OGH 2Ob183/01b

OGH2Ob183/01b9.8.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 14. April 2001 verstorbenen Michael S*****, infolge Revisionsrekurses des erblasserischen Sohnes Werner S*****, vertreten durch Dr. Georg Peterlunger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 1. Juni 2001, GZ 54 R 44/01v-13, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Lienz vom 3. Mai 2001, GZ 1 A 130/01p-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Bestätigung des Beschlusses, mit dem der erblasserischen Witwe die Abhaltung des Flohmarktes am 5. 5. 2001 gegen Rechnungslegung bewilligt wurde, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der Antrag, die erblasserische Witwe zum Verlassenschaftskurator gemäß § 78 AußStrG zu bestellen, abgewiesen.

Text

Begründung

Michael S***** ist am 14. 4. 2001 unter Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorben. Nach der letztwilligen Anordnung des Erblassers soll seine Witwe Universalerbin seines gesamten beweglichen und unbeweglichen Vermögens sein; nach ihrem Tod soll das Vermögen der erblasserischen Tochter zufallen, die als Nacherbin eingesetzt wurde.

Der erblasserische Sohn Werner wurde enterbt.

Bei der vor dem Gerichtskommissär am 2. 5. 2001 durchgeführten Tagsatzung erklärten die erblasserische Witwe und die Nacherbin wegen der zu erwartenden hohen Schulden sich bezüglich der Abgabe der Erbserklärungen noch Bedenkzeit auszubedingen. Sie beantragten die Witwe gemäß § 78 AußStrG zum Verlassenschaftskurator zu bestellen und ihr insbesondere noch die Abhaltung des Flohmarktes am 5. 5. 2001 gegen Rechnungslegung zu genehmigen. Sie begründeten diesen Antrag damit, dass für den Altwarenbetrieb dringende Verfügungen zu treffen und noch vom Erblasser für Samstag, den 5. 5. 2001, ein Flohmarkt terminisiert worden sei.

Das Erstgericht entsprach diesem Antrag. Dem dagegen vom erblasserischen Sohn Werner S***** erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht nicht Folge; es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit S 260.000 übersteigend und sprach aus, der Revisionsrekurs sei zulässig.

Das Rekursgericht führte aus, Voraussetzung für eine Kuratorbestellung nach § 78 AußStrG sei einerseits, dass die Erben entweder gänzlich unbekannt seien oder wenngleich bekannt, von ihrem Erbrecht trotz erfolgter Verständigung keinen Gebrauch machten. Als weitere Voraussetzung werde von der Rechtsprechung gefordert, dass eine Vertretung des ruhenden Nachlasses notwendig sei, weil dringende Verfügungen getroffen werden müssten, mit denen nicht zugewartet werden könne, bis sich die Erben entscheiden, ob sie Erbserklärungen abgeben wollen oder nicht. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall gegeben. Vom Erblasser sei die Abhaltung eines Flohmarktes für den 5. 5. 2001 angekündigt worden. Um diesen durchführen zu können, bedürfe es eines Kurators für den ruhenden Nachlass. Einer Inventarisierung bedürfe es nicht, weil eine bedingte Erbserklärung nicht abgegeben worden sei und auch kein Fall der amtswegigen Inventarserrichtung nach § 92 Abs 2 AußStrG vorliege. Der gerichtliche Auftrag, über den Verkaufserlös des Flohmarktes Rechnung zu legen, sei eine hinreichende Maßnahme, um das Ausmaß des veräußerten Nachlasses zu dokumentieren, weshalb die im Sinne des § 145 Abs 1 AußStrG der Kuratorin erteilte Genehmigung, Güter und Fahrnisse zu veräußern, nicht zu beanstanden sei.

Den Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil zur Frage, ob eine Veräußerung im Rahmen des Geschäftsbetriebes auch dann erfolgen könne, wenn ein Nachteil für den Nachlass nicht zu befürchten sei, wenn dieser Verkauf vorerst unterbleibe, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen den das Erstgericht bestätigenden Beschluss des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des erblasserischen Sohnes mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Beschluss des Erstgerichtes ersatzlos aufgehoben werde; hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass eine unbefangene dritte, nicht nachlassbeteiligte Person zum Verlassenschaftskurator bestellt werde.

