OGH 1Ob57/01s

OGH1Ob57/01s29.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Denise S*****, geboren am 20. August 1994, und des mj. Lukas S*****, geboren am 18. Februar 1999, beide in Obsorge ihrer Mutter Birgit S***** , beide Minderjährige vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung als Unterhaltssachwalter, infolge Revisionsrekurses der beiden Minderjährigen, beide "vertreten durch ihre Mutter, diese vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien", gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 28. September 2000, GZ 20 R 164/00h-58, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Dezember 2000, AZ 20 R 164/00h, womit der Rekurs der beiden "durch ihre Mutter vertretenen" Minderjährigen gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 3. Juli 2000, GZ 1 P 124/99m-50, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht übertrug mit rechtskräftigem Beschluss vom 17. März 2000 die alleinige Obsorge für die beiden Kinder, deren eheliche Eltern getrennt leben, der Mutter und hat nun, soweit hier relevant, 1.) die am 21. März 2000 gemäß § 382a EO erlassene einstweilige Verfügung (Verpflichtung des Vaters zur Zahlung vorläufiger monatlicher Unterhaltsbeiträge von je 1.450 S für beide Kinder) gemäß § 399a EO dahin eingeschränkt, dass der derzeit einkommenslose Vater nur zu einer vorläufigen Unterhaltsleistung von monatlich 500 S je Kind verhalten werde, 2.) beiden Kindern ab 1. April 2000 bis 31. März 2003 gemäß § 4 Z 5 UVG einen Unterhaltsvorschuss von monatlich je 500 S gewährt, und 5.) den Antrag der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung, beiden Kindern monatliche Unterhaltsvorschüsse von je 1.450 S zu gewähren, im Umfang des Mehrbegehrens (von je 950 S) abgewiesen.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der "durch ihre Mutter vertretenen" Kinder unter Hinweis auf § 9 Abs 2 UVG zurück. Sie ermangle der Rechtsmittellegitimation. Diese komme vielmehr allein dem Jugendwohlfahrtsträger (Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung) zu.

Der von der zweiten Instanz nachträglich im Verfahren nach § 14a AußStrG zugelassene Revisionsrekurs der "durch ihre Mutter vertretenen" Kinder ist mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

a) Nach § 212 Abs 2 ABGB ist der Jugendwohlfahrtsträger dann Sachwalter des Kindes zur Festsetzung oder Durchsetzung der Unterhaltsansprüche, wenn die schriftliche, als rechtsgeschäftliche Erklärung verstandene Zustimmung des gesetzlichen Vertreters dazu vorliegt. Die Befugnis des Jugendwohlfahrtsträgers zur Vertretung in Unterhaltssachen endet nach § 212 Abs 5 ABGB dann, wenn der gesetzliche Vertreter seine Zustimmung schriftlich widerruft oder wenn das Gericht den Jugendwohlfahrtsträger auf dessen Antrag als Sachwalter enthebt, weil er zur Wahrung der Rechte und zur Durchsetzung der Ansprüche des Kindes nach Lage des Falls nichts mehr beizutragen vermag. Zur Beendigung der Vertretungsbefugnis durch schriftlichen Widerruf der Zustimmung bedarf es keines Gerichtsbeschlusses und keines gerichtlichen Verfahrens, weil sie mit dem Widerruf der Zustimmung schon ex lege eintritt (7 Ob 268/99h = ÖA 2000, 72; Schwimann in Schwimann2 § 212 ABGB Rz 6).

