OGH 1Ob109/01p

OGH1Ob109/01p29.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Raiffeisenbank *****, vertreten durch Dr. Walter Anderl, Rechtsanwalt in Mayrhofen, wider die beklagte Partei Maria S*****, vertreten durch ihre Sachwalterin Rosemarie W*****, diese vertreten durch Dr. Klaus Herke, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 1,138.054 S sA (hier: Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 2. Februar 2001, GZ 4 R 629/00d-36, womit aus Anlass des Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 21. Juni 2000, GZ 1 C 51/94h-27, das Verfahren unterbrochen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos behoben und die Rechtssache an das Rekursgericht zur Entscheidung über den Rekurs der beklagten Partei zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Text

Begründung

Die klagende Bank begehrte im Februar 1994 von der Beklagten - und ihrem mitbeklagten Ehegatten - die Zahlung von 1,138.054 S sA als aushaftender Kreditsumme aus dem Abstattungskreditvertrag vom 14. August 1991. Die Klage und die Ladung zur ersten Tagsatzung wurden der Beklagten eigenhändig zugestellt. Infolge ihres Ausbleibens erging antragsgemäß ein klagestattgebendes Versäumungsurteil, das der Beklagten ebenfalls eigenhändig zugestellt wurde. Aufgrund dieses Exekutionstitels führt die klagende Partei gegen die Beklagte Exekution durch Zwangsversteigerung einer im Eigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft ua.

Im März 1999 beantragte die - durch ihre Tochter als Sachwalterin (§ 273 Abs 3 Z 2 ABGB) vertretene - Beklagte die Aufhebung der Vollstreckbarkeit und die neuerliche Zustellung des Versäumungsurteils. Die bisherige Prozessführung sei nichtig, weil die Beklagte bei Abschluss des Kreditvertrags und bei Zustellung der Klage sowie des Versäumungsurteils weder prozess- noch geschäftsfähig gewesen sei. Die Sachwalterin genehmigte die bisherige Prozessführung nicht.

Das Erstgericht wies nach kontradiktorischem Verfahren beide Anträge ab. Es traf nach eingehender Beweiswürdigung die negative Feststellung, es könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Zustellung der Klage und der Ladung zur Tagsatzung sowie in der Zeit von der Zustellung des Versäumungsurteils bis einschließlich der Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils tatsächlich geschäfts- bzw prozessunfähig gewesen sei. Die Bestätigung der Vollstreckbarkeit sei daher weder gesetzwidrig noch irrtümlich erteilt worden.

Das Rekursgericht unterbrach von Amts wegen das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des über die von der Beklagten zu AZ 1 C 80/99f des Erstgerichts erhobenen Nichtigkeitsklage anhängigen Verfahrens. Dazu stellte es fest, die Beklagte habe am 15. Februar 1999 beim Erstgericht eine auf den vorliegenden Rechtsstreit bezogene Nichtigkeitsklage samt Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe erhoben. Die Klageschrift sei dem Klagevertreter zur Verbesserung durch Beibringung eines nicht älter als vier Wochen alten Vermögensbekenntnisses zurückgestellt worden. Eine weitere Bearbeitung der Klage sei (bisher) nicht erfolgt.

Rechtlich erwog die zweite Instanz, dass es im Hinblick auf die Präjudizialität der Entscheidung über die Nichtigkeitsklage zweckmäßiger sei, das "Verfahren nach § 7 Abs 3 EO und auf neuerliche Zustellung des Versäumungsurteils" zu unterbrechen und die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage abzuwarten, zumal eine sofortige Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung nicht geboten sei. Der Unterbrechungsbeschluss sei in analoger Anwendung des § 546 Abs 1 ZPO unanfechtbar.

Der Rekurs der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Zu Recht unterließ das Rekursgericht einen Ausspruch über die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Denn die Rechtsmittelbeschränkungen des § 528 ZPO beziehen sich nur auf Entscheidungen des Rekursgerichts, mit denen über ein an dieses gerichtete Rechtsmittel abgesprochen wird, nicht aber auf solche, die das Gericht zweiter Instanz nur "im Rahmen" eines Rekursverfahrens, somit funktionell als Erstgericht trifft. Im vorliegenden Fall fasste das Rekursgericht den bekämpften Unterbrechungsbeschluss funktionell als Gericht erster Instanz, sodass die Rekurszulässigkeit nach § 514 ZPO zu beurteilen ist.

b) Die zweitinstanzliche Rechtsansicht, der Rechtsmittelausschluss des § 546 Abs 1 ZPO sei analog anzuwenden, kann nicht gebilligt werden.