Der Revisionsrekurs ist, soweit er sich gegen die Bestätigung der Genehmigung der Abhaltung des Flohmarktes am 5. 5. 2001 gegen Rechnungslegung richtet, unzulässig, im Übrigen aber berechtigt.

Der erblasserische Sohn macht in seinem Rechtsmittel geltend, die Abhaltung eines Flohmarktes, auch wenn dieser bereits angekündigt sei, sei keinesfalls eine dringende Verfügung, mit der nicht zugewartet werden könne, bis sich die Erben entschieden, ob sie die Erbserklärung abgeben wollen oder nicht. Beim Betrieb des Verstorbenen handle es sich um einen Altwarenhandel, bei dem nicht davon auszugehen sei, dass diese Altwaren, wenn sie einige Zeit später verkauft oder verwertet werden, weniger wert sein sollten.

Es sei im Interesse der Verlassenschaftsgläubiger, zu welchen der erblasserische Sohn als Noterbe gehöre, dass vor der Abhaltung des Flohmarktes der Umfang und die Anzahl der im Betrieb des Verstorbenen befindlichen Gegenstände festgestellt werde; erst dann könne eine ordnungsgemäße Rechnungslegung erfolgen.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Was die Bestätigung der Genehmigung der Abhaltung des Flohmarktes am 5. 5. 2001 gegen Rechnungslegung betrifft, fehlt es dem erblasserischen Sohn an der Beschwer, weil dieser Flohmarkt inzwischen abgehalten wurde. Die Frage, ob der erblasserischen Witwe die Abhaltung zu gestatten ist, ist sohin eine rein theoretische, es fehlt dem Rechtsmittelwerber an einer Beschwer, weil seine rechtlich geschützten Interessen durch den angefochtenen Beschluss nicht mehr unmittelbar beeinträchtigt werden. Sein Rechtsmittel ist daher insoweit unzulässig und zurückzuweisen (Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren3 Rz 57 mwN).

Gemäß § 78 AußStrG ist zur Verwaltung von Verlassenschaften, deren Erben gänzlich unbekannt sind, oder die, obgleich sie bekannt sind, von ihrem Erbrecht ungeachtet der Verständigung keinen Gebrauch machen, ein Kurator zu bestellen. Ein Verlassenschaftskurator ist weiters auch dann zu bestellen, wenn widersprechende Erbserklärungen abgegeben wurden (Welser, in Rummel3, ABGB, Rz 27 und 29 zu § 810). Aber selbst dann, wenn die Erben nicht säumig sind, kann ein Verlassenschaftskurator bestellt werden, wenn dringende Verwaltungs- oder Vertretungshandlungen erforderlich sind, mit denen nicht zugewartet werden kann, bis sich die Erben entscheiden, ob sie die Erbserklärung abgeben wollen oder nicht (Welser, aaO, Rz 28 zu § 810; Knell, Die Kuratoren im österr Recht, 101; EvBl 1966/287). Eine derartige Dringlichkeit ist nach Ansicht der Vorinstanzen hier gegeben, weil vom Erblasser die Abhaltung eines Flohmarktes für den 5. 5. 2001 angekündigt worden ist. Ob die Abhaltung des Flohmarktes durch die erblasserische Witwe eine dringende Verfügung darstellt, mit der nicht mehr zugewartet werden konnte, ist nicht zu prüfen, weil dem Rechtsmittel des erblasserischen Sohnes insoweit die Beschwer fehlt. Selbst wenn aber eine derartige Dringlichkeit annimmt, hätte der Wirkungskreis der Verlassenschaftskuratorin im Bestellungsbeschluss insoweit eingeschränkt werden müssen (Knell, aaO, 104). Sonstige dringende Verfügungen, mit denen nicht zugewartet werden kann, bis sich die Erben entscheiden, ob sie Erbserklärungen abgeben wollen oder nicht, wurden aber weder behauptet, noch sind sie aus dem Akteninhalt ersichtlich.

Es war daher insoweit dem Revisionsrekurs des erblasserischen Erben stattzugeben und der Antrag, die erblasserische Witwe zur Verlassenschaftskuratorin zu bestellen, abzuweisen. Auf die im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage der Inventarisierung (s hiezu allerdings § 92 Abs 2 Z 3 AußStrG) ist nicht einzugehen.

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