OGH 15Os82/01

OGH15Os82/0128.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der beim Landesgericht Wiener Neustadt anhängigen Strafsache gegen Christian P***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über dessen Grundrechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 16. Mai 2001, AZ 20 Bs 179/01 (ON 58 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Christian P***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss vom 16. Mai 2001, AZ 20 Bs 179/01, gab das Oberlandesgericht einer Beschwerde des Christian P***** gegen die von der Untersuchungsrichterin am 26. April 2001 (neuerlich) verlängerte (am 18. März 2001 verhängte) Untersuchungshaft keine Folge und setzte diese nach § 180 Abs 7 StPO (aus den nicht auszuschließenden Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr) fort.

Gegen den Beschuldigten richtet sich der dringende Verdacht, das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB dadurch begangen zu haben, dass er am 15. März 2001 seine Ehefrau Andrea P***** durch Erwürgen vorsätzlich getötet hat.

Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde, mit der sowohl das Vorliegen des dringenden Tatverdachtes in Richtung § 75 StGB bestritten als auch eine unrichtige Beurteilung des Ausschlusses der Haftgründe und der Flucht- und Tatbegehungsgefahr, somit der Wegfall der Haftgrundlage nach § 180 Abs 7 StPO, behauptet wird, kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Vorbringen, auf Grund der - einem Zusammenbruch der Lebenssituation gleichkommenden - Umstände vor der Tat (nämlich der Provokation durch seine Ehefrau, der Konfrontation mit ihrem Wunsch auf Scheidung und dem ungewohnten Alkoholkonsum sowie der eigenen Verletzung) sei das Geständnis ebenso in Richtung (lediglich) des Verbrechens nach § 76 StGB zu relativieren wie auf Grund des Gutachtens der Psychologin Hofrätin Dr. Inge K*****, wird zum einen verkannt, dass es dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist, im Rahmen der Prüfung einer Grundrechtsbeschwerde auch nur durch den Anschein einer vorwegnehmenden Würdigung der die Verdachtsintensität tragenden Sachverhaltsprämissen der freien richterlichen Beweiswürdigung in einem allfälligen Erkenntnisverfahren vorzugreifen. Zum anderen vernachlässigt der Beschwerdeführer, wenn er die einzelnen Indizien aus dem Gesamtzusammenhang löst und isoliert zu entkräften trachtet, das Hauptargument des Beschwerdegerichtes, wonach es gerade aus dem Geständnis vor der Sicherheitsbehörde im Zusammennhang mit demjenigen in der ersten Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter, das auch seine Motivationslage wiedergab, dem Abschiedsbrief, dem vorläufigen Obduktionsbericht, den Bekundungen des Zeugen Hubert G***** sowie mit den sich aus dem Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers dokumentierenden Selbst- und Fremdaggressionstendenzen jene entscheidenden Tatsachen (= die tatsächliche Grundlage) erschloss, aus der es den (Verdachts-)ausspruch über das Vorliegen der Haftvoraussetzungen wegen Verdachtes des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB abgeleitet hat.

Damit kommt der Oberste Gerichtshof bei der hier aktuellen Prüfung, ob der der rechtlichen Beurteilung im angefochtenen Beschluss unterstellte Sachverhalt in den bisherigen Verfahrensergebnissen Deckung findet, zum Ergebnis, dass die Sachverhaltsprämissen des angefochtenen Beschlusses unbedenklich sind.

Zu Recht hat das Oberlandesgericht aber auch bei bestehendem dringendem Mordverdacht die Haftvoraussetzungen des § 180 Abs 7 StPO als gegeben erachtet und (unter Anlegung eines strengen Maßstabes, vgl 12 Os 134/95, 15 Os 156/99, 15 Os 22/00) den Ausschluss des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr begründet verneint. Dabei hat es auf das sowohl aus der Tat erhellende als auch (laut Sachverständigengutachten) generell beim Angeklagten in konflikthaften Lebenseinbrüchen schwere Aggressionshandlungen in dem Bereich des Möglichen stellende Aggressionspotential im Zusammenhang mit dem Verlust der familiären Bindungen Bedacht genommen und für den Fall einer Entlassung aus der Haft eine mögliche Konfrontation mit dem den Scheidungsgrund darstellenden Mann in Freiheit als weitere, die Aggressivität fördernde Konfliktsituationen erwogen. Weder die Behauptungen, "keinesfalls bestehe beim Beschuldigten ein Aggressionspotential, welches sich als auffällig darstellt" sowie jene, der Angeklagte ziehe keine weitere Kontaktnahme zu Herbert G***** in Erwägung, noch das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei nicht willens, die in Österreich aufgebauten familiären und wirtschaftlichen Beziehungen aufs Spiel zu setzen, stellen konkrete Tatsachen dar, die angesichts der gegenständlichen Fallkonstellation den angeführten Haftgrund ausschließen oder dessen Substituierbarkeit indizieren.

Im Hinblick auf den nicht auszuschließenden Haftgrund der Tatbegehungsgefahr erübrigt sich im Grundrechtsbeschwerdeverfahren die Prüfung weiterer Haftgründe (Hager/Holzweber GRBG § 2 E 24) und somit ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen zur Fluchtgefahr.

Christian P***** wurde daher in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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