OGH 14Os18/01

OGH14Os18/0122.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wolfgang Josef P***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 23. Oktober 2000, GZ 18 Vr 2.301/00-387 nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Hammerschlag zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang Josef P***** des Verbrechens der Untreue als Beitragstäter nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (1) und des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er im Bereich von Föderlach und Rosegg

1. in der Zeit von ca Mitte März 1991 bis Mitte 1994 als Abrechnungstechniker der ARGE Rosegg dadurch einen Beitrag zur Untreuehandlung des bereits verurteilten Horst P*****, dem von der Tauernautobahn AG über das Land Kärnten als dessen Beamten rechtsgeschäftlich die Befugnis eingeräumt wurde, im Rahmen der örtlichen Aufsicht durch Anordnungen und Erklärungen über das Vermögen der Tauernautobahn AG zu verfügen und andere zu verpflichten, geleistet, dass er in Kenntnis des Umstandes, dass Horst P***** unter bewusstem Missbrauch seiner Befugnisse unter völliger Missachtung der wirtschaftlichen Interessen der Tauernautobahn AG entgegen der tatsächlich mehrzügig vorgenommenen und vorzunehmenden Verlegung von Kabelschutzrohren die Abrechnung dieser Rohre nach der ungleich teureren Leistungsposition für die einzügigen Kabelschutzrohre anordnete, wodurch die Tauernautobahn AG bzw ÖSAG mit einem Betrag von mindestens S 2,891.957,48 an ihrem Vermögen geschädigt wurde, die einzelnen Teilrechnungen zu den Kabelschutzrohren dieser Anordnung entsprechend ausstellte und der örtlichen Bauaufsicht, vertreten durch Horst P*****, zur Überprüfung und Genehmigung vorlegte;

2. zwischen März 1989 und Mitte 1994 mit dem Vorsatz, die Arbeitsgemeinschaften Winkl und Rosegg sowie das Land Kärnten unrechtmäßig zu bereichern, in wiederholten Angriffen Bedienstete der örtlichen Bauaufsicht in Winkl und Rosegg sowie der Tauernautobahn AG durch Täuschung über die Mächtigkeit der in beiden Baulosen errichteten Steinkeile und deren tatsächliche Ausführung zur Auszahlung überhöhter Teilrechnungen, somit zu Handlungen verleitet, die die Tauernautobahn AG bzw deren Rechtsnachfolgerin ÖSAG in beiden Baulosen mit einem je S 500.000,-- mehrfach übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen schädigte, wobei er den Betrug beging, indem er zur Täuschung falsche Bweismittel, nämlich Aufmaßblätter mit unrichtigen Messwerten sowie mit abgeänderten Querschnittsflächenskizzen benützte.

Er bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge (Z 5) richtet sich gegen den Schuldspruch 1, wobei der Beschwerdeführer vornehmlich die (auf die subjektive Tatseite bezogenen) Urteilsfeststellungen betreffend ein zwischen ihm und Horst P***** stattgefundenes Gespräch über die Abrechnung der Kabelrohre zu bekämpfen sucht.

Einen formellen Begründungsmangel hinsichtlich dieser Konstatierungen vermag er aber nicht einmal ansatzweise aufzuzeigen. Vielmehr erschöpft sich sein Vorbringen in einer unzulässigen Anfechtung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, indem er die Ausführungen des Erstgerichtes zur Beweiswürdigung auszugsweise wiedergibt, seiner Kritik unterzieht und auf diese Weise seiner eigenen Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen sucht.

Dabei verkennt der Beschwerdeführer das Wesen der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO), welche die Tatrichter nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, Beweisergebnisse in ihrem Zusammenhang zu würdigen, durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ergänzen und ihre Überzeugung frei von jeder Beweisregel auf in diesen Prämissen wurzelnde denkrichtige Schlüsse zu stützen (Mayerhofer StPO4 § 258 E 26 und 30). Dass die vom Gericht aus den Verfahrensergebnissen gezogenen Schlussfolgerungen denkgesetzlich die einzig möglichen wären, wird vom Gesetz nicht gefordert (Mayerhofer aaO E 22).

Dementsprechend konnten die Tatrichter aus dem Zusammenhalt der aufgenommenen Beweise zwanglos auf ein länger dauerndes Gespräch des Angeklagten mit dem mittlerweile wegen des Verbrechens der Untreue rechtskräftig verurteilten Landesbeamten Horst P***** und in weiterer Folge auf das Wissen des Ersteren vom Befugnismissbrauch des Letzteren schließen (US 16, 53). Dass auch andere, für den Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen möglich gewesen wären, sich der Schöffensenat aber für die den Angeklagten ungünstigeren entschieden hat, stellt einen Akt der freien Beweiswürdigung dar, dessen Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig ist (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 147).

Soweit der Beschwerdeführer die Aktenwidrigkeit der erwähnten Feststellungen über das Gespräch zwischen ihm und Horst P***** behauptet, verkennt er das Wesen einer solchen. Eine Aktenwidrigkeit liegt nämlich nur dann vor, wenn in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt wird, das deren Inhalt nicht bildet, wenn also der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig wiedergegeben wird (Mayerhofer aaO E 185).

