OGH 14Os37/01

OGH14Os37/016.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. November 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Emsenhuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Livius P***** und eine weitere Angeklagte wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Livius P***** und Erika K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Oktober 2000, GZ 12c Vr 8.952/98-117, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl, der Angeklagten und ihrer Verteidiger Dr. Langeder und Dr. Albrecht, und der Vertreterin des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk sowie Klosterneuburg, Mag. Trubrig, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch hinsichtlich der beiden Angeklagten aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Livius P***** und Erika K***** werden jeweils nach § 33 Abs 5 FinStrG unter Anwendung der §§ 21 Abs 1, Abs 2 und 22 Abs 1 FinStrG zu Geldstrafen, und zwar Livius P***** in der Höhe von 2,5 Millionen S, für den Uneinbringlichkeitsfall vier Monate Ersatzfreiheitsstrafe, und Erika K***** in der Höhe vom 250.000 S, für den Uneinbringlichkeitsfall drei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe,

ferner die beiden Angeklagten jeweils nach § 293 Abs 2 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar Livius P***** von drei Monaten und Erika K***** von drei Wochen verurteilt, wobei diese Freiheitsstrafen bei beiden Angeklagten gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werden.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidungen verwiesen.

Den beiden Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Livius P***** und Erika K*****, diese als Beteiligte nach §§ 11 dritter Fall FinStrG, 12 dritter Fall StGB, jeweils des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG sowie des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach haben in Wien (zusammengefasst wiedergegeben)

(A) Livius P*****

(I) in der Zeit von September 1992 bis Feber 2000 in den im Ersturteil aufgelisteten Monaten (Pkt 1 bis 35) als Inhaber des "Europäischen Verlages" (zu ergänzen: vorsätzlich) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes entsprechenden Voranmeldungen durch unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen (ungerechtfertigte Geltendmachung von Vorsteuern) eine Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen im Ausmaß von insgesamt 7,328.983 S wissentlich bewirkt;

(II) im Zuge der zuvor geschilderten Tathandlungen durch Vorlage der im Urteilstenor unter Pkt a bis n genannten, inhaltlich unrichtigen Rechnungskopien falsche Beweismittel in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht;

(B) Erika K*****

in den im Ersturteil unter B I und II näher bezeichneten Fällen durch Ausstellen und Überlassen inhaltlich unrichtiger Fakturen zu dem von Livius P***** begangenen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung im Ausmaß von 1,634.262 S (A I) sowie zum Vergehen der Fälschung eines Beweismittels (A II) beigetragen.

Dieses Urteil bekämpfen die beiden Angeklagten mit getrennt ausgeführten, von Livius P***** auf die Z 4, 5a, 9 lit a und lit b sowie von Erika K***** auf die Z 9 lit a und lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, denen keine Berechtigung zukommt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Livius P*****:

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfiel der Antrag auf Einvernahme der Zeugen Dipl. Kom. Petra B*****, Silvia K*****, Clarissa R*****, Petra S*****, Renate B*****, Dr. Bernhard K*****, Maria D*****, Ingeborg B*****, Hans-Thomas B***** und Dr. Alada K***** zum Beweis, "dass es sich bei den in der Anklageschrift angeführten Rechnungen um keine Scheinrechnungen handelt, sondern dass der Angeklagte und der jeweilige Rechnungsleger davon ausgegangen sind, dass die in diesen Rechnungen enthaltene Umsatzsteuer abgeführt wird und ein diesbezüglicher Leistungsaustausch erbracht war oder erbracht wird" (S 253/III), mangels der für die Relevanzprüfung unbedingt erforderlichen Darlegung, inwiefern die (sogar nach dem Rechtsmittelvorbringen) mit der Rechnungslegung gar nicht befassten Personen überhaupt zweckdienliche Angaben zum genannten Beweisthema machen könnten, zu Recht der Abweisung (AS 255/III; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 19 bb).

