Spruch:
Der Delegierungsantrag wird abgewiesen.
Text
Begründung
Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Vorarlberg; er begehrt von der Beklagten, einer GmbH mit Sitz in Wien, Zahlung von S 212.000 sA; hiebei handle es sich um den Schaden, den er wegen Unterlassung der entsprechenden Aufklärung über das Risiko einer Geldanlage erlitten habe.
Das Handelsgericht Wien regte von sich aus nach Einlangen der Klagebeantwortung an, "die Parteien mögen im Hinblick auf den Wohnsitz der einzuvernehmenden Personen (Kläger und Zeuge P*****, allenfalls weiter beantragte Personen aus der dortigen Region) einen einvernehmlichen (§ 31a Abs 1 JN) oder einseitigen (§ 31 Abs 1 und 2 JN) Delegierungsantrag in Erwägung ziehen".
Hierauf beantragte der Kläger mit Schriftsatz ON 6, die Rechtssache an das Landesgericht Feldkirch zu delegieren. Der maßgebliche Zeuge Dr. Alois G***** und der Kläger wohnten in Vorarlberg, der von der beklagten Partei namhaft gemachte Zeuge Gert P***** in Innsbruck. Von den Aussagen dieser Personen werde die Entscheidung in diesem Rechsstreit im Wesentlichen abhängen, weshalb eine Einvernahme vor dem erkennenden Gericht zweckmäßig sein werde. Die Prozessführung beim angerufenen Gericht habe für die beklagte Partei zwar den Vorteil, dass das Verfahren an ihrem Sitz stattfindet, allerdings für die namhaft gemachten Zeugen und auch für den Kläger den Nachteil, nach Wien reisen zu müssen. Eine Anreise des Beklagtenvertreters zum Gericht in Feldkirch sei mit wesentlich weniger Aufwand verbunden als eine Anreise des Klägers samt Vertreter und Zeugen nach Wien. Es bestehe auch eine ausreichende Flugverbindung Wien - Altenrhein. Sollte die beklagte Partei argumentieren, dass eine Zureise nach Innsbruck einfacher wäre, sei der Kläger auch mit einer Delegierung nach Innsbruck einverstanden.
Die beklagte Partei beantragte, den Delegierungsantrag abzuweisen. Diese Delegierung würde die beklagte Partei erheblich benachteiligen und nur für den Kläger Vorteile bringen. Da der Vertreter der beklagten Partei die beklagte Partei ständig rechtsfreundlich vertrete und mit der Materie besonders vertraut sei, komme für die beklagte Partei auch eine Substitution des Prozesses nicht in Frage. Durch die Anreise des Beklagtenvertreters würden jedoch die Kosten für die beklagte Partei aufgrund des hohen Zeitaufwands erheblich steigen, während für die Anreise der Zeugen im Verhältnis geringe Kosten anfielen. Eine wesentliche Verbilligung oder Erleichterung der Amtstätigkeit sei aufgrund der geringen Anzahl der zu vernehmenden Personen durch die Delegierung daher nicht zu erwarten. Es bestehe keine Veranlassung, die gerichtliche Zuständigkeitsordnung zum überwiegenden Vorteil des Klägers zu durchbrechen. Die Frage der Zweckmäßigkeit der Delegierung lasse sich keinesfalls zugunsten beider Parteien lösen.
Das Erstgericht legte den Akt mit der Äußerung vor, es spreche sich für die Delegierung aus. Zwischen den Streitteilen bestehe einzig der formelle Bezug zu Wien im hier gelegenen Sitz der beklagten Partei. Der relevante Lebenssachverhalt habe sich zur Gänze in Westösterreich ereignet, wo alle unmittelbar bei den Gesprächen Anwesenden wohnhaft seien, aber auch mit hoher Wahrscheinlichkeit auch allfällige weiters namhaft zu machende Zeugen über den Inhalt der Aufklärungen, die der Zeuge P***** seinerzeit generell oder üblicherweise auch anderen potentiellen Anlageinteressenten zum Risiko der gegenständlichen Veranlagung erteilt habe (was bei maßgeblichen Unterschieden in den Aussagen der bisher beantragten Zeugen von wesentlicher Indizwirkung sein könnte).
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
Gemäß § 31 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Delegierungen aus einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen sind dem Obersten Gerichtshof vorbehalten.
Nach herrschender und ständiger Rechtsprechung (Mayr in Rechberger2 § 31 JN Rz 4; Ballon in Fasching**2 § 31 JN Rz 6 jeweils mwN) soll eine Delegierung nur den Ausnahmefall darstellen und keinesfalls durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden. Wenn sich daher die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien lösen lässt und eine Partei der Delegierung widersprochen hat, ist die Delegierung abzulehnen.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass schon im Hinblick auf den Streitwert von S 212.000 dem Kläger und den beiden bisher beantragten Zeugen die Zureise zum zuständigen Gericht zuzumuten ist. Ein Zeuge mit Wohnsitz in Innsbruck muss jedenfalls eine Zureise auf sich nehmen, und zwar entweder nach Wien oder, wenn der Delegierung stattgegeben würde, nach Feldkirch. Mutmaßungen, wie sie das Erstgericht ohne irgend einen konkreten Anhaltspunkt über das Erfordernis der Einvernahme weiterer Zeugen, deren Anzahl derzeit auch noch nicht abschätzbar sei, anstellt, haben jedenfalls in diesem Verfahrensstadium zu unterbleiben. Im Hinblick darauf, dass bei Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Feldkirch (bzw das Landesgericht Innsbruck) die Anreise des Vertreters der beklagten Partei von Wien nach Feldkirch bzw Innsbruck notwendig wäre, würde die Delegierung zwar eine Erleichterung für den Kläger, aber eine wesentliche Verschlechterung für die beklagte Partei bedeuten.
In einem solchen Fall, in dem sich die Frage der Zweckmäßigkeit der Delegierung nicht eindeutig zugunsten beider Parteien lösen lässt und eine Partei der Delegierung widersprochen hat, ist jedoch die Delegierung abzulehnen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)