OGH 9ObA144/01v

OGH9ObA144/01v7.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Norbert Riedl und Mag. Albert Ullmer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gerhard O*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei C***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 493.921,63 brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. März 2001, GZ 8 Ra 212/00h‑18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. September 2001, GZ 31 Cga 15/00k‑12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.375 (darin S 3.562,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 15. 8. 1966 bis zu seiner Entlassung vom 21. 10. 1999 bei der beklagten Partei als Außendienstmitarbeiter angestellt.

Sein Aufgabenbereich umfasste sowohl die Betreuung des bestehenden Kundenstocks, um als Ansprechpartner den geschäftlichen Kontakt aufrecht (für Bestellungen aber auch Reklamationen) zu erhalten, als auch die Anwerbung von Neukunden. Die Dauer und Anzahl der Kundenbesuche war völlig unterschiedlich und konnte für einen Kunden zwischen 5 Minuten bis zu einem ganzen Arbeitstag in Anspruch nehmen. Der Kläger war nicht an fixe Dienstzeiten gebunden, erhielt aber auch keine Überstunden vergütet. Die mit dem Dienstfahrzeug beabsichtigten Kundenbesuche wurden im Vorhinein in einen der beklagten Partei bekannt gegebenen Tourenplan eingetragen, doch kam es regelmäßig zu Abweichungen davon. In diesem Fall erfolgte weder eine Korrektur des schriftlichen Plans noch eine Verständigung der beklagten Partei, was von dieser aber, weil der Kläger weitgehende Freiheiten genoss, toleriert wurde.

Als der Kläger im Jahre 1997 das Amt des Bürgermeisters der Gemeinde ***** übernahm, akzeptierte die davon informierte beklagte Partei, dass er auch während der Dienstzeit einzelne Agenden für diese außerberufliche Funktion durchführte. Diese zusätzliche Tätigkeit führte dazu, dass der Kläger geringeren Kontakt zum Innendienst hielt, die Anzahl der von ihm geworbenen Neukunden rückläufig wurde und die ihm zurechenbaren Gesamtumsatzzahlen sanken. Eine scheinbare Steigerung im Jahre 1998 hatte zur Ursache, dass dem Kläger zusätzlich zum Druck- auch der Repro‑Berich zugeteilt worden war. Nach mehrfachen Vorhaltungen durch die Geschäftsführung betreffend den Umsatzrückgang, welche keine Änderung bewirkten, wurden deshalb im Jahre 1999 mit dem Kläger mehre Gespräche über eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt, welche aber kein Ergebnis brachten. Der Kläger wurde daher mit Kündigungsschreiben vom 30. 6. 1999 unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31. 12. 1999 gekündigt. Vom Ausspruch der Kündigung bis zu seiner Entlassung war der Kläger zwar mit mehreren potentiellen Neukunden im Kontakt, konnte daraus jedoch nur einen konkreten Auftrag vermitteln. Die Altkunden betreute er ordnungsgemäß weiter.

In der Zeit vom 6. 9. 1999 bis 10. 10. 1999 befand sich der Kläger wegen eines Hämorrhoidenleidens im Krankenstand; am 20. 9. 1999 wurde er deshalb operiert. Der Kläger verspürte in der Folge starke Schmerzen und konnte deshalb keine längeren Autofahrten unternehmen, was aber einen Gutteil seiner Außendiensttätigkeit darstellte. Auch längeres Sitzen bereitete ihm Schmerzen. Unmittelbar nach der Operation musste er wegen der noch vorhandenen Blutungen in bestimmten Zeitabständen zu wechselnde Einlagen tragen. Er führte sowohl vor als auch nach der Operation einfache Tätigkeiten sowohl für die beklagte Partei als auch in seiner Eigenschaft als Bürgermeister aus:

Am 10. 9. 1999 unternahm er für die beklagte Partei eine Dienstreise nach Wien, um dort zwei Kunden zu besuchen. Die meiste restliche Zeit des Krankenstandes stand das Dienstauto auch anderen Mitarbeitern der Beklagten zur Verfügung. Der Kläger verrechnete aber keine Spritkosten solcher Fremdfahrten für sich selbst.

Am 27. 9. 1999 hielt sich der Kläger im Gemeindeamt auf, um dort diverse Tätigkeiten als Bürgermeister durchzuführen. Anschließend suchte er die Sportplatzkantine und noch ein weiteres Lokal auf, wo er eine dienstliche Besprechung mit dem Vertreter eines Kunden der beklagten Partei führte.

Am 30. 9. 1999 besichtigte der Kläger in Klagenfurt ein Feuerwehrauto, welches von seiner Gemeinde angeschafft werden sollte.

An den Folgetagen nach Beendigung seines Krankenstandes erbrachte der Kläger - entgegen dem Vorbringen der beklagten Partei - ebenfalls Dienstleistungen für sie.