Ebensowenig wurden durch die unterbliebene Einvernahme des (der Hauptverhandlung aus finanziellen Motiven ferngebliebenen - ON 119) Rechnungslegers Dipl. Kom. Klaus G***** - der weiteren Beschwerde zuwider - Verteidigungsrechte verkürzt. Da die (divergenten) Depositionen des Genannten aus dem Vorverfahren (AS 385 f/I), insbesondere in Ansehung des den Fakturen zu Grunde liegenden Leistungsaustausches in der Hauptverhandlung ohnedies (gemeinsam mit dem wesentlichen Akteninhalt) einverständlich (AS 255, 257/III) verlesen wurden, hätte fallbezogen bereits im Antrag näher begründet werden müssen, weshalb die begehrte Einvernahme nunmehr zusätzlich Entlastendes erbringen könnte (Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 19 ee). Nachträgliche Ergänzungen im Rechtsmittel sind unbeachtlich, weil sich der Schöffensenat damit nicht auseinandersetzen konnte (Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 40, 41).

Mit den in der Tatsachenrüge (Z 5a) angestellten Spekulationen über die Möglichkeit nachträglichen Auftauchens vermeintlich entscheidungserheblicher Beweise im wegen (richtig) Verleumdungsvorwürfen ausgeschiedenen Verfahren (Punkt V der Anklage - AS 255/III iVm AS 211, 213/II) weckt der Nichtigkeitswerber auf aktueller Aktengrundlage keine erheblichen Bedenken gegen die aus den gesamten Verfahrensergebnissen schlüssig und empirisch einwandfrei abgeleitete Urteilsannahme, dass die in Rede stehenden Vorsteuerabzüge durchwegs mit Scheinrechnungen beansprucht wurden (US 17 ff).

Der mit Bezugnahme auf § 3a UStG, Abschnitt 121 Abs 2 und 3 DE-USt vorgebrachte Rechtseinwand (Z 9 lit a), "bei der zu den sonstigen Leistungen zählenden Einräumung und Übertragung von Urheberrechten könne der Vorsteuerabzug selbst dann mit Rechnungslegung geltend gemacht werden, wenn die Leistung noch nicht oder nicht ganz erbracht worden sei", wird prozessordnungswidrig nicht aus dem festgestellten Sachverhalt abgeleitet. Denn nach dem relevanten Urteilssubstrat hat ein für den rechtmäßigen Vorsteuerabzug erforderlicher, in annähernd adäquater Relation zum ausgewiesenen Rechnungsbetrag stehender Leistungsaustausch weder stattgefunden noch war ein solcher beabsichtigt; vielmehr wurden ausschließlich Scheinrechnungen (§ 11 Abs 14 UStG) zum Zweck ausgestellt, dem Rechnungsempfänger (Angeklagten) die Möglichkeit des (unberechtigten) Vorsteuerabzuges zu verschaffen (US 17 ff, insbesondere auch US 33).

Weshalb P***** angesichts seines plangemäß auf Abgabenhinterziehung ausgerichteten Verhaltens, das er trotz mehrfacher Belehrung durch die zuständige Finanzbehörde (US 18, 32) beharrlich fortgesetzt hat, das Unrecht der Tat wegen eines nicht vorwerfbaren Rechtsirrtums (§ 9 FinStrG) verborgen geblieben sein soll (Z 9 lit b), wird mit dem lapidaren Hinweis auf die angeblich intensive Auseinandersetzung mit den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes nicht gesetzmäßig (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) dargetan.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Erika K*****:

Soweit die Nichtigkeitswerberin zunächst in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit (im Ergebnis) gleicher Argumentation wie Livius P***** behauptet, dass bei Übertragung von Urheberrechten (Verlagsvertrag) die Vorsteuerabzugsberechtigung bereits mit "Rechnungslegung" entstehe, kann insoweit auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden.

Mit Bestreitung der Ausstellung unrichtiger Rechnungen wird der relevierte materielle Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit a) mangels strikter Beachtung des gegenteiligen Urteilssubstrates (insbesondere US 17) einmal mehr nicht gesetzeskonform dargestellt.

In dem weiteren, gegen den Schuldspruch B II (Beitrag zur Fälschung eines Beweismittels) gerichteten Vorbringen meint die Rechtsmittelwerberin mit Bezugnahme auf "frühere Judikatur", dass die Herstellung falscher oder verfälschter Urkunden exklusiv dem § 223 StGB zu subsumieren sei und somit die "neue Judikatur", derzufolge auch "Lugurkunden" Deliktsobjekte des Vergehens der Beweismittelfälschung sein können, dem "Wortlaut und Tatbild des § 293 StGB sowie dem Bestimmheitsgebot des § 1 StGB widerspreche".

