Spruch:
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
B e g r ü n d u n g :
Der Erstrichter ging zu einem Sicherungsantrag der klagenden und gefährdeten österr. Bank (im Folgenden nur klagende Partei) gegen die beklagte und gefährdende algerische Bank (im Folgenden nur beklagte Partei) nach einem einseitigen Bescheinigungsverfahren von folgendem Sachverhalt aus: Die klagende Partei finanzierte als Hausbank einer näher bezeichneten Unternehmensgruppe deren Holzexporte nach Algerien. Die beklagte Partei hatte zugunsten verschiedener Gesellschaften der Unternehmensgruppe für die einzelnen Holzlieferungen als - im Bescheinigungsverfahren als Akkreditive beurteilte - Engagements Irrévocables über den jeweiligen Fakturenwert der Lieferungen an den jeweiligen algerischen Abnehmer ausgestellt. Die beklagte Partei legte die Voraussetzungen der Gültigkeit ihrer Garantieeröffnungen und Engagements Irrévocables derart fest, dass sie durch die gemeinsame Unterfertigung durch zwei hiefür ermächtigte Personen verpflichtet werde. Im vorliegenden Fall verfügte nur der Leiter der für Erstellungen von Engagements Irrévocables zuständigen Exportabteilung der beklagten Partei über eine solche Ermächtigung, während eine zweite Person mit der erforderlichen Ermächtigung an den von der klagenden Partei beanstandeten Vorgängen nicht beteiligt war. Die Abwicklung via "Swift" oder "geschlüsseltes Telex" - beides sind international bankübliche Kommunikationsformen, erstere zum Vertrieb eines belegfreien Datenaustausches zwischen Kreditinstituten - erfolgte über die klagende Partei als sogenannte avisierende oder Avisbank, die dies der jeweils begünstigten Gesellschaft avisierte. Diese übergab sodann die zur Inanspruchnahme eines Engagement Irrévocable notwendigen Dokumente (Rechnung, Konnossement) zur Vorlage bei der beklagten Partei an die klagende Partei, die die Dokumente samt Begleitschreiben an die beklagte Partei sandte. Die klagende Partei erwarb die Forderungen aus den Engagements Irrévocables. Die Beträge für tatsächlich erfolgte Warenlieferungen haften mit den jeweils näher genannten Rechnungsbeträgen aus.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung (EV) durch Drittverbot nur zur Sicherung von Ansprüchen aus sieben Engagements Irrévocables mit einem Gesamtrechnungsbetrag von 35,917.463,59 S, denen tatsächliche Warenlieferungen zu Grunde lagen, und wies den Antrag zur Sicherung von Ansprüchen aus drei weiteren Engagements Irrévocables mit einem Gesamtrechnungsbetrag von 24,082.536,41 S, denen fingierte Warenlieferungen zugrundelagen, sowie auf Erlassung von Drittverboten ab, die sich auf keine konkret bezifferten Forderungen gegen Drittschuldner bezogen. Er machte die Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung vom Erlag einer Sicherheitsleistung von 5 Mio S durch die klagende Partei abhängig. Mit Beschluss vom 30. Oktober 2000 erweiterte das Erstgericht seine einstweilige Verfügung durch Erlassung eines Drittverbots an eine weitere Bank betreffend den auf einem bestimmten Konto erliegenden Guthabensbetrag bis zur Höhe von 8,631.549,22 S.
Das Rekursgericht erstreckte über Rekurs der klagenden Partei mit Beschluss ON 22 die EV auch auf jene Akkreditive, denen fingierte Warenlieferungen zu Grunde lagen, und dehnte das Drittverbot auch auf nicht konkret bezifferte Forderungen aus den in der Klage näher angeführten Kontoverhältnissen mit Drittschuldnern aus, machte jedoch die Wirksamkeit der EV vom Erlag einer weiteren Sicherheitsleistung von 24,082.536,41 S abhängig.