b) Von diesen Fällen zu unterscheiden ist die Bestellung des Jugendwohlfahrtsträgers zum Unterhaltssachwalter nach § 9 Abs 2 UVG idFd Art III Z 2 KindRÄG 1989. Danach wird der Jugendwohlfahrtsträger mit der Zustellung des Beschlusses, mit dem die Vorschüsse gewährt werden, alleiniger Sachwalter des minderjährigen Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche (RIS-Justiz RS0076463). Während § 212 Abs 2 ABGB die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des Kindes und damit eine rechtsgeschäftliche Übertragung eines Teils dessen Vertretungsmacht voraussetzt, ohne dass dadurch aber der gesetzliche Vertreter in seiner Vertretungsmacht beschränkt werden würde, tritt die Sachwalterschaft des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 9 Abs 2 UVG, auch nach dessen Änderung durch das KindRÄG 1989, ex lege ein und bewirkt in Unterhaltsangelegenheiten den Ausschluss der Vertretungsmacht des sonstigen gesetzlichen Vertreters. Dieser verliert somit während der Dauer der gesetzlichen Sachwalterschaft des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 9 Abs 2 UVG die Verwaltungs- und Vertretungsbefugnis zur Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung in Ansehung aller dem Kind zustehenden Unterhaltsansprüche (5 Ob 526/90 = RZ 1991/1 = ÖA 1991, 104; 2 Ob 504/92 = ÖA 1992, 165 = EFSlg 69.495; 4 Ob 2149/96z = ÖA 1997, 129 u.a.). Der Jugendwohlfahrtsträger ist somit insoweit allein zur Vertretung befugt (stRsp, für viele 6 Ob 594/93 = SZ 66/115 = EvBl 1994/67 mwN). Der Grund für diese Regelung liegt weniger in einer Wahrung der Interessen des Kindes als in der Eintreibung des Unterhalts, auf den Vorschüsse gewährt wurden (Neumayr in Schwimann2, § 9 UVG Rz 3 mwN). Durch die zwingende Sachwalterschaft soll eine unerwünschte Aufspaltung der Vertreterrolle in Unterhalts- und Vorschussangelegenheiten bei der Eintreibung vermieden werden (stRsp unter Berufung auf den JAB, 199 BlgNR 14.GP, 3 f; EB 276 BlgNR 15.GP, 12; EB 172 BlgNR 17.GP, 24 f; RZ 1991/1; 8 Ob 641/91 = EvBl 1992/114 u.a.; Neumayr aaO Rz 3). Dem Gesetzgeber war bewusst, dass die Interessen des sonstigen gesetzlichen Vertreters mit den Regressinteressen der öffentlichen Hand kollidieren können; er hat sich zur Koordinierung dieser Interessen für die zwingende Sachwalterschaft des Jugendwohlfahrtsträgers entschieden (EvBl 1992/114). Da ab der Bestellung des Jugendwohlfahrtsträger zum "Einhebungskurator" die bisher gesetzlich vertretungsbefugte Person ex lege ihre Verwaltungs- und Vertretungsbefugnis in Unterhaltsfestsetzungs- und Unterhaltsvorschussangelegen- heiten verliert, steht dieser Person, einerlei, ob sie im eigenen Namen oder für das Kind auftritt, kein Antrags- und Rekursrecht mehr zu, selbst wenn die entsprechenden Unterhaltsansprüche bereits vor der Bestellung entstanden sind (stRsp, EvBl 1992/114 u.a.; Neumayr aaO Rz 5 mwN).

Bereits in der Entscheidung SZ 66/115 wurde ausgesprochen, dass das Pflegschaftsgericht dem so bestellten Unterhaltssachwalter keine Weisungen und Aufträge zu erteilen habe. Solche Aufträge wären überdies mangels einer Möglichkeit zur Abberufung des gesetzlichen Unterhaltssachwalters nach § 9 UVG, solange die zwingende Sachwalterschaft währt, auch nicht durchsetzbar. Eine ausdrückliche oder indirekte Einschränkung der Vertretung des Jugendwohlfahrtsträgers oder ein Vertretungswiderruf entsprechend § 212 Abs 4 und 5 ABGB ist nicht zulässig (3 Ob 551/92 = ÖA 1993, 114 = EFSlg 69.494; SZ 66/115; ÖA 1997, 129; Neumayr aaO Rz 5; Stabentheiner in Rummel3, § 212 ABGB Rz 4 mwN). Daher entspricht die von der Mutter in ihrem Rekurs an die zweite Instanz vertretene Rechtsauffassung, in der Bevollmächtigung ihres Rechtsfreunds liege ein Widerruf der Vollmacht der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung (ON 52 AS 158), nicht der geltenden Rechtslage.

c) Der Jugendwohlfahrtsträger ist berechtigt, eine andere Person (etwa die obsorgeberechtigte) mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Kindes zu beauftragen (7 Ob 552/95 = ÖA 1996, 62; Neumayr aaO Rz 5). Allerdings bedarf es dazu in einem Fall wie dem vorliegenden zumindest eines "Beitritts" des Jugendwohlfahrtsträgers zum Rekurs der Mutter innerhalb der ihm zustehenden Rechtsmittelfrist (EvBl 1992/114). Im vorliegenden Fall wurde die erstinstanzliche Entscheidung dem Jugendwohlfahrtsträger am 5. Juli 2000 zugestellt, der Rekurs der Mutter wurde am 19. Juli 2000, somit am letzten Tag der Rechtsmittelfrist, zur Post gegeben und langte am 20. Juli 2000 beim Erstgericht ein. Schon angesichts des Ablaufs der Rechtsmittelfrist für den Jugendwohlfahrtsträger konnte sich für das Erstgericht gar nicht mehr die Frage stellen, ob der Rekurs der Mutter, der auch noch einer Verbesserung bedurft hätte, dem Jugendwohlfahrtsträger zu einem allfälligen Beitritt zu diesem Rekurs zuzustellen sei. Denn ein derartiger Beitritt hätte jedenfalls nur mehr nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgen können. Ein solcher Beitritt des Jugendwohlfahrtsträgers war im übrigen im Rekurs gar nicht beantragt oder gewünscht; vielmehr erblickte die Mutter in der Erteilung einer Vollmacht an ihren Rechtsfreund sogar den - wie bereits dargestellt: allerdings unzulässigen - Widerruf der gesetzlichen Vertretung durch den Jugendwohlfahrtsträger.

Demnach ist spruchgemäß zu entscheiden.

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