Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der erstgerichtliche Beschluss über die Zurückweisung der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit wiederhergestellt.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.435,02 EURO (darin 769,17 EURO Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Zuständigkeitsstreits aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung
Die beklagte Partei betreibt einen Möbelhandel mit der Hauptniederlassung in Wels. In Völs hat sie eine Zweigniederlassung. Sie betreibt dort auf einer von der klagenden Partei "in Bestand genommenen" Grundfläche einen "Möbelix"-Fachmarkt. Das Gebäude und die sonstigen baulichen Anlagen wurden von der beklagten Partei errichtet. Mit Bescheid vom 6. 4. 2000 wurde ihr die behördliche Benützungsbewilligung erteilt.
Die klagende Partei begehrt den Zuspruch von 43.603,70 EURO sA (= 600.000 S sA). Sie brachte vor, nach den Vereinbarungen der Streitteile habe die beklagte Partei die "Oberflächenwässer ... während der Bauphase in den Privatkanal der klagenden Partei" einleiten dürfen. Die beklagte Partei habe sich jedoch vertraglich verpflichtet, "nach Vorliegen des Endausbaus für die Ableitung der Regenwässer von Dachflächen und der Abwässer von den befestigten Freiflächen" ihres Fachmarkts "Staukanäle oder Retentionsbecken mit einem Stauvolumen von 70m3/ha" zu errichten und "eventuelle wasserrechtliche Genehmigungen selbst" zu erwirken. Dieser Pflicht habe die beklagte Partei trotz mehrmaliger Mahnung nicht entsprochen und die Errichtung eines Retentionsbeckens abgelehnt. Die klagende Partei werde das Staubecken im Wege der Ersatzvornahme errichten. Das erfordere einen Kostenaufwand von 43.603,70 EURO (= 600.000 S). Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gründe sich auf § 87 JN, beziehe sich doch der Klageanspruch auf die Zweigniederlassung der beklagten Partei.
Die beklagte Partei wendete u.a. die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein. Sie brachte vor, sie habe ihren Sitz in Wels und habe mit der klagenden Partei keine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen. Der eingeklagte Anspruch stehe nicht im Zusammenhang mit dem von ihr betriebenen "Möbelix"-Fachmarkt. Die Oberflächenwässer würden weder durch den Fachmarkt verursacht, noch hätten "sie überhaupt mit einem kaufmännischen Unternehmen etwas zu tun", weil auf der Bestandfläche abzuleitende Oberflächenwässer auch ohne Ausübung einer geschäftlichen Tätigkeit anfielen. Es mangle also an einer Beziehung des Klageanspruchs zum Geschäftsbetrieb der beklagten Partei. Demnach betreffe auch die Vereinbarung, auf die der Klageanspruch gestützt werde, nicht die Geschäftstätigkeit im Rahmen der Zweigniederlassung.
Das Erstgericht schränkte die Verhandlung auf die Klärung der Zuständigkeitsfrage ein und wies die erhobene Einrede zurück. Nach dessen Ansicht muss sich der Klageanspruch bei Inanspruchnahme des Wahlgerichtsstands gemäß § 87 Abs 2 JN auf den engeren Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung beziehen. Der Streitgegenstand müsse eine "Folge dieses Betriebs" sein. Der geltend gemachte vertragliche Anspruch auf Errichtung eines Retentionsbeckens für die Dach- und Oberflächenwässer der Zweigniederlassung sei eine Folge deren engeren Geschäftsbetriebs. Somit sei aber die Unzuständigkeitseinrede zurückzuweisen.
