Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Die Eltern der beiden Kinder sind Ehegatten. Sie leben derzeit getrennt. Ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Die Kinder leben bei der Mutter in der ehelichen Wohnung. Sowohl der Vater als auch die Mutter beantragten die Übertragung der alleinigen Obsorge für beide Kinder.
Das Erstgericht übertrug der Mutter aufgrund deren Antrags die vorläufige Obsorge über beide Kinder.
Das Rekursgericht wies diesen Antrag ab und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist unzulässig.
1. Der Oberste Gerichtshof führte in der Entscheidung 1 Ob 265/00b (= EFSlg 93.070 [Teilveröffentlichung]) auf dem Boden der ständigen Rechtsprechung aus, das Gericht dürfe nur dann, wenn besondere Umstände im Interesse des Kindes eine sofortige Entscheidung erforderten, vorläufige Obsorgemaßnahmen anordnen. Die Voraussetzung solcher Provisorialmaßnahmen bis zur endgültigen Entscheidung nach § 176 ABGB sei jedoch eine akute Gefährdung des Kindeswohls. Demnach müsse die Belassung eines Kindes in der bisherigen Umgebung das Kindeswohl in einer Weise konkret gefährden, dass Sofortmaßnahmen durch eine Änderung des bestehenden Zustands dringend geboten erschienen, oder es müsse die Gefahr seiner Verbringung ins Ausland bestehen, wodurch unabänderlich eine nachteilige Erziehungssituation geschaffen würde. Ein bestimmtes Verhalten der Eltern oder eines Elternteils, das als objektive Nichterfüllung oder Vernachlässigung elterlicher Pflichten anzusehen sei, müsse eine Beeinträchtigung des Kindeswohls befürchten lassen. In Ermangelung der Voraussetzungen für eine vorläufige Maßnahme bedeute deren gleichwohl erfolgte Anordnung eine Verletzung des Kindeswohls. Ohne zwingende Notwendigkeit dürfe der endgültigen Entscheidung nicht vorgegriffen werden.
2. Die Mutter wirft dem Rekursgericht vor, die soeben referierte Entscheidung "schlicht und einfach unvollständig zitiert" zu haben und "dadurch zur unrichtigen rechtlichen Beurteilung gelangt" zu sein. Das ist unzutreffend. Das Rekursgericht betonte jedoch, dass das "festgestellte inadäquate Verhalten des Vaters durch eine vorläufige Obsorgeregelung nicht verhindert werden" könne. Es bestehe nach der Aktenlage ferner kein Anhaltspunkt dafür, dass "der Vater die Kinder vor einer endgültigen Obsorgeentscheidung aus der faktischen Pflege und Erziehung der Mutter verbringen" wolle. Die Mutter tritt diesen Wertungen im Kern nicht entgegen. Sie ist lediglich der Ansicht, nach einer vorläufigen Obsorgeregelung "sehr wohl" verhindern zu können, dass "der Antragsgegner die Kinder gegen deren Willen von der Schule" abhole. Dabei wird verkannt, dass die Ausführungen des Rekursgerichts nicht auf die Rechtsbefugnisse der Mutter im Falle der Erlassung der beantragten Provisorialmaßnahme, sondern auf die faktischen Einwirkungsmöglichkeiten des Vaters trotz einer solchen Maßnahme abstellen.
3. Nach allen bisherigen Erwägungen ist nicht erkennbar, dass dem Rekursgericht bei Anwendung der Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf die besonderen Umstände dieses Einzelfalls eine gravierende Fehlbeurteilung als Voraussetzung der Zulässigkeit des erhobenen Rechtsmittels unterlief. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
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