Spruch:
Beide außerordentlichen Revisionen werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Erstgericht wies das Begehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle Schäden, die dem Kläger als Eigentümer eines bestimmten Grundstücks durch Untersagung des Gehens und Fahrens auf einer bestimmten Zufahrtsstraße durch einen oder mehrere Miteigentümer der Nachbarliegenschaft entstehen, ab.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige, und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen der beklagten Partei und des Nebenintervenienten sind unzulässig.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts war nicht zu erörtern, ob eine Schädigung des Klägers von vornherein auszuschließen sei, "weil eine - das Bedürfnis nach einer Benützung der Aufschließungsstraße erst auslösende - Parzellierung und Bebauung des klägerischen Grundstücks ... von der Behörde aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften sowieso nicht gestattet würde", seien doch die nunmehrigen Revisionswerber in den Berufungsbeantwortungen nicht mehr auf diese Prozessbehauptung zurückgekommen. Überdies hielt das Berufungsgericht - gestützt auf die Entscheidungspraxis des Obersten Gerichtshofs und ohne Zusammenhang mit dem zuvor erörterten Thema - fest, eines Vorgehens nach § 473a ZPO habe es nicht bedurft, weil die Entscheidung nicht auf "verborgenen" erstgerichtlichen Feststellungen beruhe.
1. 1. Die Revisionswerber hatten im Verfahren erster Instanz behauptet, eine "Bebauung der klägerischen Parzelle" könne "aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschrift (rote und gelbe Zone) ohnehin nicht erfolgen" (ON 18 S. 2 f). Das betreffe einen "Großteil der Liegenschaft" ..., "der restliche Bereich" sei "Aufschließungsfläche" (ON 18 S. 14 f). Darauf gestützt rügen sie nunmehr Feststellungsmängel, stellen unter Berufung auf den Revisionsgrund gemäß § 503 Z 2 ZPO eine Verbindung mit der angeblich zu Unrecht unterbliebenen Anwendung des § 473a ZPO her und sind offenkundig der Ansicht, das Berufungsgericht hätte ihnen die Rüge der behaupteten Feststellungsmängel nach § 473a ZPO ermöglichen müssen.
Die Revisionswerber verkennen den Anwendungsbereich des § 468 Abs 2 iVm § 473a ZPO. Dieser bezieht sich nicht auf Feststellungsmängel, sondern bloß auf primäre Verfahrensmängel und unrichtige Tatsachenfestellungen (EvBl 1998/166 = MietSlg 50.764/16), sind doch Feststellungsmängel im Rahmen der Rechtsrüge geltend zu machen (4 Ob 544/94; JBl 1982, 311; SZ 23/175 uva). Eine Partei, die in erster Instanz obsiegte, ist somit nicht verpflichtet, Feststellungsmängel in der Berufungsbeantwortung zu rügen (EvBl 1998/166 = MietSlg 50.764/16; 4 Ob 544/94). Wird das Ersturteil im Berufungsverfahren - so wie hier - abgeändert, kann die im zweitinstanzlichen Verfahren unterlegene Partei allfällige Feststellungsmängel in der Revision rügen.
1. 2. Das Erstgericht stellte unter anderem fest:
"Im Zusammenhang mit der Erstellung eines Flächenwidmungsplanes hat der Kläger 1994 gegenüber der Stadtgemeinde ... seine Absicht angegeben, das Grundstück 409/1 zu bebauen. Bis nun ist der Flächenwidmungsplan nicht erstellt."
Danach mangelt es an einer Feststellung, die künftige Erstellung des Flächenwidmungsplans werde das Grundstück 409/1 nicht als Baufläche ausweisen können, weil es in der "roten und gelben Zone" gelegen sei.
Der in den Revisionen gerügte Feststellungsmangel kann den Urteilen der Vorinstanzen schon deshalb nicht anhaften, weil die unter 1. 1. referierten Prozessbehauptungen unbestimmt und daher ungenügend sind. Möglicherweise bezog sich das Vorbringen auf behördliche Pläne über Gefahrenzonen, die einer Widmung von Teilen oder des ganzen Grundstücks 409/1 als Bauland entgegenstehen bzw eine Verbauung nach einer allfälligen Baulandwidmung nur unter bestimmten Auflagen erlauben.
Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, Vermutungen über die konkrete Bedeutung von Prozessvorbringen anzustellen. Die Revisionswerber hätten daher den Begriff der "gelben" und "roten" Zonen inhaltlich verdeutlichen, jene Teile des Grundstücks 409/1, die von der einen oder der anderen Zone erfasst sein sollen, präzisieren und schließlich auch darlegen müssen, ob die Unterscheidung zwischen "gelben" und "roten" Zonen Differenzierungen in der Bebaubarkeit des Grundstücks bedingten. Das erstgerichtliche Protokoll über den Verhandlungstermin vom 25. 5. 2000 (ON 18) lässt überdies nicht erkennen, welche der Beweisanträge dem Nachweis der erörterten Tatsachenbehauptungen zuzuordnen sind. Ob im Unterbleiben einer Anleitung, ungenügende Tatsachenbehauptungen zu vervollständigen und die gestellten Beweisanträge entsprechend zuzuordnen, eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens zu erblicken wäre, ist mangels Verfahrensrüge nicht zu beurteilen.
2. Nach der Überzeugung der beklagten Partei kann eine "nur theoretische Möglichkeit einer abstrakt/hypothetischen Schädigung" das Feststellungsbegehren nicht rechtfertigen. Die Revisionswerberin übergeht jedoch den Umstand, dass sie es verabsäumte, dem Kläger - einer übernommenen Vertragspflicht entsprechend - eine gesicherte Rechtsposition für die Benützung der Aufschließungsstraße zu verschaffen. Das Berufungsgericht setzte sich mit dieser Frage ausführlich und unter Berücksichtigung aller bedeutsamen rechtlichen Zusammenhänge auseinander. Die beklagte Partei versuchte erst gar nicht, diese in sich geschlossene Argumentation im Einzelnen zu widerlegen. Sie verkennt ferner, dass das Berufungsgericht ihre Haftung nicht wegen einer nicht erfüllten Garantieverpflichtung, sondern bloß deshalb bejahte, weil sie dem Kläger vertragswidrig keine gesicherte Rechtsposition gegenüber den nunmehrigen Reihenhauseigentümern verschaffte. Es geht also ohnehin nicht darum, dass die beklagte Partei "für jedes, von ihren Rechtsnachfolgern ausgesprochene Benützungsverbot einzustehen" hätte, selbst wenn sie ihrer Vertragspflicht gegenüber dem Kläger nachgekommen wäre.
Soweit die beklagte Partei behauptet, ein in Zukunft bloß möglicher Schadenseintritt begründe noch kein Feststellungsinteresse, ist sie auf die gegenteiligen Erwägungen des Berufungsgerichts, die sich auf die durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickelten Grundsätze stützen, zu verweisen.
Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang auch die Ansicht des Nebenintervenienten, nach der Entscheidung 1 Ob 621/95 (= SZ 68/238 ((verstärkter Senat)) über die Verjährung von Schadenersatzansprüchen sei der Mangel eines Feststellungsinteresses anzunehmen, wenn ein "Erstschaden" noch nicht eingetreten sei. Damit negiert der Revisionswerber die neben der Vermeidung der Verjährung von Folgeschäden bestehenden weiteren Zwecke einer Feststellungsklage. Diese werden auch in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des erkennenden Senats 1 Ob 155/97v (= SZ 71/5) erläutert. Deshalb schrieb der Oberste Gerichtshof auch nach der Entscheidung 1 Ob 621/95 die ständige Rechtsprechung fort, dass Klagen auf Feststellung der Ersatzpflicht künftiger Schäden selbst dann zulässig sind, wenn durch das (potentiell) schädigende Ereignis noch kein Schaden verursacht wurde, jedoch künftig die bloße Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht (6 Ob 335/00h; JBl 2001, 107). Es kann nur nicht eine erst künftig allenfalls eintretende Rechtslage als hypothetischer Klagegrund erfolgreich geltend gemacht werden (1 Ob 120/99z). Der hier zu beurteilende Feststellungsanspruch fällt nicht unter diese Kategorie, was auf dem Boden der maßgebenden Tatsachen aus der Lektüre der vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs folgt und deshalb keiner weiteren Erläuterung bedarf.
3. Nach Ansicht des Nebenintervenienten hängt die Entscheidung auch deshalb von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ab, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Voraussetzungen der dauernden Widmung einer Privatstraße durch den Grundeigentümer für den allgemeinen Verkehr nach § 40 Abs 1 lit a Sbg LStG fehle. Der Revisionswerber übergeht jedoch die Begründung des Berufungsgerichts, dass die Rechtsposition des Klägers selbst dann (noch) nicht gesichert wäre, wenn die Gerichte im Anlassfall zum Ergebnis gelangten, eine Widmung im Sinne des § 40 Abs 1 lit a Sbg LStG sei erfolgt, weil die Straßenrechtsbehörde im Falle ihrer Anrufung nicht an diese in einem zivilrechtlichen Urteil entschiedene Vorfrage gebunden wäre. Gerade der Mangel einer bereits bestehenden gesicherten Rechtsposition des Klägers veranlasste aber das Berufungsgericht, dem Feststellungsbegehren stattzugeben.