Obwohl den Parteien nur ausnahmsweise die Wahl zwischen mehreren Rechtsbehelfen eingeräumt werden soll, lässt die herrschende Auffassung den Aufhebungsantrag nach § 7 Abs 3 EO jedenfalls bei behaupteter mangelnder Prozessfähigkeit auch neben der Nichtigkeitsklage zu (8 Ob 104/97w, 175/98p = SZ 71/113 = EvBl 1998/209 = NZ 2000, 21 = MietSlg 50.803; 6 Ob 1/99m; 1 Ob 111/99a = MietSlg 51.761 u.a.; Jakusch in Angst, Kommentar zur EO, § 7 Rz 113; Meinhart in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 7 Rz 129; Feil, EO4 71), weil mit beiden Rechtsbehelfen unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt werden und im Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit die raschere und kostengünstigere Möglichkeit zur Abhilfe gesehen wird. Dennoch soll der Richter sorgfältig abwägen, ob es nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls nicht zweckmäßiger ist, mit der Entscheidung über den Aufhebungsantrag bis zum Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens zuzuwarten. Hält der Richter dies für zweckmäßig, so wird er das Verfahren nach § 7 Abs 3 EO "in sinngemäßer Anwendung des § 545 ZPO" zu unterbrechen haben (SZ 71/113).

Das Verfahren nach § 7 Abs 3 EO richtet sich nach den Vorschriften des Titelverfahrens, somit nach der ZPO (Jakusch aaO § 7 Rz 109; Feil aaO 72, je mwN aus der Rsp), und daher auch in der Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine von der zweiten Instanz angeordnete Unterbrechung des Verfahrens. Der Hinweis der Entscheidung SZ 71/113 auf die "sinngemäße Anwendung des § 545 ZPO" bezieht sich allerdings, wie eindeutig zum Ausdruck gebracht wurde, nur darauf, dass der zur Entscheidung berufene Richter - wie in § 545 Abs 1 ZPO auf den dort geregelten Fall bezogen dargelegt - sorgfältig abzuwägen hat, ob nach den besonderen Verhältnissen des Falls eine sofortige Entscheidung notwendig ist oder bis zum Abschluss des Verfahrens über die Nichtigkeitsklage zugewartet werden kann. Keinesfalls wird damit auch nur angedeutet, auch der Rechtsmittelausschluss des § 546 Abs 1 ZPO sei im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO sinngemäß anzuwenden. Denn die §§ 544 ZPO (zwingende Unterbrechung des Rechtsmittelverfahrens) und 545 ZPO (mögliche Unterbrechung des Rechtsmittelverfahrens) beziehen sich ausschließlich auf das Verhältnis zwischen einem Wiederaufnahms- und einem dieselbe Entscheidung betreffenden Rechtsmittelverfahren, nicht aber auf das Verhältnis zwischen einer Nichtigkeitsklage und einem Verfahren nach § 7 Abs 3 EO und dessen möglicher Unterbrechung. Während nach den §§ 544 f ZPO ausschließlich das zur Verhandlung über die Wiederaufnahmsklage berufene Gericht das in Bezug auf die selbe Entscheidung eingeleitete oder anhängige Rechtsmittelverfahren unterbrechen muss bzw. kann und dazu die Spezialvorschrift des § 546 Abs 1 ZPO besteht, die sich im Übrigen auf Wiederaufnahmsklagen bezieht, geht es hier um die Frage, ob der im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO zur Entscheidung berufene Richter dieses Verfahren im Hinblick auf ein anderes anhängiges, die selbe Rechtsstreitigkeit betreffendes Verfahren über eine Nichtigkeitsklage aus Zweckmäßigkeitsgründen unterbrechen soll. Die Frage nach der Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen einen solchen Unterbrechungsbeschluss im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO ist ausschließlich nach den allgemeinen zivilprozessualen Unterbrechungsvorschriften der § 190 Abs 1 und § 192 Abs 2 ZPO zu beurteilen, ist doch auch diese Unterbrechung eine solche wegen Präjudizialität (SZ 71/113). Im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO richtet sich somit die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen einen Unterbrechungsbeschluss wegen einer anhängigen Nichtigkeitsklage nicht nach § 546 Abs 1 ZPO, sondern ausschließlich nach § 192 Abs 2 ZPO.

Gemäß § 192 Abs 2 ZPO kann aber jedenfalls eine nach § 190 Abs 1 ZPO erlassene Anordnung, soweit sie die Unterbrechung des Verfahrens wie hier verfügt, angefochten werden.

c) Die bereits dargelegten Gründe, aus denen im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO ein Unterbrechungsbeschluss zu fassen ist, richten sich hier gegen die Unterbrechung des Verfahrens, ist doch das Verfahren über die Nichtigkeitsklage noch nicht einmal bis zur Klagezustellung gediehen und ist es unklar, ob eine Verbesserung des Verfahrenshilfeantrags überhaupt erfolgen wird. Mit der Entscheidung im vorliegenden Verfahren zuzuwarten, ist daher nicht gerechtfertigt. Der Vollständigkeit halber ist klarzustellen, dass das Rekursgericht die Unterbrechung von Amts wegen verfügte, sodass für die Abweisung eines Unterbrechungsantrags, die das Rechtsmittel anstrebt, kein Raum bleibt.

Demnach ist spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt fußt auf § 52 ZPO.

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