OGH 5Ob47/02a

OGH5Ob47/02a26.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flossmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter, in der Rechtssache des Antragstellers Goran M*****, Dienstnehmer, ***** vertreten durch Dr. Romana Aron, Mieter-Interessens-Gemeinschaft Österreichs, Antonsplatz 22, 1100 Wien, wider die Antragsgegnerin Gertrude L*****, Hauseigentümerin, ***** vertreten durch Dr. Raimund Gehart, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. September 2001, GZ 39 R 187/01s-14, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 26. März 2001, GZ 7 Msch 6/01w-10, abgeändert wurde, den Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht stellte mit Sachbeschluss unter anderem fest, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller gegenüber das gesetzlich zulässige Zinsausmaß durch Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von S 3.500 im Zeitraum März 1999 bis Juni 2000 um monatlich S 2.347,60 überschritten habe. Weiters verhielt es die Antragsgegnerin zur Rückzahlung eines Betrages von S 37.561,60 samt Anhang.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin Folge und wies den Antrag auf Feststellung einer Hauptmietzinsüberschreitung ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000 nicht übersteige und dass der Revisionsrekurs zulässig sei, und führte Folgendes aus:

Der am 5. 9. 2000 bei der Schlichtungsstelle eingebrachte Antrag sei erst nach Ablauf der nach § 16 Abs 8 MRG normierten dreijährigen Präklusivfrist gestellt worden und könne daher nicht mehr zu einer Überprüfung der Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung führen. Nach dieser durch das 3.WÄG per 1. 3. 1994 eingeführten Regelung sei die Unwirksamkeit von Mietzinsvereinbarungen - abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall eines befristeten Mietverhältnisses - binnen drei Jahren gerichtlich oder bei der Gemeinde geltend zu machen. Die in Frage stehende Mietzinsvereinbarung sei am 27. 6. 1996 getroffen worden. Der dem Verfahren zugrunde liegende Mietzinsüberprüfungsantrag sei bei der Schlichtungsstelle allerdings erst am 5. 9. 2000, sohin mehr als drei Jahre nach Zustandekommen der Mietzinsvereinbarung eingelangt und daher als verfristet anzusehen. Zwar habe die Antragsgegnerin den Einwand der Verfristung nicht erhoben, doch seien Präklusivfristen - denn um eine solche handle es sich nach gefestigter oberstgerichtlicher Judikatur jedenfalls bei der Frist des § 16 Abs 8 MRG - nach herrschender Ansicht von Amts wegen zu beachten. Die Rechtsprechung stelle auf den Zweck der Fristsetzung und den Willen des Normsetzers ab, der in jedem Fall geprüft werden müsse, um beurteilen zu können, ob auf den Ablauf einer Fallfrist von Amts wegen Bedacht zu nehmen sei oder nicht. Da es das Ziel des Gesetzgebers bei Einführung der gegenständlichen Präklusivfrist gewesen sei, ein uferloses Anwachsen der Beweisprobleme pro futuro zu vermeiden, sei es sachlich gerechtfertigt, den Ablauf der Fallfrist von Amts wegen zu berücksichtigen, und zwar noch im Rechtsmittelverfahren. Es bleibe noch zu prüfen, ob durch die Stellung eines Mietzinsüberprüfungsantrages betreffend frühere Zinsperioden im Vorverfahren der Schlichtungsstelle eine Hemmung der Präklusivfrist eingetreten sei. Dies sei indessen zu verneinen. Mit seinem im dortigen Verfahren gestellten Antrag vom 2. 3. 1999 habe der Antragsteller ausschließlich die Überprüfung begehrt, inwieferne in den Zinsperioden zwischen September 1996 und Februar 1999 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten worden sei, sowie die Schaffung eines Rückzahlungstitels. Im zum Gericht abgezogenen Verfahren sei in diesem Sinne entschieden worden. Die spruchmäßige Feststellung, dass die am 27. 6. 1996 getroffene Mietzinsvereinbarung unwirksam sei, sei dagegen nicht begehrt worden. Ein solches umfassendes Begehren wäre jedoch nach der in MietSlg 51.324 zum Ausdruck kommenden Ansicht des Obersten Gerichtshofes erforderlich gewesen, um die Präklusionsfrist zu hemmen. Eine (analog der Verjährungsregelung des § 27 Abs 3 MRG erfolgende) Hemmung der Präklusionsfrist durch ein anhängiges Vorverfahren über eine ältere Mietzinsperiode finde hingegen nach dieser Entscheidung nicht statt. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG von Amts wegen und auch erst im Rechtsmittelverfahren wahrgenommen werden könne, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege und zur Frage der Hemmung der Präklusivfrist durch ein anhängiges Vorverfahren über eine ältere Mietzinsperiode eine gefestigte Judikatur des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Sachbeschluss aufzuheben, in eventu die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht erstgenannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend, Präklusivfristen seien nicht von Amts wegen zu berücksichtigen; die Frist des § 16 Abs 8 MRG unterliege der Hemmung im Sinne des § 27 Abs 3 MRG.

