Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges abgewiesen wird.
Die Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit 12.178,56 S bestimmten Kosten des Verfahrens über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges aller drei Instanzen (darin 2.029,76 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin (Österreichische Bundesbahnen [§ 1 BBG BGBl 1992/825]) begehrt von der beklagten Republik Österreich 73.958,96 S sA mit der Behauptung, gemäß Punkt 10 des von den Streitteilen geschlossenen Übereinkommens vom 18./28. 12. 1961, aufgrund dessen sie der Zollverwaltung Räumlichkeiten in verschiedenen Kärntner Bahnhöfen zur Verfügung gestellt habe, habe ihr die Zollverwaltung, deren Rechtsträger die Beklagte sei, ua die Kosten der Beheizung zu ersetzen. Aus den Heizperioden 1997/1998 und 1998/1999 hafteten insgesamt noch Restbeträge in der Höhe der Klageforderung aus. Die Beklagte erhob (ua) die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs. Nach den zollrechtlichen Vorschriften sei die Klägerin seit 1955 verpflichtet gewesen, Räume für die Zollorgane beizustellen; die Kosten für die Reinigung, Beheizung und Beleuchtung der Räume seien auf Antrag des zur Beistellung von Räumen Verpflichteten von der Zollverwaltung zu ersetzen. Werde zwischen dem Verpflichteten und der Zollbehörde keine Einigung erzielt, so habe der Bundesminister für Finanzen über den Kostenersatz mit Bescheid abzusprechen (derzeit § 13 Abs 2 Zollrechts-DurchführungsG BGBl 1994/659 [ZollR-DG]). Da die nunmehrige Klägerin vor ihrer Ausgliederung mit BBG 1992 kein eigener Rechtsträger mit Rechtspersönlichkeit, sondern Teil der Beklagten gewesen sei, seien die Verrechnungen haushaltsrechtlich abgewickelt worden. Das Verwaltungsübereinkommen zwischen dem Bundesministerium für Finanzen und dem seinerzeitigen Bundesminister für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom 18./28. 12. 1961 enthalte keine privatrechtlichen Regelungen, sondern sei Ausfluss der im ZollG 1955 festgelegten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen gewesen. Da die Heizkostenbeträge strittig seien, hätte die Klägerin den Verwaltungsweg gemäß § 13 Abs 2 ZollR-DG zu beschreiten gehabt. Die Klägerin erwiderte hierauf, dass im vorliegenden Fall im Hinblick auf das erwähnte Übereinkommen eine Einigung vorliege. Mit der Klage auf Ersatz der Heizkosten werde somit ein zivilrechtlicher Anspruch, der sich aus diesem Übereinkommen, das als Bestandvertrag zu werten sei, ableite, geltend gemacht. Eine gesetzliche Bestimmung, wonach bei Streitigkeiten über die Zahlung von Heizkosten im Zweifel der Bestandnehmer selbst, nämlich das Bundesministerium für Finanzen, zu entscheiden habe, verstoße gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gleichheit, der Gewaltentrennung, des Rechts auf den gesetzlichen Richter und gegen Art 6 MRK.
Das Erstgericht erklärte das bisherige Verfahren (ohne die Klage ausdrücklich zurückzuweisen) für nichtig. Da über die von der Beklagten zu ersetzenden Heizkosten keine Einigung vorliege, sei nach § 13 Abs 2 ZollR-DG der Verwaltungsweg zu beschreiten. Der Rechtsweg sei daher unzulässig.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Im Hinblick auf den vollkommen klaren Wortlaut des § 13 Abs 2 Satz 2 ZollR-DG - also eines nach der Umwandlung der Klägerin in ein privatrechtliches Unternehmen ergangenen Gesetzes - bestehe kein Auslegungsspielraum. Das Rekursgericht halte diese Bestimmung auch für verfassungskonform. Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist nach ständiger Rechtsprechung zunächst der Wortlaut des Klagebegehrens und der vom Kläger behauptete Sachverhalt maßgebend (Ballon in Fasching, Komm2 § 1 JN Rz 72; Mayr in Rechberger, ZPO2 Vor § 1 JN Rz 6 je mwN aus der Rechtsprechung; SZ 68/220; EvBl 1999/179 uva). Was der Beklagte einwendet, ist hingegen ohne Bedeutung (Mayr aaO mwN aus der Rechtsprechung), es sei denn, dass durch das Beklagtenvorbringen erst das Klagevorbringen verdeutlicht wird (Ballon aaO Rz 74). Die Klägerin hat im vorliegenden Fall ihr Begehren schon in der Klage ausdrücklich auf ein näher bezeichnetes Übereinkommen gestützt und in der Folge ausdrücklich darauf verwiesen, dass sie im Hinblick auf die darin gelegene Einigung einen zivilrechtlichen Anspruch geltend mache und daher nicht gemäß § 13 Abs 2 ZollR-DG auf den Verwaltungsweg verwiesen werden dürfe (S. 20).