3. 1. Für den Nebenintervenienten ist es im Übrigen "völlig eindeutig", dass die beklagte Partei "die Aufschließungsstraße bereits im Rahmen des Bauplatzerklärungsverfahrens sowie des Baubewilligungsverfahrens dauernd für den allgemeinen Gebrauch gemäß § 40 Abs 1 lit a LStG gewidmet" habe. Dementgegen legte das Berufungsgericht unter Erörterung aller im Kontext der zu lösenden Rechtsfrage maßgebenden Details dar, weshalb es diese Ansicht nicht teile. Wenngleich der Nebenintervenient insofern umfangreicher als die Hauptpartei argumentiert, versucht auch er nicht, die Detailbegründung des Berufungsgerichts konkret zu widerlegen.
4. Der Nebenintervenient vertritt ferner noch den Standpunkt, der Kläger habe schon deshalb eine gesicherte Rechtsposition erlangt, weil 29 von 48 Miteigentümern dem Begehen und Befahren der Aufschließungsstraße durch den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks 409/1 (schriftlich) zugestimmt hätten. Es handle sich um eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung, die durch eine - auch die anderen Miteigentümer bindende - Mehrheitsentscheidung geklärt sei. Die anderen Miteigentümer hätten zwar keine schriftliche Erklärung abgegeben, aber "nie Einwände gegen ein Fahren und Gehen durch den Kläger erhoben". Es steht dagegen fest, dass keiner der Miteigentümer einen auf Veranlassung der beklagten Partei erstellten Vertragsentwurf über die Einräumung einer Dienstbarkeit unterfertigte. In dem von den Streitteilen geschlossenen Vertrag ist jedoch von der Einräumung einer Dienstbarkeit die Rede, auf deren Grundlage das die Aufschließungsstraße betreffende Geh- und Fahrrecht des Klägers und seiner Rechtsnachfolger "im Besitze" des herrschenden Grundstücks gesichert werden sollte. Das Berufungsgericht erläuterte, dass die Einräumung einer das Grundstück der Miteigentümer belastenden Dienstbarkeit nicht zu den Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung gehört und deshalb nicht in die Entscheidungskompetenz der eine Anteilsmehrheit repräsentierenden Miteigentümer fällt. Der Nebenintervenient ist - ohne nähere Begründung - anderer Meinung. Da jedoch feststeht, dass keiner der Miteigentümer einen Vertrag über die Einräumung einer Dienstbarkeit unterfertigen wollte, kann die Gestattung des Gehens und Fahrens durch bestimmte Miteigentümer nicht als Ausdruck eines Mehrheitswillens auf Einräumung einer Dienstbarkeit angesehen werden.
Der Nebenintervenient führt ferner aus, das Feststellungsinteresse des Klägers sei auch dann zu verneinen, wenn alle Miteigentümer erklärt hätten, "von einer Widmung gemäß § 40 Abs 1 lit a LStG" auszugehen. Darauf ist zu entgegnen, dass im Verfahren erster Instanz nicht behauptet wurde, dass eine solche Erklärung aller Miteigentümer vorläge. Es bedurfte dann aber auch nicht der Einvernahme bestimmter beantragter Zeugen, um herauszufinden, ob einzelne der Miteigentümer zukünftig bereit sein werden, eine solche Erklärung abzugeben. Somit können insofern auch keine sekundären Feststellungsmängel vorliegen.
Bei seiner weiteren Argumentation, die beklagte Partei sei ihrer Vertragspflicht schon "ausreichend" nachgekommen, unterstellt der Nebenintervenient gleichfalls eine bereits gesicherte Rechtsposition des Klägers, was jedoch nach den Erwägungen des Berufungsgerichts nicht zutrifft. Soweit das Berufungsgericht diese rechtliche Schlussfolgerung aus den besonderen Umständen dieses Einzelfalls ableitete, ist darin zumindest keine grobe Verkennung der Rechtslage zu erblicken; eine solche müsste gemäß § 502 Abs 1 aber als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision vorliegen.
5. Nach allen bisherigen Erwägungen ist es den Revisionswerbern nicht gelungen, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen, von deren Lösung die Entscheidung abhinge, sodass deren Rechtsmittel gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen sind.
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