Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Erstantragstellerin ist die Tochter der Zweitantragstellerin. Am 21. 4. 2000 gaben die beiden vor dem Bezirksgericht St. Pölten zur GZ 2 Nc 45/00z einen Erbverzichtsvertrag samt Übergabsvertrag auf den Todesfall zu Protokoll. Darin übergab die Zweitantragstellerin die ihr allein gehörigen Liegenschaften EZ ***** (mit dem Grundstück *****) und EZ ***** (mit dem Grundstück *****) des Grundbuchs ***** an die Erstantragstellerin in deren alleiniges und unbeschränktes Eigentum und die Erstantragstellerin übernahm diese Liegenschaften. Als Gegenleistung verzichtete die Erstantragstellerin auf ihren Erb-, Pflicht- und Schenkungspflichtteil gegenüber der Zweitantragstellerin, deren Rechtsnachfolger und gegenüber dritten Personen, an welche die Zweitantragstellerin Schenkungen geleistet hat oder leisten wird. Zur Sicherung des Familienbesitzes vereinbarten die Antragsteller außerdem ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Zweitantragstellerin. Für den Fall, dass die Erstantragstellerin kinderlos vor der Zweitantragstellerin verstirbt, wurde vereinbart, dass die Liegenschaften in das Eigentum der Zweitantragstellerin zurückfallen.
Unter Vorlage einer beglaubigten Fotokopie dieses Protokolls (und weiterer Urkunden, die für die Rechtsmittelentscheidung keine Rolle spielen) begehrten die Antragstellerin die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Erstantragstellerin ob den Liegenschaften EZ ***** und ***** GB ***** sowie die Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbots für die Zweitantragstellerin.
Das Erstgericht wies dieses Eintragungsgesuch ab. Das der begehrten Einverleibung zugrundeliegende Protokoll sei nämlich kein gerichtlicher Vergleich iSd § 33 Abs 1 lit b GBG und damit nicht als öffentliche Urkunde zu werten.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:
Dem Argument der Antragstellerinnen, das von ihnen vorgelegte, von einem Richter unterfertigte Protokoll sei eine öffentliche iSd § 33 Abs 1 lit a GBG, die eine stärkere Bekräftigung aufweise als ein von Privatpersonen verfasster und von einem Bezirksgericht lediglich beglaubigter schriftlicher Kaufvertrag, sei entgegen zu halten, dass die von einer öffentlichen Behörde über Rechtsgeschäfte aufgenommenen Urkunden nur dann öffentliche Urkunden iSd § 33 Abs 1 lit a GBG sind, wenn sie innerhalb der Grenzen der Amtsbefugnis der öffentlichen Behörde aufgenommen wurden. Die Aufnahme des von den Parteien vereinbarten Übergangsvertrages auf den Todesfall müsste daher innerhalb der Amtsbefugnis des Bezirksgerichtes erfolgt sein, um - neben den Voraussetzungen des § 32 GBG - den Erfordernissen des § 33 Abs 1 lit a GBG zu entsprechen. Hiebei sei auf § 293 AußStrG Bedacht zu nehmen, wonach die Befugnis der Gerichtsbehörden an jenen Orten, wo sich keine öffentlichen Notare befinden, Urkunden über Rechtsgeschäfte zu verfassen, durch besondere Vorschriften bestimmt wird. Derartige Vorschriften bestünden nicht. In den §§ 283 bis 292 AußStrG im Zusammenhang mit § 121 JN sei der Wirkungskreis der Bezirksgerichte für Beglaubigungen von Unterschriften, die Vidimierung von Abschriften sowie die Beglaubigung von Übersetzungen geregelt. Zu den in § 121 JN genannten gerichtlich aufzunehmenden letztwilligen Anordnungen zählten letztwillige Erklärungen nach §§ 587 ff, 568 und 569 ABGB sowie andere gerichtliche Beurkundungen wie der Erbverzicht (§ 551 ABGB) oder der Erbschaftskauf (§ 1278 ABGB). Die Aufnahme des Übergabsvertrages auf den Todesfall, auch wenn er nach dem Parteiwillen in untrennbarem Zusammenhang mit dem Erbverzicht steht, liege nicht innerhalb der Amtsbefugnis der Bezirksgerichtes. Das zur Begründung des Einverleibungsbegehrens vorgelegte gerichtliche Protokoll stelle daher in Bezug auf den aufgenommenen Übergabsvertrag auf den Todesfall keine öffentlichen Urkunde dar.
Einer Einverleibung aufgrund des Gerichtsprotokolls vom 21. 4. 2000 als Privaturkunde stehe die Bestimmung des § 31 Abs 1 GBG entgegen, wonach Einverleibungen aufgrund von Privaturkunden einer gerichtlichen oder notariellen Beglaubigung bedürfen. Hiebei müsse die Beglaubigung unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zustandegekommen sein. Die gesetzlichen Vorschriften zur Durchführung gerichtlicher Beglaubigungen von Unterschriften fänden sich in § 285 AußStrG iVm §§ 426 ff Geo. Neben der Aufnahme in ein Beglaubigungsregister sei, wenn die Partei dem die Beglaubigung vornehmenden Beamten nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise persönlich und dem Namen nach bekannt ist, die Identität entweder durch einen mit einem Lichtbild und eigenhändige Unterschrift versehenen amtlichen Ausweis oder durch zwei Zeugen bzw durch einen Zeugen und durch Ausweispapiere wie Geburts- oder Heiratsurkunde, Anstellungsdekret, Dienstzeugnis usw nachzuweisen. Diesen Erfordernissen entspreche das vorgelegte Protokoll mangels beglaubigter Unterschriften nicht, sodass dem Grundbuchsgesuch keine einverleibungsfähige Urkunde zugrundeliege.
Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 126 GBG, § 14 Abs 1 AußStrG zulässig sei. Soweit überblickbar fehle nämlich höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der Amtsbefugnisse des Bezirksgerichtes über die urkundliche Aufnahme von Rechtsgeschäften, insbesondere im Zusammenhang mit einem Erbverzicht (§ 551 ABGB).
Mit ihrem Revisionsrekurs streben die Antragstellerinnen die Stattgebung ihres Einverleibungsbegehrens an (hilfsweise haben sie auch einen Aufhebungsantrag gestellt). Ihre bereits ausgeführten Argumente lassen sich kurz so zusammenfassen, dass sie meinen, die Übereigung der Liegenschaften von der Mutter an die Tochter stelle sich als Gegenleistung zum (entgeltlichen) Erbverzicht dar, und mit diesem wiederum stünden das vereinbarte Veräußerungs- und Belastungsverbot sowie die Übergabe (Rückübereignung) auf den Todesfall in einem untrennbaren Zusammenhang (was auch ausdrücklich im Gerichtsprotokoll festgehalten worden sei), sodass es in Wahrheit um einen einheitlichen Erbverzichtsvertrag gehe der gemäß § 551 ABGB durch ein gerichtliches Protokoll beurkundet werden könne. Unabhängig davon sei die gerichtliche Beurkundung der gegenständlichen Vereinbarung durch die Amtsbefugnis des Gerichtes zur Aufnahme prätorischer Vergleiche gedeckt und damit rechtsgültig.
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Aufbauend auf den Rechtsausführungen des Rekursgerichtes, die der erkennende Senat als zutreffend erachtet, ist in Anwendung der durch § 126 Abs 3 GBG gebotenen Begründungserleichterung (vgl SZ 70/4 ua) zu den Argumenten der Revisionsrekurswerberinnen kurz Folgendes zu bemerken:
Der Hinweis auf die Amtsbefugnis der Bezirksgerichte, exekutionsfähige prätorische Vergleiche aufzunehmen, die sogar Notariatsakte ersetzen können, ist nicht zielführend, weil im konkreten Fall - wie schon das Erstgericht erkannte - eben kein Vergleich abgeschlossen wurde. Die Antragstellerinnen sind vielmehr am 21. 4. 2000 ohne Ladung mit ihrem Rechtsanwalt zum Bezirksgericht St. Pölten gekommen und haben dort "übereinstimmend zu Protokoll gegeben", das sie "nachstehenden Erbverzichtsvertrag samt Übergabsvertrag auf den Todesfall schließen". Von einer dem Vergleich eigentümlichen Streitbereinigung ist nicht die Rede. Zu Recht hat daher das Rekursgericht an § 33 Abs 1 lit a GBG (und nicht an lit b leg cit) gemessen, ob eine einverleibungsfähige öffentliche Urkunde vorliegt.
Zutreffend hat das Rekursgericht auch erkannt, dass mit der Beurkundung des gegenständlichen Rechtsgeschäftes zu Gerichtsprotokoll die Grenzen gerichtlicher Amtsbefugnisse überschritten wurden. In § 551 ABGB ist nämlich nur für den Erbverzicht die Beurkundung der Offerte und der Annahmeerklärung (SZ 23/46) durch gerichtliches Protokoll vorgesehen. Ob der Verzicht gegen Abfindung ein entgeltliches Rechtsgeschäft darstellt, ist strittig (Hofmann-Wellenhof, Erbverzicht und Ausschlagung der Erbschaft aus zivilrechtlicher Sicht, NZ 1984, 17 ff; Welser in Rummel3, Rz 3 zu § 551 ABGB, jeweils mwN). Selbst wenn man dies bejaht, bleibt fraglich, ob ein einheitlicher Vertrag vorliegt, der als Ganzes in die Beurkundungskompetenz des Gerichts fällt. Nach Welser (aaO; derselbe, Erbverzicht und Schenkung auf den Todesfall, NZ 1991, 84 ff) wird idR eine bloß wirtschaftlich motivierte konditionelle Verknüpfung mehrerer Verträge anzunehmen sein. Hier trifft das zumindest auf die als Annex zum Erbverzicht vereinbarte Übergabe der Liegenschaften auf den Todesfall zu. Für die Annahme, es handle sich um einen Teil des Erbverzichtvertrages, fehlt es aber am Austauschverhältnis (vgl Welser aaO). Damit fiel aber die Beurkundung der als Vertrag sui generis anzusehenden Übergabe auf den Todesfall (vgl 7 Ob 56/00m mwN) nicht die Amtsbefugnis des Gerichts. Andererseits haben die Antragstellerinnen durch die ausdrückliche Dokumentation eines untrennbaren Zusammenhangs aller zu Gerichtsprotokoll beurkundeten Vereinbarungen zu verstehen gegeben, dass iSd § 97 Abs 1 GBG einer Verbücherung von Rechten aus dem mehrgliedrigen Erbverzichts- und Übergabsvertrag nur möglich sein soll, wenn alle Verträge rechtsgültig sind. Eine teilweise Stattgebung des Eintragungsgesuches kommt daher nicht in Betracht.
Auf weitere mögliche Abweisungsgründe ist trotz der Vorschrift des § 95 Abs 3 GBG nicht einzugehen, weil eine Wiederholung des Eintragungsgesuches auf Grundlage des vorliegenden Gerichtsprotokolls nicht in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0060544). Es kann dahingestellt bleiben, welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, dass das Bezirksgericht St. Pölten (der Vorschrift des § 210 Abs 2 ZPO zuwider) zur Beurkundung des Erbverzichts- und Übergabsvertrages offensichtlich einen vom Rechtsanwalt der Antragstellerinnen fertig ausformulierten Protokollentwurf angenommen hat.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
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