Mit dem ordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei (ON 24) gegen diesen Beschluss, mit dem sich dieser gegen die Auferlegung der Sicherheitsleistung wendete, wurde der Akt am 18. Jänner 2001 dem Obersten Gerichtshof vorgelegt. Am 6. März 2001 (ON 32) langte über das Bundesministerium für Justiz beim Erstgericht ein Zustellschein über die eigenhändige Zustellung folgender Schriftstücke: "Klage, Beschluss vom 21. September 2000, Gleichschrift des Schriftsatzes vom 25. Oktober 2000, Rechtsmittelbelehrung, Auftrag zur (Erstattung der) Klagebeantwortung, Beschluss vom 26. September 2000, eine Ausfertigung von ON 22, jeweils mit Übersetzung sowie Beilagen in teilweiser Übersetzung" an die beklagte Partei am 12. Februar 2001 ein. Nach dem die klagende Partei die Erlassung eines Versäumungsurteils beantragt hatte (ON 34), gab die beklagte Partei mit Schriftsatz vom 18. Mai 2001 die Bevollmächtigung der Beklagtenvertreter bekannt, wies auf einen Zustellmangel - unter Hinweis auf mehrere im Einzelnen angeführte Mängel der in ON 32 dokumentierten Zustellung - hin, und beantragte die neuerliche Zustellung. Danach folgten vom Erstgericht angeordnete Erhebungen und wechselseitige Schriftsätze der Parteien samt Urkundenvorlagen zu diesem Thema. Mit Schriftsatz der beklagten Partei vom 6. Juli 2001 (ON 42) wird ua ein Widerspruch gegen die erstinstanzliche EV und für den Fall, dass aufgrund des Widerspruchs die erstgerichtliche EV nicht zur Gänze aufgehoben bzw. abgewiesen werden sollte (ON 42 S 29), Rekurs an das Oberlandesgericht Wien erhoben. Diese Schriftsätze wurden dem Obersten Gerichtshof (am 18. Jänner 2001) nicht vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2001 (ON 44) erhob die beklagte Partei ua Revisionsrekurs gegen den zweitinstanzlichen Beschluss ON 22. Dieses Rechtsmittel wurde dem Obersten Gerichtshof “im Nachhang" vorgelegt. Der erkennende Senat hatte bereits mit Beschluss vom 26. Juni 2001, 1 Ob 16/01m = ON 48, dem Revisionsrekurs der klagenden Partei, der sich gegen den Erlag der von der zweiten Instanz aufgetragenen weiteren Sicherheitsleistung gewendet hatte, im wesentlichen deshalb nicht Folge gegeben, weil nach österr. Recht der Anspruch der klagenden Partei aus im Einzelnen genannten Erwägungen nicht zu Recht bestehe. Ob er nach dem im Sicherungsverfahren nicht festzustellenden, im Hauptverfahren anzuwendenden ausländischen Recht zu Recht bestehe, sei offen. Der behauptete deliktische Schadenersatzanspruch richte sich zwar nach österr. Recht, sei aber (aus im Einzelnen genannten Erwägungen) unschlüssig. Der Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung nach § 390 EO sei daher unvermeidlich. Nachdem der Akt an das Erstgericht zurückgestellt worden war, langten am 30. Juli 2001 die Rekursbeantwortung ON 52 und die Revisionsrekursbeantwortung ON 53 der klagenden Partei zu den Rechtsmitteln der beklagten Partei ein. Das Oberlandesgericht Wien stellte nach Aktenvorlage betreffend den Rekurs der beklagten Partei ON 42 den Akt dem Erstgericht mit dem Bemerken zurück, dass das Rechtsmittel ausdrücklich für den Fall erhoben worden sei, dass die EV nicht aufgrund des Widerspruchs aufgehoben bzw. abgewiesen werden sollte; es sei daher zuerst über den Widerspruch zu entscheiden. Nach dem Wechsel weiterer Schriftsätze legte das Erstgericht nunmehr den Akt dem Obersten Gerichtshof vor.
Text
Beschluss
gefasst:
Rechtliche Beurteilung
Auszugehen ist davon, dass die beklagte Partei nicht nur den Beschluss zweiter Instanz ON 22, sondern auch die EV des Erstrichters mit Widerspruch und Rekurs angefochten hat. Dem Gegner der gefährdeten Partei steht, auch wenn er nicht einvernommen wurde, das Recht des Rekurses zu; er kann auch Widerspruch und Rekurs erheben. In diesem Fall ist in der Regel zuerst der Rekurs und dann der Widerspruch zu erledigen; dem Gegner der gefährdeten Partei steht aber das Recht zu, dahin zu reihen, dass er - wie hier - in erster Linie Widerspruch und nur für den Fall der Erfolglosigkeit dieses Rechtsbehelfs Rekurs erhebt (Kodek in Angst, EO, § 397 Rz 6 mwN aus der Rsp). Demnach ist im vorliegenden Fall, wie schon in der Note des Oberlandesgerichts Wien richtig dargestellt, zufolge der ausdrücklichen Reihung der beklagten Partei zuerst über deren Widerspruch zu entscheiden. Bevor daher der Oberste Gerichtshof die zweitinstanzliche Entscheidung ON 22 überprüfen kann, muss zuerst eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung, zumal der vom Erstgericht als bescheinigt angenommene Sachverhalt bekämpft wird, vorgenommen werden. Dabei stellt sich auch vorerst die Frage nach der Rechtzeitigkeit der von der beklagten Partei erhobenen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe und damit die Frage, ob die in ON 32 dokumentierte Zustellung dem Gesetz entsprach.
Die Akten sind dem Erstgericht zurückzustellen.
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