Hiezu wurde erwogen:

Der Grundsatz, dass Präklusivfristen von Amts wegen wahrzunehmen sind, bedeutet nur, dass es nicht der formellen Erhebung der Einwendung bedarf; die tatsächlichen Voraussetzungen müssen aber bereits im Verfahren erster Instanz behauptet und bewiesen werden bzw aus den Prozessakten klar hervorgehen (RIS-Justiz RS0034551; zuletzt

1 Ob 586/94 = SZ 68/144; 5 Ob 311/98s = MietSlg 50.284 = WoBl

2000/173; 5 Ob 221/98m = MietSlg 50.285 = WoBl 1999/145; Schubert in Rummel, ABGB2 § 1451 Rz 5; Mader in Schwimann, ABGB2 § 1451 Rz 9). Letzteres trifft im vorliegenden Fall - einer Präklusion gemäß § 16 Abs 8 MRG - zu: Gegenstand des Verfahrens ist die am 5. 9. 2000 bei der Schlichtungsstelle geltend gemachte Unwirksamkeit einer am 27. 6. 1996 (somit mehr als drei Jahre vorher) getroffenen Mietzinsvereinbarung.

Auch die Bedachtnahme auf den Normzweck führt zu keinem anderen Ergebnis: Dieser liegt darin, den Beweisproblemen auszuweichen, die sich bei einer Mietzinsüberprüfung lange nach dem Abschluss der Mietzinsvereinbarung stellen; der erkennende Senat hat es daher aus Gründen der Rechtssicherheit abgelehnt, die Frist des § 16 Abs 8 MRG zur Parteiendisposition - durch Vorausverzicht - zu stellen (5 Ob 172/99a = MietSlg 51.323 = WoBl 2000/15). Diese Erwägungen sprechen eher dafür, keine formelle Einwendung der vom Gesetzgeber im § 16 Abs 8 MRG angeordneten Präklusion zu verlangen, sondern einen aktenkundigen Präklusionseintritt von Amts wegen wahrzunehmen, wie es das Rekursgericht getan hat. Eine Gesetzeslücke, die durch analoge Anwendung des § 1501 ABGB zu schließen wäre, liegt nicht vor. Die weitere Rechtsansicht des Rekursgerichts, eine (analog der Verjährungsregelung des § 27 Abs 3 MRG erfolgende) Hemmung der Präklusionsfrist durch ein anhängiges Vorverfahren über eine ältere Mietzinsperiode finde nicht statt, ist durch die Rechtsprechung des erkennenden Senates, von der abzugehen kein Anlass besteht, gedeckt (5 Ob 170/99g = MietSlg 51.324 = WoBl 2000/79; 5 Ob 85/01p; 5 Ob 197/01h; RIS-Justiz RS0112329).

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG.

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