OGH 6Ob53/01i

OGH6Ob53/01i8.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Reinhard K*****, vertreten durch Dr. Josef Schartmüller, Rechtsanwalt in Pregarten, gegen die beklagte Partei G***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Mag. Dr. Reinhard Selendi, Rechtsanwalts-KEG in Wels, wegen 60.000 S, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 13. November 2000, GZ 22 R 388/00s-23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 5. Juni 2000, GZ 5 C 886/99h-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 4.871,04 S (darin enthalten 811,84 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte lieferte dem Kläger im Jahr 1993 Fenster, bei deren Produktion sie die wasserlösliche Lasur "O*****" verwendet hatte. Die Bearbeitung war gemäß den Richtlinien des diese Lasur herstellenden Unternehmens erfolgt. Das Produkt stand bereits seit Ende der 80er-Jahre bei der Beklagten in Verwendung. Vor dessen Vertrieb wurde vom Hersteller ein Gutachten des österreichischen Holzforschungsinstituts eingeholt, das die Eignung des Produktes positiv bewertete. Anlässlich der Lieferung der Fenster gab ein Vertreter der Beklagten der Mutter des Klägers einen Schwamm und etwas Farbe und sagte, dass die Fenster damit nachbehandelt gehörten. Dass er auch erklärt habe, die erste Nachbehandlung solle erst nach fünf Jahren erfolgen, ist nicht feststellbar.

Nach frühestens dreieinhalb Jahren traten an den Fenstern Abblätterungen auf. Ende 1997 nahm deshalb der Kläger mit der Beklagten Kontakt auf. An extrem der Bewitterung ausgesetzten Teilen schält sich die Beschichtung bis zum Untergrund ab. Auch an der Innenseite der Fenster haftet die Beschichtung nur mangelhaft, auch wenn dies dort nicht sichtbar ist. Es handelt sich nicht um übliche Abblätterungen durch Witterungseinflüsse. Das Schadensbild ist auch nicht auf eine unsachgemäße Handwerksarbeit der Beklagten zurückzuführen, sondern auf einen Mangel es Produktes "O*****". Der derzeitige Zustand der Beschichtung ist derart desolat, dass eine Sanierung an der Innen- und Außenseite der Fenster notwendig ist, die einen Aufwand von 60.000 S erfordert.

Die Beschichtung entsprach zum Herstellungszeitpunkt dem Stand der Technik. Die Ö-Normen sehen keine Verpflichtung vor, die Haftungsfähigkeit der Beschichtung bei der Verarbeitung von Fenstern zu prüfen. Es kann auch nicht festgestellt werden, ob die Überprüfung der Haftungsfähigkeit mittels eines Tesa-Streifens zum Zeitpunkt der Auslieferung der Fenster einen Hinweis auf die mangelnde Haftung der Beschichtung erbracht hätte. Derartige Haftungsprobleme stellten sich bei dieser Beschichtung erst ab dem Jahr 1995 und 1996 heraus.

Mit seiner am 6. 4. 1999 eingebrachten Klage begehrt der Kläger 60.000 S an Sanierungskosten mit der Behauptung, die Beklagte treffe ein Verschulden an den aufgetretenen Schäden, weil sie einerseits fälschlich versichert habe, die Fenster bedürften aufgrund ihrer hohen Qualität in den nächsten fünf Jahren keinerlei Nachbehandlung und weil sie andererseits einen zur Konservierung des Holzmaterials ungeeigneten Lack verwendet habe. Im Übrigen hafte die Beklagte für den Hersteller des Beschichtungsmaterials.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt die behauptete Zusage, verwies auf ihre Geschäftsbedingungen, wonach die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen sei und bestritt im Übrigen den Verschuldensvorwurf. Die Richtlinien des Herstellers des Beschichtungsmaterials seien eingehalten worden. Die Beklagte habe entsprechend dem damaligen Wissensstand gearbeitet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil Gewährleistungsansprüche des Klägers verfristet seien und ein Schadenersatzanspruch mangels Verschuldens der Beklagten nicht zustehe. Im Hinblick darauf, dass die Lasur bereits vor der Verarbeitung im vorliegenden Fall vier Jahre lang in Verwendung gestanden sei, habe keine Verpflichtung der Beklagten bestanden, die Haftbarkeit zu prüfen. Abgesehen davon sei nicht erwiesen, dass ein derartiger Mangel vor der Auslieferung bei einer Überprüfung überhaupt aufgefallen wäre.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Zulieferer sei nicht als Erfüllungsgehilfe des Produzenten - hier der Beklagten als Fensterhersteller - anzusehen. Gewährleistungsansprüche seien verfristet. In Bezug auf Schadenersatzansprüche sei die Beklagte durch das Einhalten der damaligen Regeln der Technik entlastet. Bei der Verwendung neuer Baustoffe seien zwar an die Warnpflicht des Unternehmers besonders hohe Anforderungen zu stellen. Der Kläger habe sich jedoch auf eine Verletzung der Warnpflicht im Verfahren erster Instanz nicht berufen. Die Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Behauptungs- und Beweislast einer Warnpflichtverletzung eines Unternehmers, der noch nicht hinlänglich erprobte Materialien verwendet habe, bei gegen ihn erhobenen Schadenersatzansprüchen aufzufinden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, weil sich die Vorinstanzen mit der Frage der Warnpflicht nicht befasst haben. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Dass die Beklagte den Kläger vor einer möglichen vorzeitigen Ablösung der Lasur nicht gewarnt hat, ist im vorliegenden Fall nach dem Parteienvorbringen als unstrittig zu unterstellen. Jedenfalls aber umfasst die Behauptung des Klägers, ihm sei eine derart gute Qualität der Fenster zugesichert worden, dass fünf Jahre lang keine Nachbehandlung erforderlich sein werde, zwangsläufig auch das Vorbringen, über eine allenfalls zu erwartende, vor Ablauf der üblichen Haltbarkeitsdauer eintretende Ablösung der Fensterbeschichtung nicht aufgeklärt worden zu sein. Die in der Berufung des Klägers enthaltenen Rechtsausführungen, die Beklagte habe auch eine haftungsbegründende Verletzung ihrer Aufklärungspflicht über die neue Beschichtung auf wasserlöslicher Basis zu vertreten und insoweit gegen ihre Warnpflicht verstoßen, stellt daher keine unzulässige Neuerung dar. Im Übrigen trifft gemäß § 1298 ABGB die Beweispflicht für mangelndes Verschulden an der Schlechtleistung infolge Vorliegens eines Vertragsverhältnisses die Beklagte. Dies gilt auch für die Verletzung der Aufklärungspflicht als Nebenleistungspflicht (Reischauer in Rummel, ABGB II2 § 1298 Rz 11, 12 mwN; 4 Ob 558/81 = SZ 54/179; 7 Ob 689/86 = WBl 1987, 120). Der Unternehmer hat zu beweisen, dass er den Besteller gewarnt hat oder dass eine Warnung im konkreten Fall nicht erforderlich war (RIS-Justiz RS0022273).

