OGH 5Ob265/01h

OGH5Ob265/01h27.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael P*****, vertreten durch Dr. Hans Günther Medwed, Mag. Heinz Kupferschmid, Mag. Michael Medwed, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Friedrich J*****, vertreten durch Kammerlander, Piaty & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Ausfolgung eines Schlüssels, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 31. Juli 2001, GZ 3 R 84/01x-11, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 18. Dezember 2000, GZ 8 C 435/00m-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

4.128 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 688 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Eigentümer des Hauses *****, in dem der Kläger seit 1997 eine im zweiten Stock des Hauses gelegene Wohnung gemietet hat. Anfang März 2000 entschloss sich der Kläger, die Tageszeitung "Die Presse" zu abonnieren und die Zustellung dieser Zeitung durch die Presse Medienservice GesmbH & Co KG in Anspruch zu nehmen, die täglich zwischen 3.00 und 6.00 Uhr morgens erfolgt, wobei vorgesehen ist, dass die Zeitung vor der Wohnungstür des Abonnenten abgelegt wird.

Zur Nachtzeit ist das bezeichnete Haus jedoch versperrt, sodass diese Art der Zustellung nicht durchgeführt werden kann. Der Kläger ist berufstätig, Arbeitsbeginn ist 9.00 Uhr, er lässt sich um 7.45 Uhr wecken.

Der Kläger hat nur einen Haustorschlüssel und einen weiteren Schlüssel mit dem die Gegensprechanlage entriegelt werden kann. Diese Schlüssel können ohne Zustimmung des Beklagten nicht vervielfältigt werden. Der Beklagte weigert sich, dem Kläger einen weiteren Schlüssel zum Haustor und/oder zur Entriegelung der Gegensprechanlage auszuhändigen oder seine Zustimmung zur Herstellung eines Duplikats auf Kosten des Klägers zu erteilen. Der Zustelldienst der "Presse" hat sich gegenüber dem Kläger und dieser wiederum dem Beklagten gegenüber verpflichtet, die Zustellung möglichst schonend, also leise, vorzunehmen, mit dem Schlüssel sorgsam umzugehen und ihn insbesondere nicht an Dritte weiterzugeben.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger vom Beklagten die Aushändigung eines zweiten Haustorschlüssels oder eines zweiten Schlüssels zur Entriegelung der Gegensprechanlage auf seine Kosten oder die Erteilung der Zustimmung, dass der Kläger berechtigt sei, auf seine Kosten ein Duplikat des Haustorschlüssels oder des Schlüssels zur Entriegelung der Gegensprechanlage anfertigen zu lassen. Er stützt sein Begehren darauf, dass sich sein Gebrauchsrecht als Bestandnehmer nach Inhalt und Zweck des Vertrages, nach Ortsgebrauch und Verkehrssitte bestimme und der Bezug einer Tageszeitung und die direkte Zustellung in den Morgenstunden dem heutigen Verständnis des Ortsgebrauchs und der Verkehrssitte entspreche. Die vom Beklagten in Betracht gezogenen Zustellmöglichkeiten durch die Post, durch Ablegen der Zeitung vor dem Haustor oder Kontaktaufnahme mit dem Kläger durch die Gegensprechanlage, seien dem Kläger nicht zumutbar.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und bestritt seine Verpflichtung, dem Kläger einen zweiten Haustorschlüssel oder Schlüssel zur Entriegelung der Gegensprechanlage auszufolgen oder seine Zustimmung zur Anfertigung eines Duplikats zu erteilen. Dieses Begehren stelle einen unzulässigen Eingriff in sein Eigentumsrecht dar. Die Rechte des Klägers als Mieter umfassten nur den Mietgegenstand selbst, nicht aber den ungehinderten Zutritt des Hauses für Dritte, etwa einen Zeitungszusteller. Der Beklagte müsse nicht dulden, dass Dritte unkontrolliert in sein Haus gelangen könnten. Er sei nicht verpflichtet, eine dadurch entstehende Vergrößerung des Haftungskreises hinzunehmen. Der Kläger müsse sich also die Zeitung durch die Post zustellen lassen, diese vor dem Haustor ablegen lassen oder einen Kontakt mit dem Zusteller durch die Gegensprechanlage herstellen.

Ausgehend von diesen Feststellungen gaben beide Vorinstanzen dem Klagebegehren statt.

