OGH 10ObS139/01s

OGH10ObS139/01s22.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann und Dr. Dietmar Strimitzer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ernestine S*****, Gastwirtin, ***** vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Graz, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. März 2001, GZ 7 Rs 25/01b-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Oktober 2000, GZ 30 Cgs 140/99h-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Begründung des Berufungsgerichtes, dass die Klägerin nicht erwerbsunfähig iSd § 133 Abs 2 GSVG ist, ist zutreffend, sodass darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Den Ausführungen des Revisionswerbers ist Folgendes entgegenzuhalten:

Nach § 133 Abs 2 GSVG gilt auch der Versicherte als erwebsunfähig, der das 50. Lebensjahr vollendet hat und dessen persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte (dauernd) außer Stande ist, jener selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die der Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat. Die Verweisungstätigkeit muss keineswegs der bisher ausgeübten Tätigkeit in allen Punkten entsprechen. Das Gesetz stellt - entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht - nicht auf die konkret ausgeübte selbständige Tätigkeit und die bisherige Betriebsstruktur ab (dies sind Umstände, die im Fall des § 131c GSVG in der am Stichtag in Geltung gestandenen Fassung von Bedeutung wären), sondern nur auf die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die durch 60 Kalendermonate ausgeübte selbständige Tätigkeit erforderlich waren. Dem Versicherten soll bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 133 Abs 2 GSVG nicht zugemutet werden, völlig neue Kenntnisse zu erwerben oder nunmehr einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen (SSV-NF 9/22; 9/56; 10/56; 13/114; 13/117; 10 ObS 70/00t ua).

Im vorliegenden Fall geht es um die Verweisung einer zum Stichtag 51 Jahre alten Gastwirtin, die in den letzten fünf Jahren ein Restaurant mit 200 Sitzplätzen betrieben hat. In ihrem Unternehmen waren ständig acht weitere Mitarbeiter, nämlich zwei Kellner, zwei Köche, zwei Abwäscherinnen und zwei Lehrlinge beschäftigt. Die Klägerin musste jedoch zur Aufrechterhaltung des Betriebes den größten Teil des Arbeitstages selbst in der Küche und im Service mitarbeiten und dabei anfallende mittelschwere Arbeiten erledigen, die sie ohne Gefährdung ihrer Gesundheit nicht mehr verrichten kann.

Sie könnte aber - nach Ansicht der Vorinstanzen - aufgrund ihrer bisherigen Berufserfahrung, wenn ihr bis zu acht entsprechend geschulte bzw ausgebildete Dienstnehmer zur Verfügung stehen, die Tätigkeit einer selbständigen Geschäftsführerin eines größeren Cafes oder Cafe-Konditoreibetriebes, einer größeren Imbiss-Stube, eines Großbufetts, einer größeren Betriebskantine oder eines Selbstbedienungsrestaurants ausüben.

Dass sie die Arbeiten einer derartigen selbständigen Geschäftsführerin nach dem festgestellten Leistungskalkül noch ausführen könnte, gesteht die Revisionswerberin ausdrücklich zu. Bei dieser Verweisungstätigkeit stehe allerdings die leitende, überwachende, kaufmännische und organisatorische Aufgabe und nicht die eigene Mitarbeit der Gastwirtin in Küche und Service im Vordergrund. Da die Klägerin laufend in der Küche und im Service tätig gewesen sei und mit Geschäftsführertätigkeiten bisher "praktisch" nichts zu tun gehabt habe, sei die Verweisungstätigkeit auf die Geschäftsführerin eines Großbetriebes nicht mehr gleichwertig im Sinn des § 133 Abs 2 "ASVG" (gemeint: GSVG).

Dem ist zu erwidern, dass für die Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanzen das Erlernen eines neuen Berufes im Zusammenhang mit der Ausübung einer solchen Geschäftsführertätigkeit nicht erforderlich ist, weil sie sich die notwendigen, insbesondere die betriebliche Situation betreffenden neuen Kenntnisse ohne weiteres aneignen kann. Im Übrigen hat die Klägerin nach den Feststellungen einen größeren gastgewerblichen Betrieb tatsächlich geführt und war damit im Wesentlichen mit den Anforderungen konfrontiert, die auch mit einer Geschäftsführertätigkeit in den von den Vorinstanzen genannten Betrieben verbunden sind. Daraus folgt, dass die Klägerin nach der zutreffenden Rechtsansicht der Vorinstanzen noch eine artverwandte selbständige Erwerbstätigkeit ausüben kann, sodass Erwerbsunfähigkeit iSd § 133 Abs 2 GSVG nicht vorliegt (10 ObS 70/00t).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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