübt hat. Dass der Kläger im Hinblick auf seine wirtschaftliche Abhängigkeit als arbeitnehmerähnlich einzustufen ist, ändert an der zivilrechtlichen Qualifikation des Vertragsverhältnisses nichts (vgl dazu auch Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz2, 329 f, ähnlich schon OGH 1. 4. 1998, 9 ObA 44/98f = EvBl 1998/147). Auch die Berücksichtigung - hier nicht geltend gemachter - über die Festlegung der Rechte und Pflichten eines Handelsvertreters hinausgehender Vereinbarungen in dem Vertrag (vgl zum gemischten Dauerschuldverhältnis Arb 8538 = HS 6683; RIS-Justiz RS0017999) wird wohl regelmäßig für die hier relevanten Fragestellungen des Ausgleichsanspruches nach § 24 HVertrG nichts Anderes ergeben. Soweit nur "anderstypische" Nebenpflichten zum Handelsvertreter-Hauptvertrag vorliegen, bleiben grundsätzlich ohnehin primär die Regelungen über den Hauptvertrag für die Beurteilung der Hauptpflichten aufrecht (vgl Rummel in Rummel ABGB3 § 859 Rz 22; vgl auch zur weiten Anwendung eines Vertragstypus mit Schutznormcharakter zur Vermeidung von Umgehungen RIS-Justiz RS0038434 mwN). Wenn aber ein anderer Vertragstypus hinzutreten sollte und insgesamt von einem gemischten Vertragsverhältnis auszugehen wäre, so wäre wohl regelmäßig ein Parteieninteresse an der Einheitlichkeit des Vertrages vorauszusetzen. Für die hier maßgeblichen Fragen wäre dann schon im Hinblick auf den Schutzcharakter der teilweise auch zwingenden Bestimmungen des HVertrG und der zumeist zentralen Bedeutung der Handelsvertretertätigkeit für den Gesamtvertrag dem HVertrG jedenfalls gegenüber Vertragstypen mit geringerem Schutzcharakter als sachlichst geeignetste Regelung der Vorrang einzuräumen (vgl Rummel aaO Rz 22; allgemein Apathy in Schwimann ABGB2 § 859 Rz 16; Koziol/Welser Bürgerliches Recht II2, 13; vgl zum Schutzcharakter des HVG auch die Begründungerwägungen der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. 12. 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter). Dies entspricht auch der deutschen Judikatur und Lehre (vgl etwa Hopt Handelsvertreterrecht2, 123; Küstner in Küstner (Thume Handbuch des gesamten Außendienstrechts Band I3, 70 uva).

Gegenteiliges lässt sich auch nicht der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 28. 5. 1996 zu 1 Ob 537/86 (= JBl 1986, 721) entnehmen. Nicht nur dass damals überhaupt von einem Vertrag ausgegangen wurde, bei dem der "Tankstellenstationär" die Mineralöle auf eigenen Namen und eigene Rechnung zu vertreiben hatte, während dies hier auf Rechnung der Beklagten erfolgte, wurde im Ergebnis auch damals die Anwendbarkeit des HVertrG bejaht. Auch in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 8. 7. 1986 zu 2 Ob 653/84 (= RdW 1987, 11 = EvBl 1987/55), in der es um ein Räumungsbegehren gegenüber einer Mineralölfirma gegangen ist, hat der Oberste Gerichtshof bereits die Tätigkeit für die Gesellschaft als Tätigkeit eines Handelsvertreters qualifiziert. Der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 22. 12. 1988 zu 8 Ob 667/88 (nur tw veröffentlicht in RdW 1989, 189 und Wbl 1989, 161 sowie MietSlg 40.104) lag schon insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als dem Stationär sowohl das Grundstück als auch andere Anlagen gehörten. Auch ging es um die Frage des Vorliegens eines Bestandverhältnisses, die verneint wurde. Die wesentliche Frage liegt also nur mehr darin, inwieweit dem Kläger ein Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG zusteht. Diese Bestimmung stellte eine Umsetzung der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. 12. 1986 Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter dar. Bereits in der Richtlinie ist in Art 17 vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, dass die Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses entweder einen Anspruch auf Ausgleich oder auf Schadenersatz - dies entsprach dem französischen Modell - haben sollen. Für den Ausgleichsanspruch wird in Art 17 Abs 2 der Richtlinie vorgegeben, dass der Handelsvertreter Anspruch auf einen Ausgleich hat, wenn und soweit er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindung mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht. Auch muss die Zahlung eines solchen Ausgleiches unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen der Billigkeit entsprechen. Der historische Gesetzgeber hat bei der Umsetzung dieses Gesetzes sich bewusst dem Modell des § 89b des deutschen HGB angelehnten Ausgleichssystem verschrieben (vgl dazu RV 578 BlgNR 18. GP; ebenso Schima, Bunt Gemischtes aus dem neuen Handelsvertretergesetz, ecolex 1993, 231; Viehböck, Der Ausgleichsanspruch nach dem neuen Handelsvertretergesetz, ecolex 1993, 221 ff).

§ 24 HVertrG bestimmt nun für den nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses dem Handelsvertreter gebührenden Ausgleichsanspruch, dass dieser zusteht, wenn und soweit (vgl zur kumulativen Begrenzung, Viehböck aaO, Küstner in Röhricht/Westphalen HGB2, 971; Löwisch in Boujong/Ebenroth/Joost HGB, 1043)

1.) der Handelsvertreter dem Unternehmen neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat,

2.) zu erwarten ist, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen können, und

3.) die Zahlung eines Ausgleiches unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit dem betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.

Vergleichbar wird dieser Ausgleichsanspruch in § 89b des deutschen HGB ebenfalls dahin geregelt, dass "wenn und soweit" der Anspruch nur besteht, wenn der Unternehmer aus den Geschäftsverbindungen mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat, der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provisionen verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustandekommenden Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte und die Zahlung eines Ausgleiches der Billigkeit entspricht. Die Vorinstanzen haben nun, vereinfacht dargestellt, den Anspruch des Klägers auf einen solchen Ausgleich mit dem Argument abgewiesen, dass nicht feststellbar sei, dass die Stammkundschaft des Klägers durch dessen Bemühungen geworben wurde, sondern sie sich vielmehr aus dem Standort bzw deren besonderer Verbindung zur Beklagten ergeben habe.

Dies läuft auf die Frage hinaus, ob allein das Betreiben der Tankstelle ein Zuführen neuer Kunden im Sinne des § 24 Abs 1 Z 1 HVertrG darstellt.

Dazu ist auf die Grundlagen des Ausgleichsanspruches zurückzugreifen. Diese wurden bereits zur früheren Regelung des § 25 HVertrG darin gesehen, dass durch die laufenden Provisionen die einzelnen Geschäftsabschlüsse abgegolten werden, dass jedoch dem Geschäftsherrn darüber hinaus ein Vorteil aus der Schaffung eines neuen Kundenstockes entsteht. Insoweit wird eine Äquivalenzstörung vermutet und soll dieser Vorteil durch den gesetzlichen Ausgleichsanspruch abgegolten werden (vgl RIS-Justiz RS0062649 mit zwN; insbesondere SZ 63/175; WBl 1998/275 uva; Jabornegg HVG, 487; Nocker, Der Handelsvertretervertrag 113; vgl zum Entgelt für die "Markterschließungsleistung", Hoyningen-Huene in Karsten Schmidt HGB I § 89b Rz 3, 1129 uva). Dabei wurde für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung des "Zuführens" von Kunden bereits bisher an die Mitursächlichkeit des Verhaltens des Handelsvertreters als ausreichend angesehen (vgl dazu etwa OGH 1. 4. 1998, 9 ObA 44/98f = EvBl 1998/147 mwN, dem Ergebnis zust. auch Viehböck, Strukturvertrieb und Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, WBl 1998, 434 ff). Dies entspricht auch der deutschen Rechtsprechung und Lehre, die ebenfalls eine Mitursächlichkeit als ausreichend ansieht (vgl etwa Hopt, Handelsvertreterrecht, 128 mwN, ebenso Hoyningen-Huene aaO 1143 sogar zu bestehenden Monopolen). Der Vorteil bei der Gewinnung der Kunden, der durch eine besondere Lage oder etwa die Sogwirkung einer Marke entsteht, wird dabei regelmäßig nicht im Zusammenhang mit der Frage des "Zuführens" der Kunden durch den Handelsvertreter berücksichtigt, sondern später bei der abschließenden Billigkeitsbeurteilung (vgl Hoyningen-Huene aaO, 1155 f, Hopt aaO, 137). Ausgehend davon sieht die ständige deutsche Rechtsprechung des BGH allein in dem Offenhalten und Betreiben der Tankstellen schon eine Mitursächlichkeit für das Zustandekommen der Geschäftsbeziehung (vgl BGH 6. 8. 1997 NJW 1998, 66 sowie 71 jeweils mwN, sowie BGH 28. 11. 2001 VIII ZR 38/01). Dies wurde auch - anders als bestimmte Fragen zum weiteren Nachweis und der Berechnung - im deutschen Schrifttum kaum kritisiert, sondern es wird übereinstimmend von einem Ausgleichsanspruch des Tankstellenpächters oder Tankstellenhalters ausgegangen (vgl etwa Köstner in Röhricht/Westphalen, HGB2, 985; Hopt aaO, 124, Küstner/Manteuffel/Evers Handbuch des gesamten Außendienstrechtes 26, Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, 201 ff und 327 ff insb 204 f zur Selbstbedienungstankstelle mwN, Loewisch in Boujong/ Ebenroth/Joost HGB, 1045 ff, 1076 ff ua). Dem schließt sich auch der Oberste Gerichtshof an. Überzeugend hat der BGH ausgeführt, dass vorweg für das Aufsuchen einer Tankstelle mittlerweile allein die Lage, die Marke oder der Preis maßgeblich sein kann, für das - hier ja maßgebliche - Zustandekommen einer Stammkundenbeziehung aber jedenfalls erforderlich ist, dass der Tankstellenhalter die Tankstelle offen und betriebsbereit hält. Im Wesentlichen scheint in diesem Zusammenhang auch das von Loewisch (aaO, 1044) hervorgehobene Argument, dass es ja gerade darum geht, dass die "Zuführung" durch eine vertraglich geschuldete Tätigkeit erfolgt, die beim Tankstellenbetreiber eben in dem Betrieb der Tankstelle liegt, überzeugend. Übernimmt der Tankstellenbetreiber doch auch einen Teil des wirtschaftlichen Risikos des Vertriebes. Dass der "Standortvorteil" bei Tankstellen nicht zum Ausschluss des Ausgleichsanspruches führt, sondern zu dessen Minderung, lässt sich wohl insoweit plausibel erklären, als der Kunde dadurch ja nur dem Standort, aber noch nicht konkreten Unternehmensprodukten verbunden scheint, insoweit also auch noch nicht zum Kauf dieser Unternehmensprodukte entschlossen ist. Dies kann eben erst durch die an diesem Standort entwickelte Tätigkeit der Tankstellenbetreiber bewirkt werden.