Beide Instanzen beurteilten in rechtlicher Hinsicht übereinstimmend, dass für die Auslegung des Wesens des Bestand- als eines Dauerschuldverhältnisses die jeweilige Verkehrssitte maßgebend sei. Es sei heute, aber auch im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses, verkehrsüblich, sich eine Tageszeitung schon in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden vor die Wohnungstür zuzustellen zu lassen. Das Recht, vom Vermieter die Ermöglichung eines solchen Bezugs einer Tageszeitung zu verlangen, sei - ebenso wie das Recht, Besucher zu empfangen - Ausfluss des Gebrauchsrechts des Mieters. Das dem Mieter eingeräumte Gebrauchsrecht beschränke das Recht des Eigentums des Vermieters, andere von der Benützung seiner Sache auszuschließen, etwa Personen freien Zugang zu verwehren, die das Haus mit Wissen und Willen des Mieters betreten wollten. Die Verweigerung der Anfertigung von Duplikatsschlüsseln in einem solchen Fall stelle einen Eingriff in das auch allgemeine Teile des Hauses umfassende Gebrauchsrecht des Mieters dar, was er sich nur gefallen lassen müsse, wenn die Ausübung seines Rechts nicht wesentlich erschwert oder gefährdet oder die einzige Möglichkeit bilde, das Haus und die Bewohner vor Nachteilen zu bewahren. Solche Nachteile drohten weder den übrigen Benützern des Hauses, noch dem Beklagten.

Zwar habe der Oberste Gerichtshof in WoBl 1995/73 = MietSlg 47.560 ausgesprochen, dass die erforderliche Anzahl der zur Verfügung zu stellenden Schlüssel sich aus der Anzahl der mit dem Wohnungsmieter im gemeinsamen Haushalt wohnenden Personen ergebe, doch sei damit nur § 5 Abs 3 HausbesorgerG ausgelegt worden, welche Bestimmung infolge ihrer Aufhebung nicht mehr anwendbar sei. In der bezeichneten Entscheidung habe sich der Oberste Gerichtshof ausdrücklich nicht mit dem Umfang des Benützungsrechts eines Mieters nach den Bestimmungen des § 1098f ABGB und § 8 MRG auseinandergesetzt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil, soweit überblickbar, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu bestehe, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Mieter vom Vermieter die Ausfolgung eines Haustorschlüssels für hausfremde Personen verlangen könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht bezeichneten Gründen zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass die Entscheidung WoBl 1995/73 = MietSlg 47.560 sich infolge Rechtskraft der Abweisung eines Hauptbegehrens ausschließlich mit dem Eventualbegehren auseinanderzusetzen hatte, das auf die Bestimmung des § 5 Abs 3 HausbesorgerG gestützt war. In diesem Zusammenhang wurde erkannt, dass ein Mieter eines Geschäftslokals (dort Kellerlokal zur Benutzung als Verbindungslokal) gestützt auf § 5 Abs 3 HausbesorgerG die Ausfolgung weiterer Haustorschlüssel nicht begehren könne. Dem Geschäftsraummieter und dem Wohnungsmieter stehe grundsätzlich ein Anspruch auf Ausfolgung eines Haustorschlüssels gegen Sicherstellung in Höhe der Anschaffungskosten zu, dem Wohnungsmieter darüber hinaus noch die Berechtigung, auch für die mit ihm im gemeinsamen Haushalt wohnenden Personen Haustorschlüssel in der erforderlichen Anzahl zu verlangen. "In der erforderlichen Zahl" beziehe sich daher ausschließlich auf die Anzahl der mit dem Wohnungsmieter im gemeinsamen Haushalt wohnenden Personen. Infolge unbekämpfter Abweisung eines auf § 1098 ABGB, § 8 MRG gestützten Hauptbegehrens unterließ der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob sich aus anderen gesetzlichen Regelungen über den Umfang des Benützungsrechts des Mieters ein Anspruch ableiten lasse, weitere Haustorschlüssel auf eigene Kosten zu erlangen. Diese Entscheidung wurde von Dirnbacher (aaO, 164) mit der Begründung kritisiert, bei der "erforderlichen Anzahl an Haustorschlüsseln" sei richtigerweise auf die zur Erreichung des Vertragszwecks erforderliche Anzahl abzustellen. Diese Ansicht hatte zuvor zweitinstanzliche Rechtsprechung vertreten (etwa MietSlg 40.143, 42.113), wonach die "erforderliche Anzahl" von Schlüsseln danach bemessen wurde, ob sie zur reibungslosen Benutzung des Objekts erforderlich war. Deshalb wurde etwa das Begehren eines Mieters, einen Reserveschlüssel zu erhalten damit gerechtfertigt, dass nach einer Vielzahl von nach allgemeiner Lebenserfahrung bei Mietern möglicherweise auftretenden Umständen, wie zB der Notwendigkeit der Zutrittgewährung für Reinigungspersonal, im Krankheitsfall, bei Bettlägerigkeit sowie Hinterlassen eines Schlüssels während des Urlaubs, ein entsprechender Bedarf bestehe. Divergierend dazu war etwa vom LGZ Wien (MietSlg 34.221) erkannt worden, dass einem Mieter ein Anspruch auf Ausfolgung von Haustorschlüsseln nur nach Maßgabe des § 5 Abs 3 HBG zustehe, also jeweils von der Anzahl der mit dem Mieter im gemeinsamen Haushalt wohnenden Personen abhänge.