So verrichtete er am 11. 10. 1999 am Vormittag Erledigungen im Betrieb der beklagten Partei, empfing auch im Gemeindeamt einen Kunden der Beklagten und begab sich mit dem Dienstfahrzeug zu zwei weiteren Kunden, welche in seinem Tourenplan eingetragen waren. Vier weitere, im Tourenplan eingetragene Kunden konnte er aus Zeitgründen nicht mehr besuchen.

Am 12. 10. 1999 absolvierte er im Zuge einer Dienstfahrt nach Wien, welche er gegen 11 Uhr begann, zwei Kundenbesuche, nachdem er schon in der Früh ein Kundengespräch geführt hatte. Erst kurz vor Mitternacht traf er wieder zu Hause ein.

Am 13. 10. 1999 besuchte er ab 11 Uhr mehrere Kunden in Graz, auf der Heimfahrt noch zwei Kunden in Eibiswald bzw Völkermarkt.

Am 14.10. 1999 suchte der Kläger zunächst drei Betriebe in Spittal auf, um dann um 10 Uhr in seiner Eigenschaft als Bürgermeister an einem Begräbnis teilzunehmen. An diesem Tage fanden aber auch noch weitere Kundenbesuche statt. Der Kläger hatte an den Tagen vom 11. bis 15. 10. 1999 den Tourenplan nicht eingehalten dh., er hatte einerseits nicht alle eingetragenen Kunden, andererseits aber andere, nicht verzeichnete Kunden besucht. Von diesen Abweichungen verständigte er die Beklagte nicht.

Auf Grund der Ergebnisse von Beobachtungen durch eine private Detektei, welche während des Krankenstandes des Klägers und einige Tage darüber hinaus gemacht worden waren, entließ die beklagte Partei den Kläger.

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Entlassung des Klägers berechtigt war, zutreffend verneint. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Nach der Rechtsprechung (9 ObA 112/97d mwN = DRdA 1998, 207 ((Mayr)) = RdW 1998, 483 = ARD 4974/22/98 = Arb 11.645) darf ein im Krankenstand befindlicher Arbeitnehmer, welcher keine bestimmten ärztlichen Anordnungen für sein Verhalten im Krankenstand erhalten hat, zwar die nach der allgemeinen Lebenserfahrung üblichen Verhaltensweisen nicht betont und offenkundig verletzen und dadurch den Heilungsverlauf gefährden, doch hat der Kläger ein solches, die Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 3. Fall AngG) bewirkendes Verhalten gar nicht gesetzt. Die vom Kläger- wie festgestellt wurde - einfachen, wenngleich auch im Sitzen ausgeübten Tätigkeiten im Rahmen seiner Bürgermeisterfunktion erreichten keineswegs einen solchen Umfang oder eine solche Intensität, dass man damit objektiv eine (theoretische) Gefährdung des Heilungsverlaufs in Verbindung bringen würde. Diese Verrichtungen lassen auch nicht den Schluss auf eine früher eingetretene Arbeitsfähigkeit zu, weil die im Rahmen des Dienstes anfallenden Verrichtungen, insbesonders ständiges, oft stundenlanges Fahren mit einem Pkw, zweifelsohne wesentlich größere Belastungen mit sich gebracht hätten.

Auch die Verletzung von Informationspflichten (Abweichen vom Routenplan ohne Verständigung der Dienstgeberin) kann die Beklagte nicht wirksam als Entlassungsgrund nach § 27 Z 1 3. Fall AngG ins Treffen führen: Da sie dieses Verhalten jahrelang ohne Beanstandung toleriert hatte, wäre es an ihr gelegen, dem Kläger entweder entsprechend neue Weisungen zu erteilen, oder ihn zu ermahnen, was jedoch unterblieben ist.

Genauso wenig überzeugend ist schließlich das Argument, der Kläger habe sich durch Ausübung seines Bürgermeisteramtes während der Dienstzeit einer beharrlichen Verweigerung seiner Dienstpflichten schuldig gemacht: Zum einen hatte der Kläger keine festen Dienstzeiten. Zum anderen hatte die beklagte Partei auf die zurückgegangenen Verkaufserfolge des Klägers ohnehin schon mit einer Kündigung reagiert und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass ihr eine Weiterbeschäftigung des Klägers während der Kündigungsfrist - auch ohne Änderung dessen Arbeitsweise - zumutbar schien. Da den Feststellungen zufolge keine merkbare Verschlechterung der Arbeitsweise des Klägers nach Ausspruch der Kündigung stattfand, hätte es einer Ermahnung durch die Dienstgeberin (Kuderna Entlassungsrecht2 115; RIS‑Justiz RS0029746) bedurft, um im Verhalten des Klägers das für eine Entlassung nach § 27 Z 4 AngG regelmäßig notwendige Element der Beharrlichkeit sehen zu können.

Soweit sich die beklagte Partei auf angebliche Dienstpflichtverletzungen (Unterlassung von Dienstleistungen) nach Beendigung des Krankenstandes des Klägers beruft, weicht sie in unzulässiger Weise von den Feststellungen ab, sodass darauf nicht einzugehen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte