Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahingehend abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger folgende weitere Kosten binnen 14 Tagen zu ersetzen:
zweite Instanz S 22.015,20 (hievon S 3.169,20 Umsatzsteuer und S 3.000 Barauslagen),
dritte Instanz S 12.706,40 (hievon S 1.014,40 Umsatzsteuer und S 6.620 Pauschalgebühr).
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt aus dem Rechtsgrund der ungerechtfertigten Entlassung von dieser abhängige Ansprüche wie Jahresremuneration, Kündigungsentschädigung und Abfertigung von insgesamt S 80.766,27 brutto sA.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei am 19. 4. 2000 unentschuldigt und ohne jede Vorankündigung von seinem Dienst als Bäckereimitarbeiter ferngeblieben, obwohl er verpflichtet gewesen wäre, um 3.00 Uhr früh den Dienst anzutreten und die Bäckerei aufzusperren.
Folgender Sachverhalt, einschließlich des Ergebnisses einer Beweiswiederholung durch das Berufungsgericht, steht fest:
Der Kläger war als Bäckergehilfe vom 5. 2. 1993 bis zu der ihm am 20. 4. 2000 zugekommenen Entlassungserklärung bei der beklagten Partei beschäftigt. Zur Einstellung von Personal, zur Auflösung von Arbeitsverhältnissen und für die Bewilligung und Verlängerung von Erholungsurlaub war die Geschäftsleiterin allein zuständig. Diese war auch ermächtigt, die beklagte Partei nach außen hin zu vertreten. In den Arbeits- und Kompetenzbereich der bei der beklagten Partei angestellten Tanja D*****, die unmittelbare Vorgesetzte des Klägers war, fiel die Einteilung und Änderung des Dienstplanes. In diesem Rahmen oblag ihr auch die Festsetzung der freien Tage eines jeden Arbeitnehmers. Im Rahmen einer Urlaubsvereinbarung für März und April 2000 kam es zu keiner Vereinbarung darüber, dass der Kläger im Anschluss an seinen am 16. 4. 2000 endenden Erholungsurlaub im Rahmen der Diensteinteilung freie Tage konsumieren könne. In dem aufliegenden "Wunschbuch" hatte er allerdings eingetragen, dass er den 17. und 18. 4. 2000 frei haben möchte. Tanja D***** erlangte hievon erst nach Urlaubsantritt des Klägers Kenntnis und genehmigte schließlich wunschgemäß diese Tage als freie Tage und berücksichtigte dies bei der Diensteinteilung. Der erste Arbeitstag des Klägers war daher der 19. 4. 2000. Sie teilte den Kläger für die mit 3 Uhr früh beginnende Schicht ein. Eine Vereinbarung, erst mit der Nachmittagsschicht zu beginnen, gab es nicht. Bisher hatte der Kläger die Arbeit nach dem Urlaub meistens erst im Rahmen der Nachmittagsschicht begonnen. Es war üblich, dass sich die Arbeitnehmer rechtzeitig erkundigten, wann sie nach dem Urlaub die Arbeit anzutreten haben. Der Kläger hatte seinen Rückflug aus der Türkei nach Wien für den 18. 4. 2000 gebucht. Am Flughafen erfuhr er, dass er für diesen Flug nicht zugelassen sei, sodass er sofort für den nächsten Tag buchte. Wer an der Stornierung des gebuchten Rückfluges Schuld hatte, konnte nicht festgestellt werden. Erst um 9.00 Uhr des 19. 4. 2000 setzte sich der Kläger mit der beklagten Partei telefonisch in Verbindung und teilte mit, dass er am 19. 4. 2000 den Dienst nicht antreten könne, da er sich noch in der Türkei aufhalte. Anlässlich eines weiteren Telefonats um 11.00 Uhr ersuchte er, ihn am 20. 4. 2000 nicht zum Frühdienst mit Arbeitsbeginn 3.00 Uhr früh einzuteilen.
Während die Geschäftsleiterin die Verspätungsmeldung des Klägers zunächst ohne Kommentar zur Kenntnis nahm, teilte ihm seine unmittelbare Vorgesetzte telefonisch mit, dass er am 19. 4. 2000 frei habe und auch für den 20. 4. 2000 frei bekomme. Nach einer neuerlichen Überlegung entschloss sie sich, dem Kläger auch am 21. 4. 2000 freizugeben und trug die Tage vom 19. 4. bis 21. 4. 2000 als freie Tage des Klägers im Dienstplan ein. Als Dienstbeginn verblieb der 22. 4. 2000 um 3.00 Uhr früh. Von dieser neuerlichen Dienstplanänderung hatte der Kläger noch keine Kenntnis. Er erfuhr davon erst von seinem Arbeitskollegen, der ihn am Flughafen Innsbruck abholte. Die Geschäftsleiterin hatte nach dem vormittäglichen Anruf des Klägers bereits das Entlassungsschreiben ausfertigen und noch am 19. 4. 2000 zur Post geben lassen. Sie wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass der Kläger von seiner unmittelbaren Vorgesetzten vom 19. bis 21. 4. 2000 frei bekommen hatte. Umgekehrt war seine unmittelbare Vorgesetzte vom Umstand der Entlassung nicht in Kenntnis.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Von einer beharrlichen, nachhaltigen und hartnäckigen Dienstverweigerung könne keine Rede sein, da der Kläger, der aus welchen Gründen auch immer seinen Flug versäumt hatte, versuchte, durch Telefonate bzw eine Nachbuchung des Fluges die Angelegenheit zu bereinigen. Überdies seien Überschneidungen und Missverständnisse im Diligenzbereich der beklagten Partei gegeben gewesen und liege eine endgültige Weigerung, die eine Ermahnung erübrigt hätte, nicht vor. Während der kurzen Kündigungsfrist sei die Weiterbeschäftigung des Klägers jedenfalls zumutbar gewesen, zumal der Kläger im Betrieb der Beklagten geschätzt und beliebt war. Überdies sei durch die gegenläufigen, vom Arbeitgeber zu vertretenden Erklärungen, einerseits die Gewährung von freien Tagen und andererseits die Entlassung eine Verwirkung des Entlassungsrechtes eingetreten.
