OGH 1Ob114/01y

OGH1Ob114/01y29.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U*****gesellschaft m. b. H., ***** vertreten durch Dr. Gerhard Kucher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, und den Nebenintervenienten Johann F*****, vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag und Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei M***** Gesellschaft m. b. H., ***** vertreten durch Dr. Michael Mülner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 122.623,99 S sA infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 88.290,66 S sA) gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2001, GZ 3 R 309/00a-58, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts St. Veit/Glan vom 27. Juni 2000, GZ 1 C 2402/98i-52, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.086,40 S (darin 1.014,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten deren Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Dem Nebenintervenienten fallen dagegen die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zur Last.

Text

Begründung

Die beklagte Partei errichtete 1997 auf ihrem Betriebsgelände ohne verwaltungsbehördliche Genehmigung eine Betriebstankanlage mit einem Fassungsvermögen des Tanks von 45.000 Litern. Der Tank war ein alter Plattentank, der damals einen Wert von 50.000 bis 80.000 S hatte. Die für die Tankanlage erforderliche verwaltungsbehördliche Genehmigung hätte nicht erwirkt werden können, weil die Tankanlage generellen Normen über die Lagerung von Mineralölen sowie dem Wasserrechtsgesetz widersprach. Die beklagte Partei bestellte bei der klagenden Partei Dieseltreibstoff zur Befüllung des Tanks. Letztere bediente sich für die Lieferung des Nebenintervenienten. Der Transport wurde am 3. 6. 1997 durchgeführt. Der Kraftfahrer des Nebenintervenienten füllte

13.901 l Dieseltreibstoff in den Tank, in dem sich noch eine Restmenge von 2.093,69 l befunden hatte. Die Befüllung erzeugte einen Überdruck, der eine Bombierung des Tanks und in weiterer Folge eine Beschädigung der Stahlbetondecke über dem Tankraum verursachte, weil deren Holzschalung nicht rechtzeitig entfernt worden war. Der bombierte Tank ist wertlos. Da dieser nach dem schädigenden Ereignis nicht mehr verwendbar war, kaufte die beklagte Partei von 1997 bis 1999 Dieselstreibstoff in jeweils kleineren Mengen und musste deshalb im Vergleich zum Kauf größerer Einzelmengen bei gleicher Gesamtmenge 1997 114.368 S, 1998 167.398,73 S und 1999 178.562,46 S mehr auslegen.

Die klagende Partei begehrte den Zuspruch von 122.623,99 S als Kaufpreis für den gelieferten Dieseltreibstoff.

Die beklagte Partei wendete - gestützt auf den Titel des Schadenersatzes - unter anderem Gegenforderungen von 80.000 S als Zeitwert des Tanks vor dem schädigenden Ereignis und von 460.329,20 S an erhöhtem Kaufpreis für den Dieseltreibstoff aufrechnungsweise ein. Bei deren Berechnung sei von dem im Zeitraum 1997 bis 1999 für den Dieseltreibstoff tatsächlich ausgelegten Betrag jener geringere Betrag abzuziehen, der - bei Unterbleiben des schädigenden Ereignisses - nach dem Erwerb jeweils größerer Einzelmengen zu zahlen gewesen wäre.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit 122.623,99 S und die eingewendete Gegenforderung mit 21.666,67 S zu Recht bestehen. Daher sei die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei 100.957,32 S sA zu bezahlen. Das Mehrbegehren von 21.666,67 S sA sei dagegen abzuweisen. Das Erstgericht hielt die auf Ersatz des Zeitwerts des beschädigten Tanks gestützte Gegenforderung für berechtigt und legte der Schadensberechnung eine Verschuldensteilung von 2 : 1 zu Lasten der beklagten Partei zugrunde.

Das Berufungsgericht hielt eine Gegenforderung von insgesamt 34.333,33 S für berechtigt, weil die beklagte Partei - auf der Grundlage der zu billigenden Verschuldensteilung durch das Erstgericht - auch Anspruch auf Ersatz des Schadens an der Betondecke habe. Demnach seien 88.290,66 S sA zuzuerkennen und das Mehrbegehren von 34.333,33 S sA abzuweisen. Im Übrigen sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht unter anderem, die beklagte Partei könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie bei Unterbleiben des Schadensereignisses Dieseltreibstoff wegen der durch den Tank gegebenen Lagermöglichkeit billiger eingekauft hätte, sei doch "diese Art der Lagerung - analog den §§ 878, 879 Abs 1 ABGB - entgegen den einschlägigen Vorschriften erfolgt und auch nicht genehmigungsfähig gewesen". Ein Schadenersatzanspruch lasse sich nicht auf Vermögensvorteile aus der Aufrechterhaltung eines gesetzwidrigen Zustands stützen. Zur Lösung dieser Frage mangle es allerdings an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, weshalb die ordentliche Revision zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

