OGH 1Ob47/02x

OGH1Ob47/02x22.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mario K*****, vertreten durch Mag. Oliver Lorber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei G***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Stephan Messner, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wegen S 271.851,60 (nunmehr EUR 19.756,23) sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 3. Dezember 2001, GZ 3 R 210/01z-17, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 19. Juli 2001, GZ 4 Cg 21/01g-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.063,80 EUR (darin 177,30 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der beklagten Partei war von einer ein Bäckereiunternehmen betreibenden Gesellschaft mbH (in der Folge: Auftraggeberin) der Auftrag zur Herstellung einer Rohstoffaufbereitungsanlage erteilt worden. Im Zuge der Erfüllung dieses Auftrags trat sie zwecks Herstellung eines Schaltschrankes an den Kläger heran, der am 18. 9. 2000 ein schriftliches Angebot legte. Dieses beinhaltete die gesamte elektrische Hardware inklusive SBS-Steuerung mit dazugehöriger normgerechter Dokumentation sowie die Planung, Programmierung und Inbetriebnahme des Schaltschranks zum Preis von S 142.856,40; die Verkabelungen und Anschlüsse sollten durch die Auftraggeberin hergestellt werden, das "Anklemmen schaltschrankseitig" aber vom Kläger.

Die beklagte Partei erteilte dem Kläger auf Grund dieses Anbots den Auftrag zur Herstellung des Schaltschranks. Die Anlage sollte binnen drei Wochen geliefert werden. Am 13. 10. 2000 wurde sie tatsächlich auf die Baustelle geliefert. Mit Fax vom 6. 11. 2000 bzw Schreiben vom 14. 11. 2000 erklärte die Auftraggeberin der beklagten Partei gegenüber den Vertragsrücktritt, nachdem es dieser bereits am 4. 11. 2000 mit dem Abbruch der Arbeiten gedroht hatte, falls die Anlage nicht bis zum 6. 11. 2000 "laufen" sollte. In der Folge wurde der beklagten Partei von der Auftraggeberin verboten, die Baustelle zu betreten.

Der Kläger stellte der beklagten Partei den Schaltschrank zum vereinbarten Preis und Zusatzleistungen mit einem weiteren Betrag von S 128.995,20 in Rechnung. Mit Schreiben vom 13. 11. 2000 bemängelte die beklagte Partei dem Kläger gegenüber, keinerlei Pläne und Programmierungen erhalten zu haben, und teilte ihm mit, dass die Arbeiten von der Auftraggeberin unterbunden worden seien, weil die Gesamtfunktion nicht gegeben und nicht absehbar gewesen sei, dass der Kläger das Werk beenden könne.

Der Kläger begehrte die Zahlung der offenen Rechnungen im Gesamtbetrag von S 271.851,60 mit der Behauptung, er habe den ihm erteilten Auftrag zur Herstellung und Inbetriebnahme des Schaltschranks ordnungsgemäß ausgeführt und sei den Änderungs- und Zusatzwünschen der Auftraggeberin nach Absprache mit der beklagten Partei vollständig und mängelfrei nachgekommen. Die Auftraggeberin habe dem Kläger am 7. 11. 2000 die Übernahme der Anlage, deren Überprüfung und die Durchführung eines Probebetriebs bestätigt. Sofern die beklagte Partei auf einer Überprüfung der von der Auftraggeberin ordnungsgemäß übernommenen Werkleistungen beharre, sei dies unberechtigt. Die Vereitlung der Überprüfungsmöglichkeit durch den Vertragspartner der beklagten Partei schiebe die Fälligkeit des Werklohns nicht hinaus. Schaltpläne seien branchenüblicherweise erst nach Zahlung des Werklohns zu übermitteln, und die Übergabe solcher Pläne wäre angesichts eines mittlerweile erfolgten Umbaus des Schaltschranks völlig sinnlos. Ein Anschlussplan sei dem Kunden übergeben worden. Die Übermittlung von Programmierungen sei unüblich und nicht vereinbart gewesen. Schließlich stelle die Berufung auf die unterbliebene Vorlage der Dokumentation einen Rechtsmissbrauch dar, weil die Anlage weitgehend umgebaut und erweitert worden sei, sodass die Dokumentation des vormaligen Zustands für die beklagte Partei wertlos sei.

Die beklagte Partei wendete mangelnde Fälligkeit des Werklohns ein. Sie habe die von der Auftraggeberin behaupteten, in den Verantwortungsbereich des Klägers fallenden Mängel der Anlage nicht überprüfen können, weil ihr einerseits die Auftraggeberin den Zugang zur Anlage verweigere, und andererseits der Kläger dem Ersuchen um Zusendung der Kabelpläne, Schaltpläne und Programmierungen nicht nachgekommen sei. Das Werk sei nicht vollendet, weil der vereinbarungsgemäß vom Kläger zu erstellende Anschlussplan bislang nicht fertiggestellt worden sei. Die Auftraggeberin habe wegen der mangelnden Funktionstüchtigkeit des Schaltschranks und der Nichtlieferung eines Anschlussplans ein anderes Unternehmen mit den dem Kläger obliegenden Arbeiten betraut. Die von der Auftraggeberin hiefür geltend gemachten Kosten von S 849.176,37 wendete die beklagte Partei als Gegenforderung ein.

In der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vom 12. 7. 2001 legte der Kläger die Dokumentation für den Schaltschrank vor. Die beklagte Partei behauptete auch danach die mangelnde Fälligkeit des Werklohns, weil eine nähere Prüfung der 300 Seiten umfassenden, im Leistungsumfang des Klägers enthaltenen Dokumentation nicht möglich sei und durch deren verspätete Ausfolgung die Probleme der beklagten Partei mit deren Auftraggeberin nicht mehr zu bereinigen seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Werklohn sei nicht fällig, weil der beklagten Partei ohne die vom Kläger erst in der Tagsatzung vom 12. 7. 2001 vorgelegte Schalt- und Anschlusspläne beinhaltende Dokumentation eine Prüfung und ordnungsgemäße Abnahme der Werkleistung des Klägers nicht möglich gewesen sei. Durch die verspätete Ausfolgung der Dokumentation, deren Erstellung Teil der vereinbarten Werkleistung des Klägers gewesen sei, sei die mangelnde Fälligkeit nicht behoben, weil sich damit erst jetzt eine Überprüfungsmöglichkeit ergebe, und allfällige Bereinigungsprobleme mit der Auftraggeberin erst jetzt "angegangen" werden könnten. Der Einwand der mangelnden Fälligkeit sei nicht rechtsmissbräuchlich oder schikanös erhoben worden, denn die Vorlage der Dokumentation sei immer wieder verlangt worden, und die Umbauarbeiten am Schaltschrank hätten wegen der ohne Dokumentation nicht behebbaren Funktionsmängel durch Dritte erfolgen müssen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Erstellung einer normgerechten Dokumentation sei von dem dem Kläger erteilten Werkauftrag umfasst gewesen. Infolge der erst am 12. 7. 2001 erfolgten Vorlage dieser Dokumentation habe für die beklagte Partei keine Möglichkeit bestanden, diese und damit die Werkleistung des Klägers zu überprüfen. Die (verspätete) Übergabe der Dokumentation an den Beklagtenvertreter sei daher keine zur Vollendung des Werks führende Erfüllungshandlung gewesen. Demnach sei die Fälligkeit des Werklohns nicht vor Schluss der Verhandlung erster Instanz eingetreten. Die Zurückbehaltung des Werklohns bis zur vollständigen Erfüllung sei auch nicht schikanös oder rechtsmissbräuchlich, weil die beklagte Partei die Dokumentation mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Argumentation und Beweisführung bei ihrer Auseinandersetzung mit ihrer Auftraggeberin wegen der offenen Werklohnforderung für die gelieferte Rohstoffaufbereitungsanlage, deren Bestandteil der vom Kläger gelieferte Schaltschrank sei, benötige. Schließlich sei der Beklagtenvertreter, dem die Dokumentation übergeben worden sei, nicht zur Empfangnahme einer technischen Dokumentation bevollmächtigt gewesen; hiefür hätte es einer besonderen Vollmacht bedurft.

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Maßgeblich für die Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung. Entscheidend ist daher, ob der vom Kläger geltend gemachte Werklohnanspruch bereits zu diesem Zeitpunkt fällig war.

In der Regel ist das Entgelt erst nach vollendetem Werk fällig (§ 1170 erster Satz ABGB). Der Werkvertrag ist vor gehöriger Erfüllung der zugesagten Leistung noch nicht erfüllt, der Werklohnanspruch daher gemäß § 1170 ABGB in einem solchen Fall noch nicht fällig (SZ 72/25 uva). Der zwischen den Streitteilen geschlossene Werkvertrag umfasste auch die Übermittlung der "Dokumentation" des Schaltschranks (S 4 des Ersturteils; Beilage D). Diese Dokumentation wurde erst bei der lediglich eine halbe Stunde dauernden Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 12. 7. 2001, in der die Verhandlung geschlossen wurde, dem Gericht vorgelegt (S 1 des Protokolls vom 12. 7. 2001). Ob eine weitere Ausfertigung dieser Dokumentation auch der beklagten Partei übergeben wurde - worauf die Ausführungen in der Berufungsbeantwortung (S 5) im Zusammenhalt mit den Darlegungen in der Berufung (S 9 f) hindeuten könnten, die aber mangels ausdrücklicher Feststellungen hiezu als Neuerungen zu werten wären - ist nicht von Bedeutung, denn selbst für den Fall einer solchen erst der Vertragserfüllung dienenden Übergabe wäre der Werklohn nicht sofort fällig geworden:

Der Kläger wäre - sofern keine sonstigen Mängel bestanden - erst durch die Übergabe dieser äußerst umfangreichen Dokumentation zum Schaltschrank (Beilage K) der gegenüber der beklagten Partei eingegangenen Verpflichtung zur Lieferung des Schaltschranks an die Auftraggeberin einschließlich aller Nebenleistungspflichten im Sinne seines Anbots vom 18. 9. 2000 (Beilage D) nachgekommen (vgl dazu auch 1 Ob 555/94 = ecolex 1994, 754); die Übergabe der zum Schaltschrank gehörigen normgerechten Dokumentation war Vertragsinhalt (S 4 des Ersturteils). Selbst die Übergabe der Dokumentation in der Tagsatzung, in der die Verhandlung geschlossen wurde, an die beklagte Partei hätte noch nicht die Fälligkeit des Werklohnanspruchs des Klägers zur Folge gehabt. Der Beklagtenvertreter hat sofort nach Vorlagee der Dokumentation durch den Kläger darauf hingewiesen, dass eine (unverzügliche) "nähere Prüfung" dieser umfangreichen Urkunde nicht möglich sei. Das trifft zu. Damit hätte der Kläger sein Werk vor Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht wirksam abgeliefert, weil es die beklagte Partei nicht übernommen hätte, ohne ausdrücklich und wirksam die Folgen der Ablieferung auszuschließen. Der Beklagtenvertreter hat sich jedenfalls durch die von ihm abgegebene Erklärung eine Prüfung des gesamten Werks des Klägers durch die beklagte Partei vorbehalten (vgl Rebhahn aaO Rz 5 und 6 zu § 1167). Der Werkunternehmer hat - insbesondere bei technisch komplizierten Werken - dem Besteller stets Gelegenheit zur Überprüfung des Werks zu gewähren, und der Werklohn ist erst nach Prüfung des vollendeten Werks, demgemäß mit Abnahme durch den Besteller, zur Zahlung fällig (Rebhahn aaO Rz 5 zu § 1170; Koziol/Welser Grundriss12 244; Krejci aaO Rz 4 und 5 zu § 1170; vgl GlUNF 3656). Dass eine Prüfung des Werks in der Zeit zwischen der Vorlage der Dokumentation (mit der deren Ausfolgung an die beklagte Partei zeitgleich erfolgt sein soll) und dem Schluss der Verhandlung nicht möglich war, bedarf, da der Schaltkasten und dessen Funktionen wohl an Hand der erst jetzt vorgelegten Dokumentation überprüft hätten werden müssen, keiner weiteren Erörterung. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags und damit der Einwand der mangelnden Fälligkeit des Werklohns sind somit berechtigt.

Es kann auch keine Rede davon sein, dass die beklagte Partei ihr Leistungsverweigerungsrecht schikanös (rechtsmissbräuchlich) ausübte. Wie schon das Berufungsgericht darlegte, hatte die beklagte Partei die Übergabe der Dokumentation bereits mehrfach begehrt (siehe nur Beilage 2), ohne dass der Kläger diesem Verlangen nachgekommen wäre. Nach den - durchaus nachvollziehbaren - Feststellungen der Vorinstanzen wäre die Prüfung und ordnungsgemäße Abnahme der Werkleistung des Klägers ohne Dokumentation gar nicht möglich gewesen (S 8 des Ersturteils). Damit hatte die beklagte Partei aber ein berechtigtes Interesse an der (rechtzeitigen) Übergabe der Dokumentation, sodass von Schikane bzw Rechtsmissbrauch keine Rede sein kann (vgl 6 Ob 72/00g; SZ 72/25; 1 Ob 384/97). Liegt aber keine Schikane vor, dann steht das aus der Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags resultierende Leistungsverweigerungsrecht dem Werkbesteller uneingeschränkt zu (Krejci aaO Rz 7 zu § 1170). Der Kläger hat eine Überprüfung seines Werks durch die beklagte Partei durch die unterbliebene Übergabe der Dokumentation von vornherein unmöglich gemacht, weshalb es bedeutungslos ist, dass die Auftraggeberin - später - der beklagten Partei das Betreten der Baustelle untersagte, und damit eine Überprüfung des Werks letztlich auch aus diesem Grund unmöglich wurde. Dies ändert nichts daran, dass das Werk des Klägers bei Schluss der Verhandlung erster Instanz noch nicht vollendet und damit der Werklohn nicht fällig war.

Auf die Frage, ob der Beklagtenvertreter zur Entgegennahme der Dokumentation bevollmächtigt gewesen und eine allfällige Übergabe daher mit Wirkung für die beklagte Partei erfolgt sei, muss daher nicht eingegangen werden.

Der Revision des Klägers ist ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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