OGH 8ObA137/01g

OGH8ObA137/01g29.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Dr. Martha Seböck und Mag. Christa Marischka als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Georg C*****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Stadt W*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Heufler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 2001, GZ 8 Ra 377/00w-41, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 2. Oktober 2000, GZ 8 Cga 188/98v-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.725,-- (darin S 2.287,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, weshalb es gemäß § 510 Abs 3 ZPO ausreicht, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils zu verweisen. Ergänzend ist anzumerken:

Richtig ist, dass § 45 WrVBO, der in seinem ersten Absatz normiert, dass das Dienstverhältnis aus wichtigen Gründen ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aufgelöst werden kann, in seinem zweiten Absatz die wichtigen Gründe, die zur Entlassung berechtigen, nur demonstrativ aufzählt. Ebenso trifft zu, dass die WrVBO in ihrem § 48 Abs 2 Z 5 von der Möglichkeit einer vom Vertragsbediensteten nicht verschuldeten Kündigung oder Entlassung ausgeht (so schon: 9 ObA 12/99a). Letzterer Umstand bedeutet aber nicht, dass jeder Kündigungs- oder Entlassungsgrund auch bei mangelndem Verschulden verwirklicht wäre. So wurde zum Kündigungsgrund des § 42 Abs 2 Z 1 WrVBO bereits ausgesprochen, dass die gröbliche Verletzung der Dienstpflichten auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruhen muss. Zwar ist nicht erforderlich, dass der Dienstnehmer den betreffenden Kündigungstatbestand oder dessen Merkmale gekannt oder dass er gewusst hat, dass sein Verhalten mit Kündigung bedroht ist, er muss aber wissen, dass er gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstößt (9 ObA 264/00i). Ebenso wird zum vergleichbaren Kündigungstatbestand des § 32 Abs 2 lit a (nunmehr: § 32 Abs 2 Z 1) VBG judiziert, dass das Verhalten als Dienstverfehlung vorwerfbar sein müsse (8 ObA 231/94; in diesem Sinne auch: Kuderna, Entlassungsrecht2, 206f mwH). Es kann nicht zweifelhaft sein, dass der lediglich qualitativ unterschiedliche (vgl Kuderna aaO). Entlassungsgrund der besonders schweren Verletzung der Dienstpflicht des § 45 Abs 2 Z 2 WrVBO ebenfalls nur schuldhaft verwirklicht werden kann (vgl 9 ObA 296/92; 9 ObA 130/01k ua). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, setzt doch der Vorwurf der Verletzung von Pflichten stets deren Erkennbarkeit voraus.

Aus den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Erstgerichts ergibt sich, dass der Kläger "auf Grund der Minderung seiner intellektuellen Leistungsfähigkeit nicht in der Lage" ist, "die Tragweit seines Verhaltens, insbesondere in arbeitsrechtlicher Hinsicht zu erkennen ..." (S 6 der Urteilsausfertigung). Damit ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, dass das Verhalten des Klägers, der nach Beendigung der Arbeit, jedoch knapp vor Ende der Arbeitszeit mit einem 18-jährigen, zu ihm in keinem Abhängigkeitsverhältnis stehenden, Lehrling ohne Anwendung von körperlichem oder psychischem Zwang Geschlechtsverkehr hatte, weder den Entlassungs- noch den Kündigungsgrund der Dienstpflichtverletzung verwirklichen konnte.

Der von der Beklagten weiter zur Begründung der Entlassung herangezogene Kündigungsgrund des § 42 Abs 2 Z 5 WrVBO (".... wenn sich erweist, dass das gegenwärtige oder frühere Verhalten des Vertragsbediensteten mit dem Ansehen oder der Interessen des Dienstes unvereinbar ist ...") ist verschuldensunabhängig (9 ObA 57/94; 9 ObA 160/98i). Es muss nicht untersucht werden, ob dieser Tatbestand allein die Entlassung rechtfertigen könnte, oder ob es des Hinzutretens des erschwerenden Umstandes bedürfte, dass der Dienstnehmer im Sinne des zweiten Halbsatzes des § 45 Abs 2 Z 2 WrVBO dadurch auch des Vertrauens der Gemeinde unwürdig wird, wobei es eines Verhaltens bedarf, das in der Schwere jenem der im Gesetz beispielsweise aufgezählten Fälle gleichkommt. Es kann auch dahinstehen, ob trotz Fehlens einer dem § 30 Abs 3 VBG ("Eine entgegen den Vorschriften des § 34 [VBG] ausgesprochene Entlassung gilt als Kündigung, wenn der angeführte Auflösungsgrund einen Kündigungsgrund im Sinne des § 32 Abs 2 oder 4 [VBG] darstellt...") vergleichbaren Bestimmung in der WrVBO, die Umdeutung einer Entlassung in eine Kündigung möglich wäre, weil bereits der herangezogene Kündigungsgrund gerade noch nicht verwirklicht ist:

Anders als in dem auch die Beklagte betreffenden Fall 9 ObA 57/94 hat das Verhalten des Klägers an sich keine Publizität erlangt. In Anbetracht des Umstandes, dass der Kläger bereits seit 1965 bei der Beklagten arbeitet, er unauffällig war, es auch bei der Zusammenarbeit mit Lehrlingen vor dem Vorfall keine Probleme gegeben hat, und dass der Kläger bei der Tat weder Gewalt noch Zwang anwendete, kann auch eine Verletzung dienstlicher Interessen, die hier insbesondere in der Fürsorgepflicht für andere Dienstnehmer zu sehen sind, gerade noch nicht erkannt werden. Vielmehr ist von einem einmaligen Fehlverhalten auszugehen, auf das die Beklagte in Anbetracht der geistigen Beschaffenheit des Klägers und der von ihm ausgeübten völlig untergeordneten Tätigkeiten auch durch eine - offenkundig bereits vorgenommene (Beil/II) - Versetzung und verstärkte Beaufsichtigung zumutbarerweise reagieren kann. Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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