1. Der erkennende Senat sprach in seiner Entscheidung 1 Ob 10/90 (= SZ 63/106) nach ausführlicher Erörterung der Rechtslage aus, der Ersatz entgangenen Gewinns sei ein Äquivalent für eine im Rahmen der Gesetze bestehende, jedoch rechtswidrig beschränkte wirtschaftliche Handlungsfreiheit. Habe eine entsprechende Handlungsfreiheit von vornherein gefehlt, so sei auch nicht ihr vermeintlicher Wegfall ausgleichbar. Es sei allerdings nicht das formale Erfordernis der Erteilung einer verwaltungsbehördlichen Genehmigung entscheidend; von Bedeutung sei vielmehr nur, ob die zur Ausübung erforderliche Genehmigung im maßgeblichen Zeitpunkt oder Zeitraum erteilbar gewesen wäre. Bei Bejahung der Genehmigungsfähigkeit sei auch eine bewusste Missachtung der Genehmigungspflicht durch den Geschädigten belanglos. Daraus ist als Grundsatz ableitbar, dass sich ein Vermögensvorteil, der bei rechtstreuem Verhalten nicht erlangbar gewesen wäre, auch nicht auf dem Umweg über die Zuerkennung eines Schadenersatzanspruchs erzielen lässt. Daran ist festzuhalten.

2. Die beklagte Partei zieht nicht in Zweifel, dass sie für ihre Tankanlage eine verwaltungsbehördliche Genehmigung nicht hätte erwirken können. Sie meint jedoch, sie habe Anspruch auf Ersatz der "Einkaufsdifferenzen", weil auch der durch das schädigende Ereignis verursachte Vermögensnachteil infolge der faktischen Unverwendbarkeit einer verwaltungsbehördlich nicht genehmigungsfähigen Tankanlage ersatzfähig sei und der Mangel der verwaltungsbehördlichen Genehmigung ohnehin durch die Verschuldensteilung sanktioniert werde.

Mit dieser Argumentation verkennt die beklagte Partei die unter 1. erläuterte Rechtslage. Konnte sie einen Vermögensvorteil vor dem schädigenden Ereignis nur durch rechtswidriges Verhalten erzielen, so kann sie die durch die entfallene Möglichkeit eines fortgesetzten, durch eine nachträgliche verwaltungsbehördliche Genehmigung nicht sanierbaren rechtswidrigen Verhaltens eingetretene Vermögenseinbuße, die den Entgang eines Gewinns bewirkte, nicht auf einen Dritten überwälzen. Würde man dies bejahen, so würde man damit das Recht der beklagten Partei auf Aufrechterhaltung eines gesetzwidrigen Zustands zu Lasten eines Dritten anerkennen. Die beklagte Partei übersieht somit, dass sie auch ohne das schädigende Ereignis verpflichtet gewesen wäre, die Weiterverwendung ihrer verwaltungsbehördlich nicht genehmigungsfähigen Tankanlage zu unterlassen.

Die Revisionswerberin behauptet überdies, sie habe Anspruch auf Ersatz des Zeitwerts der verwaltungsbehördlich nicht genehmigten "Tankstellenanlage" im Schädigungszeitpunkt, ohne daraus bestimmte, ihren Prozessstandpunkt begünstigende Folgen abzuleiten. Insofern ist sie darauf zu verweisen, dass ihre Aufrechnungseinrede, soweit sich diese auf die Beschädigung des Tanks und der Stahlbetondecke des Tankraums bezog, ohnehin teilweise erfolgreich war.

Schließlich wendet sich die beklagte Partei noch gegen die Verschuldensteilung der Vorinstanzen und strebt die Teilung des Verschuldens im Verhältnis von 2 : 1 zu Lasten der klagenden Partei an. Einer bloßen Ermessensentscheidung über die Teilung oder die Schwere eines Verschuldens kommt jedoch im Allgemeinen keine über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung zu. Wenn das Berufungsgericht die Grundsätze der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beachtete, also die Rechtslage nicht verkannte und seine Ermessensentscheidung nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles traf, ohne von einer durch die ständige Rechtsprechung anerkannten Ermessensübung extrem abzuweichen, wirft die Lösung einer Verschuldensfrage keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf (2 Ob 129/99f uva). Einen gravierenden Ermessenfehler in Ansehung der bekämpften Verschuldensteilung zeigt die beklagte Partei in der Revision nicht auf.

3. Der Obersten Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO gebunden. Aus den voranstehenden Erwägungen folgt, dass die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO abhängt. Das Berufungsgericht löste auch die Frage nach der Ersatzfähigkeit der geltend gemachten "Einkaufsdifferenzen" im Einklang mit einem durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärten schadenersatzrechtlichen Grundsatz. Die Revision ist somit zurückzuweisen.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 40 und 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die klagende Partei wies auf die Unzulässigkeit der Revision der beklagten Partei hin. Ihre Revisionsbeantwortung diente daher einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weshalb die beklagte Partei die notwendigen Kosten dieses Schriftsatzes zu ersetzen hat. Nicht zuzuerkennen ist der verzeichnete Streitgenossenzuschlag, weil der Rechtsanwalt der klagenden Partei nicht mehrere Personen vertrat und der klagenden Partei im Prozess auch nicht mehrere Personen gegenüberstanden (§ 15 RATG). Der Nebenintervenient unterließ einen Hinweis auf die Unzulässigkeit der Revision. Seine Revisionsbeantwortung war daher einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht dienlich, weshalb ihm deren Kosten selbst zur Last fallen.

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