Auch diese Rüge geht fehl. Der Oberste Gerichtshof hat nämlich die vorgetragenen Beschwerdeaspekte in der Entscheidung des verstärkten Senates vom 5. Oktober 1994, (13 Os 81/93 = EvBl 1995/21 = JBl 1995,

386) ohnedies miterwogen und mit einer umfangreichen Begründung, die hier nicht wiederholt werden muss, klargestellt, dass unter dem - im weitesten Sinn auszulegenden (EBRV 1971, 477) - Begriff des "Beweismittels" auch die Urkunden im strafrechtlichen Sinn und damit auch solche mit unrichtigem Inhalt (sogenannte "Lugurkunden") zu verstehen sind. Weitere gewichtige Argumente, die Anlass für ein Abgehen (nach neuerlicher Befassung des verstärkten Senates - § 8 Abs 1 Z 1 OGHG) von dieser einheitlichen Rechtsprechung (vgl auch 12 Os 175/96; 14 Os 140/99) bieten könnten, werden im Rechtsmittel ohnehin nicht vorgebracht.

Schließlich bleibt auf Grund der konstatierten Beitragshandlung, wonach Erika K***** dem Livius P***** Scheinrechnungen zum Zwecke des ungerechtfertigten Vorsteuerabzuges zur Verfügung stellte (US 19, 30, 34), für einen Rechtsirrtum (Z 9 lit b) kein Raum, weil sich das Vorbringen in Hinsicht auf den behaupteten (richtig:) entschuldbaren Irrtum (§ 9 FinStrG) nicht an den gegenteiligen Feststellungen ausrichtet, ein Feststellungsmangel aber unter Hinweis auf ein konkretes Vorbringen in der Hauptverhandlung geltend zu machen gewesen wäre.

Inwiefern einer künftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Abgabenverfahren für das gerichtliche Finanzstrafverfahren, in dem die Sachverhaltsbeurteilung autonom vorzunehmen ist, Relevanz zukommen soll, ist nicht nachvollziehbar.

Die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten waren demnach zu verwerfen.

Allerdings war aus Anlass der Rechtsmittel gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO wahrzunehmen. Denn angesichts der im § 22 Abs 1 FinStrG statuierten Strafenkumulierung durfte vorliegend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art (US 35 unten) nicht zusätzlich als erschwerend gewertet werden (Dorazil/Harbich FinstrG § 22 E 9, 9a). Dieser Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) gereicht beiden Angeklagten zum Nachteil (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Demzufolge war aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in den Strafaussprüchen aufzuheben und gemäß §§ 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung mit Strafneubemessung vorzugehen.

Dabei waren für die Ausmessung der Strafen nach dem Finanzstrafgesetz und nach dem Strafgesetzbuch als erschwerend jeweils die Wiederholung der gleichartigen Verfehlungen bei beiden Angeklagten zu berücksichtigen, beim Angeklagten P***** in Verbindung mit der Begehung über einen längeren Tatzeitraum und seiner Beharrlichkeit trotz zahlreicher Rechtsbelehrung in den Abgabenverfahren und abweislicher Bescheide; als mildernd war bei beiden Angeklagten der bisher ordentliche Lebenswandel zu werten.

Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe und den von den einzelnen Angeklagten zu vertretenden Abgabenverkürzungen war nach den angeführten Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes bei P***** eine Geldstrafe von 2,5 Mio S, für den Nichteinbringlichkeitsfall vier Monate Ersatzfreiheitsstrafe, und bei Erika K***** eine Geldstrafe von 250.000 S, für den Fall der Nichteinbringlichkeit drei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe, als der Schuld der Angeklagten und ihren wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend festzusetzen. Die nach den genannten Bestimmungen des Strafgesetzbuches auszumessende Freiheitsstrafe erwies sich in (wie ebenfalls schon vom Schöffengericht im angefochtenen Urteil ausgesprochenen) Freiheitsstrafen von drei Monaten bei P***** bzw drei Wochen bei Erika K***** trotz des auch hier wie bei den Finanzdelikten in Wegfall gekommenen Erschwerungsumstandes des Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art als schuldangemessen. Die bedingte Strafnachsicht dieser Freiheitsstrafen war aus dem angefochtenen Urteil zu übernehmen.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

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