Der Oberste Gerichtshof kommt also zu einer - auch der Absicht des historischen Gesetzgebers und der Kommission (vgl den Bereich vom 23. 7. 1996 Kom(96) 364 endg) entsprechenden - Übereinstimmung in der Beurteilung des Ausgleichsanspruches mit dem deutschen Bundesgerichtshof. Es kann daher dahingestellt bleiben, inwieweit nicht auch unter dem Aspekt der richtlinienkonformen Interpretation (vgl dazu etwa gerade in diesem Zusammenhang EuGH 13. 7. 2000 C-456/98 Slg 2000, I-6007 Rz 16 mwN) eine einheitliche Auslegung anzustreben wäre, wobei dazu aber noch der Charakter der sowohl auf den damaligen Art 57 Abs 2 als auch Art 100 des EG-Vertrages gestützten Richtlinie erörtert werden müsste. Dies ist im Hinblick auf die soweit ohnehin übereinstimmende Interpretation jedoch nicht erforderlich.

Auf die weiteren Fragen bei der Bestimmung des Ausgleichsanspruches, etwa den Umfang der einzubeziehenden Provisionsteile (vgl etwa zum Umfang der auszuscheidenden Verwaltungsanteile ebenfalls BGH 6. 8. 1997 NJW 1998, 66 mit insoweit zust. Besprechung von Manteuffel/Evers EwiR 1997, 996; Küstner aaO 985 f; Hopt aaO 133), ist hier nun noch nicht einzugehen, da diese bisher weder mit den Parteien erörtert und entsprechende Feststellungen getroffen wurden. Es ist sohin nur allgemein festzuhalten, dass maßgeblicher Ausgangspunkt der Vorteil aus dem Kundenstock, und zwar den Stammkunden, zu denen also die Geschäftsbeziehung fortdauert, ist. Entscheidend ist dabei der aus diesen Geschäftsbeziehungen für die Beklagte weiter erzielbare Vorteil (vgl etwa Nocker Handelsvertretervertrag, 132; Loewisch aaO 1047; Küstner aaO, 977; Hoyningen-Huene aaO, 1145 ff insb zu der besonderen Gewichtung der Stammkunden Küstner/Manteuffel/Evers aaO, 203 ua). Es ist dann zu beurteilen, wielange und in welchem Ausmaß dieser Kundenstock der Beklagten Vorteile bringen wird. Daraus ist unter Berücksichtigung verschiedener Billigkeitsmomente, insbesondere des zu prognostizierenden Provisionsverlustes des Handelsvertreters, aber auch, inwieweit Stammkunden etwa durch die besondere Lage der Tankstelle und die Kundenbeziehung zur Beklagten, geworben werden konnten, der sogenannte "Rohausgleich" zu ermitteln. Dabei ist auch eine entsprechende Abzinsung zu berücksichtigen. Der "Rohausgleich" ist dann dem in § 24 Abs 4 HVertrG vorgesehenen Höchstbetrag gegenüberzustellen. Die in § 24 Abs 4 HVertrG vorgesehene Höchstgrenze einer Jahresvergütung, berechnet aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre, darf bei Zuspruch des Ausgleichsanspruches nicht überschritten werden.

Ausgehend von ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht haben jedoch die Vorinstanzen noch Erörterungen und Feststellungen dazu unterlassen. Bei den entsprechenden Feststellungen wird gegebenenfalls gemäß § 273 ZPO bzw allenfalls unter Heranziehung entsprechender statistischer Erfahrungswerte vorzugehen sein.

Da sich das Verfahren sohin ergänzungsbedürftig erweist, war die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt fußt auf § 2 ASGG und § 52 ZPO.

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