Das Rekursgericht sprach die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichts aus und wies die Klage zurück. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es nicht zu. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, der Klageanspruch stehe mit dem "(engeren) Geschäftsbetrieb" der Zweigniederlassung der beklagten Partei nicht in einem "ursächlichen wirtschaftlichen Zusammenhang", müsste er sich doch andernfalls "als Folge dieses Betriebs darstellen". Nach dem Klagevorbringen sei "mit Grund" anzunehmen, dass die beklagte Partei auf der Bestandfläche den Betrieb eines "Möbelix"-Fachmarkts beabsichtige. Es sei jedoch nicht erkennbar, dass deren behauptete Verpflichtung vom Betrieb eines Fachmarkts abhänge. Es stehe vielmehr im Belieben der beklagten Partei, am Ort der Zweigniederlassung "einen Geschäftsbetrieb zu unterhalten oder auch nicht". Sie wäre zur Errichtung des Retentionsbeckens auch ohne eine Geschäftstätigkeit verpflichtet. Aber selbst wenn die beklagte Partei nach den getroffenen Vereinbarungen einen Möbelfachmarkt am Ort ihrer Zweigniederlassung betreiben müsste, könne sich die klagende Partei nicht mit Erfolg auf den in Anspruch genommenen Wahlgerichtsstand berufen, weil der Klageanspruch auch dann noch keine "Folge dieses Betriebs" sei. Die "Entsorgung von Dach- und sonstigem Oberflächenwasser" betreffe nach der allgemeinen Lebenserfahrung "ganz allgemein die wirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks mit darauf errichtetem Gebäude ..., nicht aber den darin ausgeübten Betrieb". Es fehle an Anhaltspunkten dafür, dass die beklagte Partei "in dem Gebäude 'Möbelix'-Fachmarkt einen Betrieb zu unterhalten" beabsichtige oder unterhalte, der sich "mit der Entsorgung von Oberflächenwasser bzw der Errichtung von Staukanälen oder Retentionsbecken" befasse. Der Geschäftsbetrieb der beklagten Partei bewirke wohl einen faktischen Zusammenhang "zwischen dem Entsorgen von dort anfallenden Oberflächenwässern und der Nutzung der Liegenschaft", es fehle jedoch an einem ursächlichen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem engeren Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil der Entscheidung eine "einheitliche Judikatur des Obersten Gerichtshofs" zugrunde liege.
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach der - im Schrifttum (Mayr in Rechberger, ZPO2 § 87 Rz 6; Neumann, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen I4 [1927] 210; Pollak, System des österreichischen Zivilprozessrechtes2 [1932] 313; Schenk in Straube, HGB I2 § 13 Rz 8; Simotta in Fasching 2 § 87 JN Rz 33) gebilligten - ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs setzt der Gerichtsstand der Zweigniederlassung gemäß § 87 Abs 2 JN voraus, dass der Klageanspruch in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung steht (7 Ob 2166/96x; 2 Ob 67/86; SZ 38/18 = EvBl 1965/289; SZ 27/98) und eine Folge dieses Betriebs ist (SZ 27/98; Neumann aaO). Im Schrifttum wird im Übrigen die - vom Rekursgericht übernommene - Ansicht vertreten, der Klageanspruch müsse sich "auf den engeren Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung beziehen" (Mayr aaO; Simotta aaO). Mayr stützt sich dafür auf die Entscheidung EvBl 1972/335, die einen solchen Rechtssatz nicht enthält. Diese Meinung ist auch in den von Simotta zitierten Quellen nicht nachweisbar. So muss etwa nach der Entscheidung GlUNF 1168 die Zweigniederlassung nur "objektiv genommen, die Quelle oder Entstehungsursache von rechtlichen Beziehungen" sein, "die zwischen dem Eigentümer der Unternehmung und anderen Personen entstehen". Nach Horten (Jurisdictionsnorm [1898] 285) muss die auf das "Forum der Niederlassung" bezogene "Zweckbeziehung" nur "irgendwie direkt im Vertragsschluss zum Ausdruck gelangt sein". Pollak (aaO 314) genügt für die Verwirklichung des Tatbestands des § 87 JN ein "loser Zusammenhang zwischen Anspruch und Niederlassung".
Die Auffassung, der Klageanspruch müsse sich "auf den engeren Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung beziehen", ist - im Sinne der Ausführungen des Rekursgerichts - wohl so zu deuten, dass nur Ansprüche, die unmittelbar den Kern des Betriebsgegenstands der Zweigniederlassung betreffen, beim Wahlgerichtsstand nach § 87 Abs 2 JN einklagbar seien. Das ist abzulehnen, weil eine derart einschränkende Auslegung des Wortlauts des § 87 Abs 2 JN nicht dem schon in der älteren Rechtsprechung und im älteren Schrifttum verdeutlichten Regelungszweck entspricht, die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Zweigniederlassung stehenden Ansprüche bei dem für diese zuständigen Forum geltend machen zu können.