Das Berufungsgericht änderte nach Durchführung einer Beweisergänzung das erstgerichtliche Urteil dahingehend ab, dass es das Klagebegehren abwies.
Das Nichterscheinen zum Dienstantritt am 19. 4. 2000 um 3.00 Uhr früh sei unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der vom Kläger zu verrichtenden Arbeitsleistung als Bäckergehilfe und der hiedurch hervorgekommenen betrieblichen Nachteile als tatbestandsmäßig im Sinne des Entlassungsgrundes des § 82 lit f erster Fall GewO 1859 zu sehen. Einer Verwarnung bedurfte es nicht. Eine Rechtfertigung dahingehend, dass der Kläger den versäumten Rückflug am 18. 4. 2000 nicht zu vertreten habe, hätte der Kläger aufgrund der getroffenen Negativfeststellung nicht erbracht. Das Dienstversäumnis sei daher als pflichtwidrig anzusehen.
Eine Verwirkung des Entlassungsrechtes liege nicht vor. Die ausschließliche Personalhoheit sei bei der Geschäftsleiterin gelegen, während seine unmittelbare Vorgesetzte lediglich für die Arbeitseinteilung und in diesem Rahmen für die Festlegung von freien Tagen zuständig gewesen sei. Eine Vertretungsmacht für die Beklagte sei ihr daher nicht zugekommen, sodass die Festlegung von freien Tagen für den 19., 20. und 21. 4. 2000 im Zuge des mit dem Kläger am 19. 4. 2000 geführten Telefonates nicht einen schlüssigen Verzicht auf die Ausübung des Entlassungsrechtes nach sich habe ziehen können.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, in Abänderung des Urteils des Berufungsgerichtes das Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragte, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nach § 46 Abs 3 Z 1 ASGG zulässig, weil zwar nicht die Tatsache der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, aber die der Berechtigung der Entlassung strittig ist (Kuderna ASGG2 281).
Sie ist auch berechtigt.
Die Entlassungserklärung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung wird erst im Zeitpunkt des Zuganges an den Erklärungsempfänger wirksam (Kuderna, Entlassungsrecht2, 5; RIS-Justiz RS0029157). Zu diesem Zeitpunkt muss der Entlassungsgrund und das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung vorliegen (Kuderna aaO 61).
Die Entlassung wurde nicht anlässlich der Telefonate gegen 9.00 Uhr oder 11.00 Uhr (mit der Geschäftsleiterin) des 19. 4. 2000 ausgesprochen, sondern die schriftliche Entlassungserklärung wurde am 19. 4. 2000 erst zur Post gegeben und ist dem Kläger unstrittigerweise am 20. 4. 2000 zugegangen. Zu diesem Zeitpunkt lag ein allfälliger Entlassungsgrund aber nicht mehr vor.
Da der Kläger noch vor dem Zugehen der Entlassungserklärung am 20. 4. 2000 durch die für die Diensteinteilung und die Festsetzung freier Tage zuständige unmittelbare Vorgesetzte, die ebenfalls in Kenntnis des Nichtantrittes des Frühdienstes war, sowohl den 19. 4. als auch die Folgetage frei bekam und von der Geschäftsleiterin, mit der er gegen 11.00 Uhr persönlich gesprochen hatte, nicht entlassen wurde, ließ die Nichtsanktionierung des Verhaltens des Klägers das Entlassungsrecht untergehen (Kuderna aaO 67). Die Beklagte hat sich das Verhalten ihrer Angestellten zurechnen zu lassen. Da die unmittelbare Vorgesetzte des Klägers immer für die Diensteinteilung und die Festsetzung der freien Tage zuständig war, in diesem Maße Vertretungsmacht hatte und dem Kläger in Kenntnis des Nichtantrittes des Dienstes dennoch freie Tage einräumte, lagen für ihn genügend äußere Umstände vor, die den begründeten Glauben erwecken konnten, dass seine unmittelbare Vorgesetzte zum Abschluss dieser Vereinbarung befugt sei. Die Grundlage für die Annahme einer Vertretungsmacht der dem Kläger Vorgesetzten lag in dem von der beklagten Partei selbst gesetzten Tatbestand, dass sie für die Gewährung freier Tage im Rahmen der Diensteinteilung zuständig war (9 ObA 266/93). Dass sie nicht berechtigt war, Urlaube zu gewähren, tat dem guten Glauben des Klägers an der Vertretungsmacht seiner Vorgesetzten für die Gewährung freier Tage keinen Abbruch.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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