Im vorliegenden Fall hat der klagenden Mieter sein Begehren auf Ausfolgung eines weiteren Haustorschlüssels auf seine Kosten keineswegs auf § 5 Abs 3 HBG, sondern auf die gesetzlichen Regelungen des ABGB über den Umfang des Benützungsrechts des Mieters sowie alle sonstigen denkbaren Rechtsgründe gestützt.

Schon deshalb kommt eine Beschränkung des Anspruchs auf § 5 Abs 3 HBG, der überdies zufolge Art 6 der WRN 2000 nur noch für Dienstverhältnisse gilt, die vor dem 1. Juli 2000 abgeschlossen wurden (vgl dazu Würth/Zingher Wohnrecht 2000 Anm 1 zu Art 6 WRN 2000), nicht in Betracht.

Weder § 1098 ABGB noch § 8 MRG legen fest, welche Anzahl von Haustorschlüsseln einem Mieter auf dessen Kosten zuzugestehen ist. Ganz allgemein gilt, dass der Umfang des Gebrauchsrechtes des Bestandnehmers sich zunächst nach dem Inhalt des Vertrages, dann nach dem Zweck des Bestandverhältnisses und zuletzt nach Ortsgebrauch und Verkehrssitte richtet. So weit Fragen im Vertrag gesetzeskonform ausdrücklich gelöst sind, kann nicht auf Verkehrssitte zurückgegriffen werden (EvBl 1963/233 = MietSlg 15.088/3; Würth in Rummel3 Rz 2 zu § 1098 ABGB). Aus dem Grundsatz des schonenden Gebrauchs der Bestandsache wird jedoch abgeleitet, dass der Bestandnehmer zumutbare Maßnahmen des Bestandgebers zu dulden hat, wenn dadurch das Bestandrecht nicht wesentlich beeinträchtigt wird (MietSlg 18.170 ff; 31.226 f). Die Zumutbarkeit ist dabei das Ergebnis der Abwägung der Interessen aller Beteiligten (EvBl 1961/143 = MietSlg 8.630; MietSlg 28.126, 31.226; 43.090). Sie wird umso eher gegeben sein, je schwerwiegender berechtigte Interessen des Vermieters den Eingriff fordern.

Selbst ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung ist die in verschiedenen Städten geregelte Sperre der Tore während der Nachtzeit Geschäftsgrundlage eines Bestandvertrages (MietSlg 36.150). Das bedeutet jedoch nur, dass der Mieter in der bezeichneten Zeit ein Offenhalten des Haustores nicht erzwingen kann. Es bedeutet jedoch nicht, dass ein Mieter, wenn es dem Ortsgebrauch und der Verkehrssitte entspricht, während dieser Zeit nicht auch anderen Personen Einlass ins Haus gewähren kann.

Dieser Umstand stellt wie andere, etwa die Notwendigkeit der Zutrittgewährung für Reinigungspersonal, für Pflegepersonen, für Besucher bei Bettlägerigkeit und andere möglicherweise auftretende Umstände, wie etwa die Notwendigkeit der Hinterlassung eines Schlüssels während des Urlaubs, eine durch Vertragszweck, aber auch Ortsgebrauch und Verkehrssitte gedeckte Notwendigkeit dar, über einen Reservehaustorschlüssel zu verfügen. Solche Umstände gehören zum bestimmungsgemäßen Gebrauch einer Wohnung, welcher sich ja nicht ausschließlich auf ein Betreten und Verlassen der Wohnung durch den Mieter und seine Angehörigen beschränkt.

Die dementgegen in WoBl 1995/73 = MietSlg 47.560/11 vertretene Ansicht ist zu einschränkend und wohl auch durch den konkreten Sachverhalt geprägt (vgl auch die Kritik von Würth in Rummel3 Rz 2 zu § 1098 ABGB).

Im Übrigen kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen verwiesen werden.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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