2. Im Lichte der soeben erläuterten Rechtslage bezieht sich der eingeklagte Anspruch auf die Zweigniederlassung der beklagten Partei. Damit ist aber der Tatbestand des § 87 Abs 2 JN verwirklicht, soll doch die beklagte Partei nach den Klagebehauptungen die vertragliche Verpflichtung übernommen haben, "nach Vorliegen des Endausbaus für die Ableitung der Regenwässer von Dachflächen und der Abwässer von den befestigten Freiflächen" ihres Fachmarkts "Staukanäle oder Retentionsbecken mit einem Stauvolumen von 70m3/ha" zu errichten. Diese Vertragspflicht steht in einem eindeutigen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der geschäftlichen Tätigkeit der beklagten Partei im Rahmen der Errichtung und des Betriebs ihrer Zweigniederlassung. Die Ansicht des Berufungsgerichts und der beklagten Partei, ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang sei zu verneinen, weil die beklagte Partei die behauptete Vertragspflicht auch dann erfüllen müsse, wenn sie am Ort der Zweigniederlassung keine Geschäftstätigkeit entfalte, ist unzutreffend. Es steht außer Streit, dass die beklagte Partei in Völs tatsächlich eine Zweigniederlassung unterhält und sich das den Klagegrund bildende Rechtsgeschäft gerade auf diese bezieht. Das Gebäude für einen solchen Fachmarkt wurde samt den weiteren baulichen Anlagen errichtet. Der Fachmarkt wird am Ort der Zweigniederlassung der beklagten Partei auch betrieben. Die dem Klageanspruch zugrunde liegende Vereinbarung betrifft gerade jenes Gebäude und die sonstigen Anlagen, die der geschäftlichen Tätigkeit der beklagten Partei dienen. Vor dem Hintergrund solcher Erwägungen kann der wirtschaftliche Zusammenhang des Klagegrunds mit dem Betrieb der Zweigniederlassung der beklagten Partei nicht verneint werden. Dagegen lässt sich - entgegen der schon in erster Instanz vertretenen Ansicht der beklagten Partei - nicht erfolgreich ins Treffen führen, die Oberflächenwässer würden weder durch den Fachmarkt verursacht, noch hätten sie "überhaupt mit einem kaufmännischen Unternehmen etwas zu tun", weil abzuleitendes Wasser auf der Bestandfläche auch ohne eine geschäftliche Tätigkeit der beklagten Partei anfiele. Soweit nämlich die beklagte Partei die behauptete vertragliche Verpflichtung im Rahmen ihrer der Errichtung und dem Betrieb einer Zweigniederlassung dienenden Geschäftstätigkeit übernahm, um damit erst die Voraussetzungen für den ordnungsgemäßen Betrieb eines Fachmarkts durch die Errichtung von Anlagen für die Entsorgung von Oberflächenwässern, die auf der Betriebsliegenschaft anfallen, zu schaffen, ist der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dieser Maßnahme und der Geschäftstätigkeit der beklagten Partei am Ort der Zweigniederlassung ex contractu hergestellt. Auch wenn die beklagte Partei in Völs eine Geschäftstätigkeit noch nicht oder (vorübergehend) nicht mehr entfalten sollte, könnte das jedenfalls solange nichts am wirtschaftlichen Zusammenhang des Klageanspruchs mit der Zweigniederlassung ändern, als diese weiterhin besteht, weil die Erfüllung der behaupteten Vereinbarung der beklagten Partei offenkundig eine auch vom Entsorgungsgesichtspunkt her ordnungsgemäße geschäftliche Tätigkeit im Rahmen einer Zweigniederlassung ermöglichen soll.
Die beklagte Partei verficht in der Revisionsrekursbeantwortung überdies den Standpunkt, aus den für die Klärung der Zuständigkeitsfrage maßgebenden Klagebehauptungen sei bloß ableitbar, dass sie die geltend gemachte Vertragspflicht ohne jeden Zusammenhang mit einer auf der Bestandfläche beabsichtigten geschäftlichen Tätigkeit übernommen habe. Das ist nach den bereits ausgeführten Gründen unzutreffend.
3. Gemäß § 526 Abs 2 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit eines (Revisions-)Rekurses an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden. Aus allen bisherigen Erwägungen folgt, dass das Rekursgericht das Bestehen des von der klagenden Partei in Anspruch genommenen Wahlgerichtsstands in Verkennung der Rechtslage unzutreffend verneinte. Dadurch wurde eine für die Entscheidung präjudizielle erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO aufgeworfen, deren Lösung im Anlassfall zur Korrektur des angefochtenen Beschlusses durch die Wiederherstellung der zutreffenden erstgerichtlichen Entscheidung führt.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 2 ZPO. Die klagende Partei hat Anspruch auf Ersatz der Kosten des selbständigen Zwischenstreits über die Unzuständigkeitseinrede ihrer Prozessgegnerin. Das Erstgericht schränkte die Verhandlung auf die Zuständigkeitsfrage ein, sodass der klagenden Partei auch die Kosten der Tagsatzung vom 30. 8. 2001, in der nur über den Zuständigkeitsstreit verhandelt wurde, zu ersetzen sind.
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