OGH 5Ob205/01k

OGH5Ob205/01k29.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers Hali Osman C*****, vertreten durch Mag. Nadja Horvath, Mietervereinigung Österreichs, Obere Donaustraße 97-99/7/4, 1020 Wien, wider die Antragsgegner 1. Dr. Georg Christian A*****, 2. Dr. Anton P*****, 3. Marianne K*****, und 4. Liselotte K*****, alle vertreten durch Dr. Georg Christian Auteried, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. April 2001, GZ 40 R 111/01x-7, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 20. Dezember 2000, GZ 7 Msch 59/00k-3, aufgehoben wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Antragsgegner wird nicht Folge gegeben. Die Barauslagen der Revisionsrekursbeantwortung sind weitere Barauslagen des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Mieter der Wohnung top Nr 9 im Haus ***** in*****. Das Mietverhältnis begann am 15. Mai 1993. Die Wohnung ist 28,43 m2 groß, die Voraussetzungen für die Einstufung in die Ausstattungskategorie D liegen vor. Das WC befindet sich nicht im Wohnungsverband.

Dem Antragsteller wurde im Zeitraum 10/96 bis 6/98 ein Hauptmietzins von S 1.530 vorgeschrieben, für den Zeitraum 7/98 bis 4/99 S 356,50 und von 5/99 bis 5/00 S 1.530 monatlich.

Der Erstantragsgegner war bis Oktober 1997 Alleineigentümer der Liegenschaft, danach erwarben die Zweit- bis Viertantragsgegner Miteigentumsanteile der Liegenschaft.

Mit Antrag vom 30. 10. 1997 an die zuständige Schlichtungsstelle (MA 16 - 2/4/1998/9382) begehrte der Antragsteller, festzustellen, dass die von ihm gemietete Wohnung in die Kategorie D einzuordnen sei und gleichzeitig eine Überprüfung der Mietzinsvorschreibungen für die Zinsperioden 1/94 bis 10/97. Dieser Antrag war bloß gegen den Erstantragsgegner gerichtet. Mit Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 6. 8. 1998 wurden sämtliche Anträge mit der Begründung abgewiesen, der Überprüfungsanspruch des Mieters sei infolge § 16 Abs 8 MRG präkludiert. Im Zeitpunkt der Antragstellung sei die dreijährige Präklusionsfrist abgelaufen.

Mit seinem neuerlichen, nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag vom 29. 10. 1999, nunmehr gegen den Mehrheitseigentümer und gegen die Minderheitseigentümer, die ab Mai 1998 Miteigentumsanteile erwarben, gerichteten Antrag begehrt der Antragsteller neuerlich die Feststellung, dass seine Wohnung in die Ausstattungskategorie D einzuordnen sei sowie die Überprüfung der Hauptmietzinsvorschreibungen für die Zinsperioden 10/96 bis 5/00. Zufolge der durch Art II Z 11 der WRN 1999 neu geschaffenen Bestimmung des § 44 MRG gelte die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 zweiter bis vierter Satz MRG nicht für Mietzinsvereinbarungen, die wie im gegenständlichen Fall, vor dem 1. März 1994 abgeschlossen worden seien.

Die Antragsgegner wendeten im Wesentlichen ein, durch § 16 Abs 8 MRG sei die Überprüfung von Mietzinsvereinbarungen nach Ablauf von drei Jahren präkludiert. Außerdem liege "entschiedene Sache" vor. Über das Begehren des Antragstellers sei bereits rechtskräftig entschieden worden.

Das Erstgericht wies den gesamten verfahrenseinleitenden Antrag des Antragstellers zurück. Rechnerisch ergäbe sich für die gegenständliche Wohnung für den Zeitraum 10/96 bis 4/98 ein Kategoriemietzins von S 8,20 pro Quadratmeter monatlich und für den Zeitraum 5/98 bis 5/00 ein Mietzins von 8,60 S pro Quadratmeter monatlich. Demnach betrage der zulässige Mietzins S 233 bzw S 244,50. Der neuerlichen Entscheidung über das Feststellungs- und Überschreitungsbegehren stehe jedoch das Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegen. Es sei nämlich eine abweisliche Entscheidung über ein in die Zukunft gerichtetes Feststellungsbegehren, die Einordnung der Wohnung in die Kategorie betreffend, in Rechtskraft erwachsen. Eine neuerliche Überprüfung sei damit nicht zulässig.

Einem vom Antragsteller dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den angefochtenen Beschluss betreffend die Zinsperioden 11/97 bis 5/00 auf, trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über das diesbezügliche Begehren unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf und gab im Übrigen dem Rekurs (hinsichtlich der Zurückweisung des darüber hinausgehenden Antrags und des Begehrens auf Feststellung der Kategorie D) nicht Folge.

Für die Zinsperioden 10/96 bis 10/97 und die begehrte Einordnung der Wohnung in die Ausstattungskategorie D liege tatsächlich entschiedene Sache vor. Auch wenn im Vorverfahren nur der Erstantragsgegner beteiligt gewesen sei, so seien doch Zweit- bis Viertantragsgegner an die materielle Rechtskraft einer Entscheidung über die Einordnung der Wohnung in eine bestimmte Kategorie gebunden.

Dem Rekurs sei daher bloß hinsichtlich des Antrags auf Überprüfung der Zinsvorschreibungen 11/97 bis 5/00 Folge zu geben und dem Erstgericht hinsichtlich dieser Zinsperioden die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Eine Präklusion des diesbezüglichen Antrags (Antragstellung 29. 9. 1999 und Antragsausdehnung am 13. 6. 2000) sei zufolge § 44 MRG idF der WRN 1999 und § 49c Abs 8 MRG idF der WRN 2000 nicht gegeben.

Das Rekursgericht sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige S 52.000, nicht aber S 260.000 und der Revisionsrekurs sei zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu vorliege, wie die Frage zu beurteilen sei, inwieweit einer inhaltlichen Entscheidung über einen im Geltungsbereich des § 44 MRG idF der WRN 1999 gestellten Antrag nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG eine bereits rechtskräftige, einen identen Antrag nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der WRN 1999 wegen Präklusion nach § 16 Abs 8 MRG abweisende Entscheidung entgegenstehe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, in eventu auf Aufhebung und Zurückverweisung an das Gericht erster Instanz. Der Antragsteller beantragte, den Revisionsrekurs der Antragsgegner zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben, in eventu die Rechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig.

Er ist jedoch nicht berechtigt.

Zum Verständnis der nachfolgenden Ausführungen bedarf es einer Darstellung der komplexen Rechtsänderungen zur Präklusion von Mietzinsüberprüfungsanträgen bei sogenannten Altverträgen, also solchen, die vor Inkrafttreten des 3. WÄG (vor 1. 3. 1994) abgeschlossen wurden.

Die mit dem 3. WÄG eingeführten Präklusionsbestimmungen des § 16 Abs 8, zweiter bis vierter Satz und § 26 Abs 3 zweiter und dritter Satz MRG wurden von der Rechtsprechung auch auf Mietzinsvereinbarungen vor dem 1. 3. 1994 angewendet, wobei die dreijährige Präklusivfrist diesfalls mit 1. 3. 1994 zu laufen begann und am 1. 3. 1997 endete (vgl 5 Ob 147/98y; RIS-Justiz RS0109837). Durch die WRN 1999 wurde § 44 MRG neu eingefügt, wonach § 16 Abs 8 zweiter bis vierter Satz und § 26 Abs 3 zweiter und dritter Satz MRG nicht für Mietzinsvereinbarungen gilt, die vor dem 1. März 1994 geschlossen wurden. Der Gesetzgeber brachte damit zum Ausdruck, dass diese Änderung den "seinerzeitigen Intentionen des Gesetzgebers des 3. Wohnrechtsänderungsgesetzes entspreche". Entgegen allgemeinen Grundsätzen sei diese Regelung auch auf Verfahren über die Zulässigkeit des Mietzinses anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch anhängig seien. Welche Wirkung diese Regelung für Mietverhältnisse habe, bei denen ein solches Überprüfungsverfahren unter Annahme einer Präklusion bereits rechtskräftig abgeschlossen sei, hänge vom Umfang der erfolgten Mietzinsüberprüfung und vom Spruch der rechtskräftig gewordenen Entscheidung ab (AB zu Art II Z 11 [§ 44 MRG]). Für am 1. 9. 1999 rechtskräftig beendete Verfahren kommt es demnach auf den Spruch der Entscheidung an: Wurde nur der Antrag auf Prüfung des Mietzinses zu einem bestimmten (in der Vergangenheit liegenden) Zinstermin zurückgewiesen, kann der Antrag auf Mietzinsüberprüfung für vor dem 1. 3.1994 geschlossene Vereinbarungen hinsichtlich anderer Zinstermine neuerlich gestellt werden. Entscheidungen über die Gültigkeit der Mietzinsvereinbarung an sich oder über die Höhe des Mietzinses ohne Bezug auf einen bestimmten Zinstermin (worunter auch Abweisungen oder Zurückweisungen von Mietzinsüberprüfungsbegehren wegen angenommener Präklusion zu subsumieren sind) sollen demnach weiter wirken (WoBl 2001/111 mit Anmerkung Vonkilch; Würth/Zingher, WohnR 99 Anm 2 zu § 44 MRG).

Durch Art 2 Z 3 der WRN 2000 wurde § 44 idF der WRN 1999 aufgehoben. In § 49c Abs 8 MRG idF der WRN 2000 wurde allerdings normiert: § 44 MRG idF der WRN 1999 ist auf Verfahren über die Unwirksamkeit von Mietzinsvereinbarungen, die vor dem 1. Juli 2000 bei Gericht (bei der Gemeinde) anhängig gemacht worden sind, weiter anzuwenden. Das gegenständliche Verfahren wurde durch Antrag vom 29. 10. 1999 eingeleitet, somit im Geltungsbereich des § 44 MRG idF der WRN 1999. Die Zurückweisung der Anträge, die Zinsperioden vor 11/97 und die selbstständige Feststellung der Kategoriezugehörigkeit betreffen, blieb vom Antragsteller unbekämpft. Es stellt sich daher nur mehr die vom Rekursgericht zwar aufgeworfene, im Ergebnis aber nicht argumentativ behandelte Frage, ob eine Bindungswirkung insoweit gegeben ist, als durch Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 6. 8. 1998 der Antrag auf Feststellung, dass die Wohnung des Antragstellers in die Ausstattungskategorie D einzuordnen sei, abgewiesen wurde. Ganz unbestritten ist nämlich, dass die in einem Vorverfahren als Hauptfrage getroffene Entscheidung in einem weiteren Verfahren zwischen denselben Parteien auf Grund ihrer materiellen Rechtskraft Bindungswirkung erzeugt, wenn der als Hauptfrage entschiedene Anspruch nunmehr eine Vorfrage des neuen Verfahrens bildet (RIS-Justiz RS0041251; Rechberger2 Rz 9 zu § 411 mwN). Entscheidungen über Sachanträge, die sich auf unterschiedliche Zinsperioden erstrecken, würden nämlich hinsichtlich der Vorfragen keine bindende Wirkung für nachfolgende Verfahren über dieselben Vorfragen ergeben. Die Entscheidung über einen zulässigen Hauptantrag betreffend die maßgebende Ausstattungskategorie entfaltet grundsätzlich Bindungswirkung für nachfolgende Verfahren (6 Ob 59/99s ua). Zur Frage der Bindungswirkung einer rechtskräftigen Entscheidung über einen Mietzinsüberprüfungsantrag vor Inkrafttreten der WRN 1999, der zufolge Versäumung der Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG abgewiesen wurde, hat der erkennende Senat bereits in WoBl 2001/111 (mit Anm Vonkilch) Stellung genommen und folgend Würth in Würth/Zingher (WohnR 99, Rz 2 zu § 44; Stabentheiner in WoBl 1999, 298 und teilweise Vonkilch in WoBl 2000, 13 [18 ff]) und der vom Gesetzgeber im AB zu Art II Z 11 der WRN 1999 (vgl Würth/Zingher WohnR 99, 120) getroffenen Äußerungen die Problemstellung folgendermaßen präzisiert:

Wurde nur ein Antrag auf Prüfung des Mietzinses zu einem bestimmten in der Vergangenheit liegenden Zinstermin zurück- oder abgewiesen, kann der Antrag auf Überprüfung einer vor dem 1. 3. 1994 geschlossenen Mietzinsvereinbarung für andere Zinstermine neuerlich gestellt werden. Entscheidungen über die Gültigkeit der Mietzinsvereinbarung an sich oder über die Höhe des Mietzinses ohne Bezug auf einen bestimmten Zinstermin (worunter auch Ab- oder Zurückweisungen von Mietzinsüberprüfungsbegehren wegen angenommener Präklusion zu subsumieren sind) wirken hingegen weiter. Im dortigen Verfahren war ein allgemeines Begehren auf "Überprüfung" des Hauptmietzinses mit der Begründung des Eintritts der Präklusion abgewiesen worden. Daraufhin wurde erkannt, dass diese rechtskräftige Entscheidung dahin binde, dass der Antrag auf Überprüfung der Mietzinsvereinbarung an sich und nicht nur hinsichtlich bestimmter Zinsperioden präkludiert sei. Es könne daher keine neuerliche Überprüfung des Mietzines verlangt werden. Die ehemals vielleicht unwirksame Mietzinsvereinbarung sei saniert.

Im vorliegenden Fall wurde ein Begehren, "dass die Wohnung in Kategorie D einzuordnen sei" (neben einem Überschreitungsbegehren für bestimmte Zeiträume) wegen Präklusion abgewiesen. Damit wurde im Sinn der eben zitierten Entscheidung aber nicht bindend ausgesprochen, dass ein Anspruch auf Überprüfung der dem gegenständlichen Mietzinverhältnis zugrundeliegenden Mietzinsvereinbarung an sich präkludiert sei. Allerdings wurde mit Bindungswirkung für das gegenständliche Verfahren die Vorfrage gelöst, dass die Wohnung des Antragstellers rechtlich nicht in Kategorie D einzuordnen ist. Die Rechtskraft dieser Entscheidung hindert die neuerliche Geltendmachung des aufgrund der Rechtslage damals verneinten Anspruches, soweit sie nur auf Änderungen der Rechtslage nach diesem Zeitpunkt gestützt wird. Die Änderung der Rechtslage kann wohl einen neuen Anspruch vom Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit gewähren, erfasst aber niemals die vor ihrer Wirksamkeit liegenden Zeitabschnitte und die diese betreffenden Entscheidungen. Nur wenn das Gesetz ausdrücklich eine Rückwirkung der Rechtsänderung verfügt und außerdem ausdrücklich ausspricht, dass die Rechtskraft der aufgrund der alten Rechtslage ergangenen Entscheidungen kein Hindernis für die Geltendmachung der Ansprüche aus dem geänderten Gesetz bildet, schützt die Rechtskraft nicht vor derartigen Ansprüchen (vgl Fasching III, 726; Stabentheiner in WoBl 1999, 285 [298]; aA Vonkilch in WoBl 2000, 13 [18 f]). Im Ergebnis zutreffend gelangte daher das Rekursgericht zu einer Aufhebung der Zurückweisung des Überprüfungsbegehrens für den Zeitraum 11/97 bis 5/00. Das Überprüfungsbegehren des Antragstellers ist für diesen Zeitraum zwar nicht präkludiert (§ 44 MRG idF der WRN 1999 und § 49c Abs 8 MRG idF der WRN 2000), doch ist der Antragsteller an die rechtskräftige Verneinung der Anwendbarkeit der Ausstattungskategorie D gebunden, wobei ihm allerdings frei steht, andere Unwirksamkeitsgründe geltend zu machen, etwa jenen, dass die Zinsvereinbarung mit ihm die Höhe des für die Ausstattungskategorie C zulässigen Hauptmietzinses jedenfalls nicht überschreiten durfte. Dem Revisionsrekurs war somit der Erfolg zu versagen.

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