OGH 7Ob180/01y

OGH7Ob180/01y29.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Mag. Monika K*****, vertreten durch Dr. Schubert & Partner, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, wider den Gegner der gefährdeten Partei Mag. Thomas A*****, BRD, vertreten durch Simer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen einstweiliger Verfügung nach § 382d EO, über den Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 20. April 2001, GZ 16 R 114/01f-25, womit infolge Rekurses der gefährdeten Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes Ebreichsdorf vom 20. März 2001, GZ 1 C 98/00s-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Gegner der gefährdeten Partei hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Parteien sind miteinander verheiratet. Seit 22. 12. 2000 ist zwischen den Parteien ein Ehescheidungsverfahren anhängig. Sie lebten zuletzt gemeinsam mit ihrem am 31. 5. 1995 geborenen Sohn in einem Einfamilienhaus in O*****.

Am 17. 10. 2000 erließ der zuständige Gendarmerieposten über den Mann und Gegner der gefährdeten Partei eine Wegweisung und ein Betretungsverbot nach § 38a SPG. Dabei wurde ua festgehalten, dass ihm Gelegenheit "zur Mitnahme von persönlichen Gegenständen" gegeben worden sei.

Mit der - unangefochten in Rechtskraft erwachsenen - einstweiligen Verfügung vom 20. 11. 2000 wurde ihm (für die Dauer von drei Monaten bzw bis zur rechtskräftigen Beendigung eines binnen drei Monaten einzuleitenden Scheidungsverfahrens oder bis zur Beendigung eines danach eingeleiteten Aufteilungsverfahrens) antragsgemäß die Rückkehr in die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung, das Zusammentreffen und die Kontaktaufnahme mit der gefährdeten Partei sowie der Aufenthalt in und vor dem Gebäude des Kindergartens in O***** verboten; mit dem Vollzug dieser einstweiligen Verfügung wurde die Sicherheitsbehörde beauftragt (ON 7).

Am 13. 12. 2000 begehrte der Gegner der gefährdeten Partei, ihm Gelegenheit zu geben, seine Fahrnisse aus der gemeinsamen Ehewohnung (wo sich nach wie vor nahezu sämtliche seiner Kleidungsstücke und auch andere persönliche Gegenstände wie insbesondere alle Urkunden und Dokumente befänden) abzuholen. Dies könnte sowohl unter Beiziehung der Gendarmerie wie auch des Gerichts geschehen. Er schlug hiefür einen vollen Tag (von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr) in der Woche vom 18. 12. 2000 bis 23. 12. 2000 vor. Die gefährdete Partei beantragte als Abholtermin den 4. 1. 2001, jedoch nur in der Zeit von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr zu bestimmen. Diesen Termin setzte das Erstgericht mit Beschluss vom 27. 12. 2000 - wie von der gefährdeten Partei vorgeschlagen - fest.

Am 28. 2. 2001 begehrte der Gegner der gefährdeten Partei, ihm für die Abholung der Fahrnisse einen Tag in der Zeit von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr zu bewilligen. Er habe zwar am 4. 1. 2001 zwischen 10.00 Uhr und 12.00 Uhr die Möglichkeit gehabt, seine Fahrnisse abzuholen. Zwei Stunden seien "für die Räumung einer gesamten Wohnung" aber bei weitem zu kurz, sodass ein neuerlicher Antrag ohnehin unvermeidbar gewesen wäre. Außerdem sei ihm der Beschluss aufgrund eines Telefax-Übermittlungsfehlers erst am 6. 1. 2001 zugegangen und der Termin mit Rücksicht auf die Anreise aus Deutschland zu knapp festgesetzt worden.

Die gefährdete Partei vertrat dazu weiterhin den Standpunkt, eine Zeitspanne von zwei Stunden sei angemessen, da hauptsächlich Kleidungsstücke und Urkunden abzuholen seien. Letztlich brachte sie vor, sie sei aber nur dann bereit dem (neuerlichen) Ausfolgungsantrag zuzustimmen, wenn der Antragsgegner für die Interventionskosten ihrer Rechtsvertretung aufkomme und verpflichtet werde, hiezu S 10.000 vor dem Abholtermin "nachweislich vorzuleisten". Unter dieser Voraussetzung möge als Termin der 20. 3. 2001 von 8.00 Uhr bis 10.00 Uhr bestimmt werden.

Das Erstgericht setzte den Termin unter gleichzeitiger Ablehnung einer längeren Abholzeit - vom Gegner der gefährdeten Partei unangefochten - mit "Dienstag nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses in der Zeit von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr" fest (Punkt 1) und wies den Antrag, diesem aufzutragen, die Kosten für die Intervention des Rechtsvertreters der Antragstellerin voraus zu leisten, ab (Punkt 2). Ein Zeitraum von drei Stunden sei ausreichend. Bezüglich der Kosten verweise § 393 Abs 2 EO auf die Bestimmungen der ZPO, was bedeute, dass Vorschüsse für allfällige Aufwendungen der Parteien vom Gegner nicht verlangt werden könnten. Da die Rechtskraft des Beschlusses nicht abzusehen sei, habe kein bestimmtes Datum für die Abholung festgelegt werden können.

Mit dem angefochtenen Beschluss änderte das Rekursgericht diesen Beschluss dahin ab, dass der Antrag des Gegners der gefährdeten Partei vom 26. 2. 2001, ihm die Abholung der Fahrnisse (an einem Tag in der Zeit von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr) zu bewilligen, zurückgewiesen wurde. Gemäß § 382d Abs 3 EO habe das Vollstreckungsorgan dem Antragsgegner, der bisher keine Gelegenheit hatte, seine persönlichen Wertsachen und Dokumente sowie die ihm allein gehörigen und dem persönlichen Gebrauch der Berufsausübung dienenden Sachen aus der Wohnung abzuholen, auf seinen Antrag binnen zweier Tage dazu Gelegenheit zu geben. Diese - in den Bereich der Vollziehung des gerichtlichen Rückkehrverbotes fallende - Aufgabe obliege daher dem Vollstreckungsorgan, hier also der mit Punkt 4. der einstweiligen Verfügung beauftragten Sicherheitsbehörde. Damit sei auch sichergestellt, dass die gefährdete Partei dem Gegner nicht ohne Beisein staatlicher Organe wieder Zutritt zur Wohnung verschaffen müsse. Da das Gesetz die "Festlegung eines Abholtermins" mittels eines Gerichtsbeschlusses ebensowenig vorsehe, wie die Erteilung eines weiteren Auftrages an die Sicherheitsbehörde, sei der gegenständliche Antrag zurückzuweisen. Der (zweite) Antrag auf Ausfolgung der Fahrnisse sei aber auch inhaltlich nicht berechtigt, weil das Erstgericht davon hätte ausgehen müssen, dass der Antragsgegner bereits am 4. 1. 2001 Gelegenheit zur Abholung seiner Sachen im Sinne des § 382d Abs 3 EO gehabt habe, und seinem weiteren Antrag daher die Rechtsgrundlage fehle.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil - soweit überblickbar - bisher keine höchstgerichtliche Entscheidung zur Frage vorliege, ob bzw inwieweit bei Betrauung der Sicherheitsbehörde mit dem Vollzug einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs 1 EO das Gericht bei der Festsetzung eines Abholtermins nach § 382d Abs 3 EO mitzuwirken habe. Für den Fall, dass diese Aufgabe - entgegen der in dieser Entscheidung vertretenen Auffassung - nicht ausschließlich der Sicherheitsbehörde als Vollstreckungsorgan obliegen sollte, sondern auch die gerichtliche Zuständigkeit zu bejahen wäre, stelle sich die weitere Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen dem Antragsgegner eine weitere (zweite) Gelegenheit zur Abholung seiner Sachen zu geben, und ob ein diesbezüglicher Antrag zulässig bzw verbesserungsfähig sei. Auch dazu liege bisher keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vor. Beide Fragen gingen in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinaus.

Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Gegner der gefährdeten Partei die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Der vorliegende Antrag betrifft den Vollzug einer ua nach § 382b Abs 1 EO ("Wohnungs-, Rückkehr-, und Umgebungsverbot" [Zechner, Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung § 382b EO Rz 5]) erlassenen einstweiligen Verfügung, der durch § 382d EO geregelt wird. In § 382d Abs 2 EO wird für einen derartigen Vollzug bestimmt, dass das Vollstreckungsorgan den Antragsgegner aus der Wohnung zu weisen und ihm alle Schlüssel zur Wohnung abzunehmen und bei Gericht zu erlegen hat. Es hat dem Antragsgegner Gelegenheit zur Mitnahme seiner persönlichen Wertsachen und Dokumente sowie jener Sachen zu gewähren, die seinem alleinigen persönlichen Gebrauch oder der Ausübung seines Berufs dienen. Gemäß § 382d Abs 3 EO hat das Vollstreckungsorgan dem beim Vollzug nicht anwesenden Antragsgegner auf seinen Antrag binnen zweier Tage Gelegenheit zu geben, seine Sachen im Sinn des Abs 2 aus der Wohnung abzuholen. Mit der Durchführung der Vollzugshandlungen im Rahmen einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs 1 EO kann das Gericht gemäß § 382d Abs 4 EO auch die Sicherheitsbehörden betrauen, wobei dieser Auftrag nicht nur eine einzelne Vollzugshandlung umfasst, sondern sich auf alle in der Folge notwendig werdenden Maßnahmen bezieht (Mottl, Alte und neue rechtliche Instrumente gegen Gewalt in der Familie, ÖJZ 1997, 542 [546 f]; Hopf/Kathrein, Eherecht § 382d EO Anm 3; König, Einstweilige Verfügungen**2 Rz 2/166; Erläut RV 252 BlgNR 20. GP 10 f zitiert von Kodek in Angst § 382d EO Rz 3 aE). Die - wie hier - bereits im Spruch der einstweiligen Verfügung (generell) mit dem Vollzug beauftragte Sicherheitsbehörde hat in diesem Fall gemäß § 382b Abs 4 Satz 2 EO auch nur auf Ersuchen der gefährdeten Partei - ohne vorherige Zwischenschaltung des Gerichts - einzuschreiten (Zechner aaO § 382c EO Rz 4).

Nichts anderes kann für die gegenständliche, vom Gegner der gefährdeten Partei beantragte Terminfestsetzung zur Abholung seiner persönlichen Sachen iSd § 382d Abs 2 EO gelten; geht es dabei doch - entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung - nicht um eine Aufhebung oder Einschränkung der getroffenen Verfügung gemäß § 399 EO (vgl dazu EvBl 2000/202), sondern um die "Vollzugsrezeptur" der Abs 2 und 3 des § 382d EO, wonach es in den Pflichtenkreis des Vollstreckungsorgans fällt, dem Gegner die Gelegenheit zur Mitnahme dieser Sachen (iSd Abs 2 leg cit) "zu gewähren" (dazu ausführlich: Zechner aaO § 382d EO Rz 2). Dass ihm die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hier offenbar bereits am 17. 10. 2000 anläßlich der Wegweisung gem § 38a SPG Gelegenheit gegeben haben, "dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen" (§ 38a Abs 2 vorletzter Satz SPG), kann daran schon deshalb nichts ändern, weil die (in Punkt 4 der einstweiligen Verfügung vom 20. 11.2000 mit dem Vollzug beauftragte) Sicherheitsbehörde insoweit (noch) gar nicht als Vollstreckungsorgan des Gerichts tätig war.

Die vom Revisionsrekurswerber behauptete "echte Lücke" ist nicht zu erkennen, weil das Gesetz sowohl für den Fall der Anwesenheit als auch für den - hier voliegenden Fall - der Abwesenheit des Gegners der gefährdeten Partei beim Vollzug der einstweiligen Verfügung Vorsorge getroffen hat: In jedem Fall ist ihm - "vom Vollstreckungsorgan" - Gelegenheit zur Mitnahme bzw Abholung seiner persönlichen Wertsachen und Dokumente sowie jener Sachen "zu gewähren", die seinem alleinigen persönlichen Gebrauch oder der Ausübung seines Berufes dienen (§ 382 Abs 2 Satz 2 und Abs 3 EO; Zechner aaO § 382d EO Rz 2). Dazu ist - auch wenn insoweit die Sicherheitsbehörden als Vollstreckungsorgan tätig werden - keine weitere Beschlussfassung des Gerichts erforderlich, weil sich die diesbezügliche Verpflichtung schon aus dem Gesetz ergibt.

Da die Zurückweisung des vorliegenden Antrages nicht zu beanstanden ist, muss auf die weiteren Rechtsmittelausführungen zu seiner materiellen Berechtigung nicht mehr eingegangen werden.

Dem unberechtigten Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 2 EO idF des GeSchG iVm §§ 41 und 50 ZPO. Die gefährdete Partei hat sich am drittinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt (6 Ob 77/99p).

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