Der erkennende Senat übersieht freilich nicht, dass das von der Klägerin herangezogene und auch vorgelegte Übereinkommen kein Vertrag im Sinne des bürgerlichen Rechts ist. Dieses Übereinkommen zwischen dem "Bundesministerium für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft, Generaldirektion der Österreichischen Bundesbahnen" und dem Bundesministerium für Finanzen wird zwar ausdrücklich als eine im Hinblick auf § 18 ZollG 1955 geschlossene "Vereinbarung" bezeichnet, konnte aber rechtlich kein Vertrag sein, weil ein solcher nur durch die übereinstimmende Willenserklärung (mindestens) zweier Personen zustande kommt (§ 861 ABGB; Koziol/Welser11 I 109). Das Übereinkommen vom Dezember 1961 wurde aber zwischen zwei Behörden desselben Rechtsträgers geschlossen; zu dieser Zeit standen die österreichischen Bundesbahnen ja noch im Eigentum der beklagten Republik Österreich. Gläubiger und Schuldner waren dasselbe Rechtssubjekt, so dass eine Verbindlichkeit iSd bürgerlichen Rechts nicht bestehen konnte (vgl § 1445 ABGB). Ein allfälliger Streit zwischen den beiden am Übereinkommen beteiligten Bundesministerien hätte daher nicht auf dem Zivilrechtsweg ausgetragen werden können. Auch wenn man davon ausgehen wollte, dass das geltend gemachte Klagebegehren für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges nur insoweit maßgebend ist, als es schlüssig begründet ist (EvBl 2001/194 = MR 2001, 320 = ecolex 2001, 849 - BOSS-Zigaretten), wäre aber dennoch die von der Beklagten erhobene Prozesseinrede nicht berechtigt:
Die Klägerin hat sich - wenngleich sie das ausdrücklich bloß im Rekurs (S. 28) erklärt hat - schon in erster Instanz erkennbar darauf gestützt, dass das von ihr erwähnte Übereinkommen seit ihrer Ausgliederung durch das BBG 1992 BGBl Nr 825 mit 1. 1. 1994 (§ 25 Abs 1 dieses Gesetzes) ein zivilrechtlicher (Bestand-)Vertrag sei. Sie vertritt offenbar den Standpunkt, mit der weiteren Anwendung der im Übereinkommen festgeschriebenen Regeln nach Erlangung ihrer Rechtsfähigkeit sei es konkludent zum Abschluss eines Vertrags mit dem Inhalt der mehrfach erwähnten "Vereinbarung" zwischen den Bundesministerien gekommen. Die Berechtigung dieser Auffassung ist aber nicht im Verfahren über die Prozesseinrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs, sondern erst im Verfahren über die Sache selbst zu entscheiden.
Hat somit die Klägerin einen vertraglichen Anspruch geltend gemacht, so kann ihr die Beklagte nicht mit der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs mit Erfolg entgegenhalten, dass ein solcher Vertrag nicht bestehe und daher der Verwaltungsweg nach § 13 Abs 2 ZollR-DG zu beschreiten sei.
Da § 13 Abs 2 ZollR-DG im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch nicht anzuwenden ist, bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit den dagegen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken. In Stattgebung des Revisionsrekurses waren die Entscheidungen der Vorinstanzen somit dahin abzuändern, dass die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs abgewiesen.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO. Der Klägerin waren nur die Kosten zu ersetzen, welche ausschließlich durch die Erhebung der unberechtigten Prozesseinrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs entstanden sind, also die Kosten der - von der Erstattung des Parteivorbringens abgesehen - allein der Behandlung dieser Prozesseinrede gewidmeten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15. 2. 2001 und der Rechtsmittelschriftsätze.
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