Die Rüge der Unterlassung der Erörterung der Aussage des Zeugen Oskar W***** S 177 ff XVII lässt den Umstand außer Acht, dass dieser nichts für den Beschwerdeführer Günstiges zu entnehmen ist. Vielmehr gab der Zeuge an, der Angeklagte habe auf seinen Vorhalt, dass er (der Zeuge) viele Positionen aus der Schlussrechnung herausgestrichen habe, sinngemäß erklärt, dass er dafür "halt ein paar Jahre in den Häfn" gehen werde (S 185 XVII).

Soweit sich die Tatsachenrüge (Z 5a) gegen den Schuldspruch 1 richtet, sucht der Beschwerdeführer - ähnlich seinen Ausführungen zur Mängelrüge - die Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite zu bekämpfen. Dabei gelingt es ihm nicht, solche aktenkundigen Beweisergebnisse aufzuzeigen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung der Tatrichter aufkommen lassen. Dies gilt insbesondere auch für die bereits erwähnten Feststellungen über das Gespräch des Angeklagten mit Horst P***** über die Abrechnung der Kabelrohre (US 15 f), welche das Erstgericht auf eine sorgfältige und plausible Würdigung der aufgenommenen Beweise gegründet hat (US 46 ff). Entgegen dem Beschwerdevorbringen stellt der Umstand, dass der Arbeitsgemeinschaft ein Verlust wegen der für sie ungünstigen Kalkulation drohte (US 7 ff, 14 f), kein Indiz für das Fehlen eines kriminellen Vorsatzes des Angeklagten dar; vielmehr mochte das Motiv des Angeklagten, sich an der Untreue des Horst P***** zu beteiligen, in einer Minderung des Verlustes gelegen sein (vgl US 95).

Auch hinsichtlich Schuldspruch 2 gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Soweit er sich gegen die Feststellungen zu seiner subjektiven Tatseite wendet, unterzieht er seine Verantwortung - der er damit zum Durchbruch zu verhelfen sucht - einer isolierten Betrachtung und lässt die anderen Beweisergebnisse, auf die das Erstgericht die bekämpften Feststellungen gründete (US 61), vollkommen außer Acht. Das Vorbringen erschöpft sich daher gleichfalls in einer unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes.

Soweit sich die Tatsachenrüge dagegen richtet, "dass die auf Grund der Sachverständigen getroffenen Ermittlungen nun weit von jenen Beträgen abweichen, die ursprünglich im Raume standen und von der Anklage umfasst gewesen sind", entbehrt sie der gesetzmäßigen Ausführung, weil sie sich nicht am Urteil orientiert.

Bei Ausführung materiell-rechtlicher Nichtigkeitsgründe muss unter Heranziehung der tatsächlich getroffenen Urteilsfeststellungen ein Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz vorgenommen und auf dieser Grundlage der Einwand entwickelt werden, dass dem Erstgericht bei Beurteilung dieses Urteilssachverhaltes ein Rechtsirrtum unterlaufen sei (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 9a E 5).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch 1 behauptet gar keinen Rechtsfehler des Erstgerichtes, sondern wirft die Frage auf, ob der Angeklagte durch ein anderes Handeln nicht die Interessen seiner Auftraggeber verletzt hätte, weshalb sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist. Abgesehen davon ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass die Wahrung der Interessen des Dienstgebers für den Dienstnehmer auch dann keinen Rechtsfertigungs- oder Entschuldigungsgrund darzustellen vermag, wenn das strafgesetzwidrige Verhalten des Letzteren den Nachteil des Ersteren aus einem für ihn ungünstigen Vertrag kompensieren soll.

Gestützt auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO macht der Beschwerdeführer zum Schuldspruch 2 seine Straflosigkeit durch tätige Reue infolge vertraglicher Verpflichtung zur Schadensgutmachung geltend.

Nach § 167 Abs 2 Z 2 StGB kommt dem Täter tätige Reue zustatten, wenn er, bevor die Behörde (§ 151 Abs 3 StGB) von seinem Verschulden erfahren hat, wenngleich auf Andringen des Verletzten, so doch ohne hiezu gezwungen zu sein, sich vertraglich verpflichtet, dem Verletzten binnen einer bestimmten Zeit solche Schadensgutmachung zu leisten; die Strafbarkeit lebt jedoch wieder auf, wenn der Täter seine Verpflichtung nicht einhält. Nach § 167 Abs 4 StGB ist der Täter, der sich um eine Schadensgutmachung ernstlich bemüht, auch dann nicht zu bestrafen, wenn ein Dritter in seinem Namen oder wenn ein anderer an der Tat Mitwirkender den ganzen aus der Tat entstandenen Schaden unter den im Abs 2 genannten Voraussetzungen gutmacht.

Der Charakter der tätigen Reue als Ausnahmeregelung verlangt eine strenge und restriktive Interpretation der gesetzlichen Voraussetzungen (RdW 1985, 342; 14 Os 135/88). Eine vertragliche Verpflichtung zur Schadensgutmachung setzt daher einen kalendermäßig bestimmten oder zumindest nach objektiven Kriterien festzustellenden Endzeitpunkt der Leistungsfrist voraus (SSt 46/43 ua).

Es mag dahingestellt bleiben, ob eine solche Verpflichtung eines Dritten oder eines anderen an der Tat Mitwirkenden den Täter nach § 167 Abs 4 StGB überhaupt von der Strafe befreien kann (dafür Foregger/Fabrizy StGB7 Rz 15, Kirchbacher/Presslauer in WK2 Rz 131, je zu § 167), weil es im vorliegenden Fall an anderen gesetzlichen Voraussetzungen für die tätige Reue mangelt.

Die Vereinbarungen zur Schadensgutmachung wurden von der Österreichischen Autobahnen- und Schnellstraßen AG (ÖSAG) mit den jeweils aus mehreren Bauunternehmen zusammengesetzten, aus der Tat des Angeklagten begünstigten Arbeitsgemeinschaften abgeschlossen (US 34, 37, 93), welche - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - keine an seiner Tat Mitwirkenden waren (so auch US 94). Denn unter Mitwirkenden im Sinne des § 167 Abs 4 StGB sind Beteiligte (§ 12 StGB) und die Tat straflos (objektiv) fördernde Personen, aber auch Hehler (Kirchbacher/Presslauer aaO Rz 125; Foregger/Fabrizy aaO Rz 15; Leukauf/Steininger StGB3 § 167 RN 55), sohin nur physische Personen zu verstehen.

Daher standen die Arbeitsgemeinschaften zum Angeklagten im Verhältnis eines Dritten, von dem § 167 Abs 4 StGB für die Straffreiheit des Täters aber fordert, dass er den Schaden in dessen Namen gutmacht. Indem der Beschwerdeführer eine solche Erklärung bzw konkludente Handlung der Arbeitsgemeinschaften behauptet, geht er über die anderslautenden Urteilsfeststellungen, dass nämlich die Vergleiche nicht im Namen des Angeklagten und auch nicht für ihn geschlossen wurden (US 35 und 39 iVm S 83), hinweg, sodass die Rüge in diesem Umfang nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist.

Soweit der Beschwerdeführer die vertragliche Schadensgutmachung bereits in der Legung von Haftbriefen über jeweils 10 Millionen S zur Absicherung der Österreichischen Schnellstraßen- und Autobahn AG (US 34, 37) erblickt, geht er gleichfalls nicht vom Urteilssachverhalt aus, weil die in den Vergleichen bedungenen Haftbriefe nach den Urteilsfeststellungen nicht übergeben wurden (US 36, 39, 80 f). Auch dieses Vorbringen stellt daher keine gesetzmäßige Ausführung der Rüge dar.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten unter Anwendung des § 28 StGB nach § 147 Abs 3 StGB eine Freiheitsstrafe von dreißig Monaten, wobei gemäß §§ 43a Abs 4, 43 Abs 1 StGB ein Teil von zwanzig Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, den überaus hohen Schadensbetrag, die "verstärkte Tatbildmäßigkeit" beim Verbrechen des Betruges und die Tatbegehung über einen längeren Zeitraum; als mildernd berücksichtigte es hingegen das bisher untadelige Vorleben des Angeklagten, das lange Zurückliegen der Taten, die "lange vom Angeklagten nicht zu verantwortende Verfahrensdauer" und den "Umstand, dass keinerlei Hinweise auf eine persönliche Bereicherung beim Angeklagten P***** vorlagen".

Diesen Strafausspruch bekämpft der Angeklagte mit Berufung, mit der er eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und ihre gänzliche bedingte Nachsicht anstrebt; sie ist zur Gänze nicht berechtigt.

Das Schöffengericht hat die Erschwerungsumstände im Wesentlichen richtig und vollständig herangezogen. Demgegenüber wirkt sich zugunsten des Angeklagten zusätzlich der Umstand einer durch nachträglichen Vergleich zwischen der Ö***** und den tatbegünstigten Arbeitsgemeinschaften gesicherten Schadensgutmachung aus und ist nicht zu übersehen, dass der Angeklagte bei seinen Straftaten nicht in seinem eigenen, sondern im Interesse seiner Dienstgeber gehandelt hat.

Ungeachtet dieser Erweiterung der Strafbemessungsgrundlagen sah sich der Oberste Gerichtshof auf der Basis der insgesamt vorliegenden Strafzumessungsgründe bei dem vom Ausmaß her außerordentlich hohen sozialen Störwert der kriminellen Verfehlungen zu einer Herabsetzung der schuldangemessen verhängten Freiheitsstrafe nicht veranlasst. Eine weitergehende bedingte Nachsicht kam unter diesen Umständen aus generalpräventiver Sicht ebenfalls nicht in Betracht (§§ 43a Abs 4, 43 Abs 1 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

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