OGH 2Ob270/01x

OGH2Ob270/01x25.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ivan D*, vertreten durch Dr. Karl Rümmele und Dr. Birgitt Breinbauer, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagten Parteien 1. Melitta S*, 2. Manfred K* und 3.* Versicherungs AG,* alle vertreten durch Fischer, Walla & Matt, Rechtsanwälte OEG in Dornbirn, wegen S 55.377 sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 14. August 2001, GZ 4 R 143/01m‑12, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 16. Mai 2001, GZ 3 C 388/01i‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2001:E63565

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

 

Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Am 29. 12. 1999 ereignete sich in Dornbirn auf der Ebniterstraße bei Schneefahrbahn ein Verkehrsunfall, bei dem der unbesetzte PKW des Norbert D* rückwärts gegen den im Eigentum des Klägers stehenden PKW rutschte. Infolge der winterlichen Straßenverhältnisse galt für die teilweise sehr steile und schmale Ebniterstraße zum Unfallszeitpunkt Schneekettenpflicht für sämtliche Kraftwagen. Trotzdem fuhr die Erstbeklagte ohne Schneeketten in Richtung Ebnit. Im steilsten Stück der Straße, wo ein flüssiges Passieren zweier PKW nicht möglich war, blieb sie "hängen". Wäre ihr Fahrzeug mit Schneeketten ausgerüstet gewesen, so wäre es nicht "hängengeblieben". Dadurch blockierte das Fahrzeug den gesamten Verkehr. Kurz darauf kam Alwin K* aus Richtung Dornbirn mit seinem mit Ketten ausgerüsteten PKW. Er fuhr in eine freie Ausweiche, um der Erstbeklagten zu helfen. Ihm folgte sodann Norbert D* mit seinem ebenfalls mit Schneeketten ausgerüsteten Allradfahrzeug. Da die Ausweiche bereits voll besetzt war, stellte er sein Fahrzeug neben jenem des Alwin K* auf der steilen Straße ab, legte einen Gang ein und zog die Handbremse an, um der Erstbeklagten und Alwin K* bei der Bergung des Fahrzeuges der Erstbeklagten zu helfen. Kurze Zeit später kam von unten auch noch der Kläger, an dessen Fahrzeug ebenfalls Schneeketten angelegt waren. Er blieb 5 m hinter dem Fahrzeug des Norbert D* auf der steilen Fahrbahn stehen um bei der Bergeaktion zu helfen. Es gab in der Nähe keine weitere Ausweiche.

Während die drei Männer und die in ihrem Fahrzeug sitzende Erstbeklagte versuchten, das Fahrzeug der Erstbeklagten ganz auf die Seite zu bringen, kam das Fahrzeug des Norbert D* infolge der schwierigen winterlichen Straßenverhältnisse und der Steilheit der Straße nach hinten ins Rutschen und stieß dabei gegen das Fahrzeug des Klägers, das noch gegen eine Felswand gedrückt wurde.

Die Vorinstanzen haben die Haftung der beklagten Parteien für den Schaden des Klägers bejaht.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur entscheidenden Frage des Umfangs des Schutzzweckes des Gebotszeichens nach § 52 lit b Z 22 StVO keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bestehe. Die Entscheidungen 2 Ob 128/882 Ob 137/89 und 2 Ob 11/91 behandelten Fälle, in denen der Schaden beim unmittelbaren Wegschaffen eines "hängengebliebenen" Kraftfahrzeuges entstanden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision der beklagten Parteien ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Es entspricht nämlich der ständigen Rechtsprechung, dass der Schutzzweck der Vorschrift des § 52 Z 22 StVO auch darin besteht, die Gefahren zu vermeiden, die beim Wegschaffen seines "hängen gebliebenen" Fahrzeuges von der schneebedeckten Fahrbahn entstehen (2 Ob 128/88; ZVR 1991/130). Gerade eine derartige Gefahr hat sich hier aber realisiert. Dass der Schaden nicht beim unmittelbaren Wegschaffen des "hängen gebliebenen" Kraftfahrzeuges entstanden ist, vermag daran nichts zu ändern.

Aber auch in der Revision der beklagten Parteien werden keine erheblichen Rechtsfragen dargetan.

Diese machen in ihrem Rechtsmittel weiters geltend, es fehle an der Adäquanz, weiters seien die Belastungsmomente auf Seite des Dritten, des Zeugen D*, der sein Fahrzeug gesichert hätte abstellen müssen, derart, dass der am Klagsfahrzeug eingetretene Schaden nicht mehr als eine zurechenbare Folge des Verhaltens bzw der Unterlassung der Erstbeklagten anzusehen sei.

Weiters läge eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor.

Ob aber im Einzelfall im Schaden noch als adäquate Folge eines schädigenden Ereignisses anzusehen ist, betrifft im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, weil dabei die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind und der Lösung dieser Frage keine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Adäquitätsfragen sind daher nur dann revisibel, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer gravierenden Fehlbeurteilung beruht (RIS‑Justiz RS0110361). Eine solche ist im vorliegenden Fall aber nicht erfolgt.

Die Zurechnung eines adäquaten Folgeschadens ist allerdings dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn eine umfassende Interessenabwägung ergibt, dass die Belastungsmomente auf Seite des Verletzten bzw eines Dritten jene des Ersttäters bei weitem überwiegen (ZVR 1999/67; 2 Ob 79/98a2 Ob 99/00y). Aber auch die Beurteilung dieser Frage hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab, weshalb auch insoweit eine erhebliche Rechtsfrage nicht vorliegt. Die Ansicht der Vorinstanzen, der eingetretene Schaden stelle noch eine zurechenbare Folge des Verhaltens der erstbeklagten Partei dar, stellt keine auffallende Fehlbeurteilung dar, welche die Zulässigkeit der Revision begründen würde (vgl 2 Ob 99/00y).

Was schließlich den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit betrifft, wurde dieser geprüft, er ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO), weshalb auch insoweit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind.

Die Revision der beklagten Parteien war deshalb zurückzuweisen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil sie auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der beklagten Parteien nicht hingewiesen hat.

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