Allerdings stellen sich hier keine Fragen der Beweislast, weil der Sachverhalt ohnehin ausreichend aufgeklärt wurde, um abschließend beurteilen zu können, ob der Beklagten eine Warnpflichtverletzung zur Last fällt. Die Warnpflicht ist kein Ausfluss der Gewährleistungspflicht (RIS-Justiz RS0018797), sondern eine werkvertragliche Interessenwahrnehmungspflicht des Unternehmers, die in der Bestimmung des § 1168a Satz 3 ABGB als besondere, speziell auf den Werkvertrag zugeschnittene, im Übrigen bei allen Verträgen zu beachtende Schutz- und Sorgfaltspflicht zum Ausdruck kommt (SZ 54/179 mwN; RIS-Justiz RS0022086).

Der Unternehmer hat den Besteller insbesondere auch vor den mit der Verwendung neuer Baustoffe verwendeten Risken zu warnen (RIS-Justiz RS0022147). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn im Zeitpunkt der Werkleistung des Unternehmers bestimmte, sich später als ungeeignet herausstellende Materialien zwar schon verwendet wurden, es sich jedoch um noch nicht auf breiter Basis verwendete neue Werkstoffe handelte (7 Ob 689/86 = WBl 1987, 120 mwN; 7 Ob 515/91 = JBl 1992, 114). Allerdings dürfen die dem Unternehmer auferlegten Aufklärungs- und Warnpflichten nicht überspannt werden (RIS-Justiz RS0021941). Hiebei darf der wirtschaftliche Aspekt nicht vernachlässigt werden; umfangreiche, technisch schwierige und kostenintensive Untersuchungen, die zur eigentlichen Werkleistung und der Höhe des Werklohns nicht in einem vernünftigen Verhältnis stehen, muss der Unternehmer nur anstellen, wenn dies besonders vereinbart ist (RIS-Justiz RS0022252; vgl auch Rebhahn in Schwimann, ABGB2 Rz 27 und 28 zu § 1168a).

Im Hinblick auf diese von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entwickelten Grundsätze zur Warnpflicht des Unternehmers ist im vorliegenden Falle entscheidend, dass das von der Beklagten bei den Fenstern des Klägers verwendete Beschichtungsmaterial schon jahrelang produziert und insbesondere auch von der Beklagten verarbeitet wurde, ohne dass irgendwelche Beschwerden über die mangelnde Haftung an sie herangetragen worden wären. Überhaupt traten die in der Eigenschaft des Produkts gelegenen Probleme erst Jahre später zutage. Die Verwendung von Holzbeschichtungen auf wasserlöslicher Basis entsprach damals dem technischen Standard. Das verwendete Produkt war auf Veranlassung des Herstellers von einer unabhängigen Begutachtungsstelle schon vor Jahren geprüft und für die Beschichtung von Fenstersytemen nach entsprechenden Tests für geeignet befunden worden. Die Beklagte selbst ist ein holzverarbeitender Betrieb und befasst sich selbst nicht mit der Herstellung von Beschichtungsmaterialien.

Aus diesen Gründen ist der Beklagten die mangelnde Kenntnis über die unzureichende Haltbarkeit des Beschichtungsmaterials nicht vorwerfbar. Es handelte sich hiebei auch nicht um ein am Markt noch nicht entsprechend eingeführtes Produkt, mit dem noch keinerlei Erfahrungen über dessen Eignung zur Holzbeschichtung vorgelegen wären. Eine Qualitätsprüfung war ohnehin bereits in einem Ausmaß vorgenommen worden, die die Möglichkeiten der Beklagten zur Eignungskontrolle bei weitem überschritten. Da die Beklagte nach den hier vorliegenden Umständen die mangelnde Haftungsfähigkeit des verwendeten Beschichtungsmaterials und damit die mangelnde Eignung dieses Werkstoffes zur Fensterbeschichtung nicht erkennen konnte und eine solche Möglichkeit nicht ernsthaft in Betracht ziehen musste, kann es ihr auch nicht als Verschulden angelastet werden, dass sie den Kläger vor solchen möglichen Gefahren nicht gewarnt hat.

Die das Klagebegehren abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher zu bestätigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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