OGH 14Os3/01

OGH14Os3/0122.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Jugendstrafsache gegen Roland J***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Jugendschöffengericht vom 22. August 2000, GZ 9 Vr 47/00-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roland J***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in der Nacht vom 31. Dezember 1999 zum 1. Jänner 2000 in Schärding mit der am 1. Juli 1988 geborenen Unmündigen Eva P***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung, nämlich den Analverkehr unternommen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 4, 5, 5a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Zutreffend zeigt die Verfahrensrüge (Z 4) auf, dass durch die Ablehnung der Einvernahme der Zeugen Markus S*****, Claudia K***** und Simon H***** sowie eines medizinischen Sachverständigen zum Beweis dafür, dass sich der Angeklagte auf Grund der konsumierten Alkoholmengen in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befand, Verteidigungsrechte verletzt wurden.

Der vom Schöffengericht - entgegen § 238 Abs 2 StPO - erst im Urteil nachgeholten Begründung der Abweisung dieser Beweisanträge zuwider lassen die Beobachtungen der genannten Zeugen hinsichtlich der Alkoholaufnahme bzw des Täterzustandes bis eineinhalb Stunden vor der Tat Rückschlüsse auf den Alkoholisierungsgrad im Tatzeitpunkt zu, deren sachkundige Begutachtung durch einen medizinischen Sachverständigen - auch wegen der eine massive Alkoholierung indizierenden Aussage des in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen Gerhard H***** (S 142) - geboten war.

Bereits dieser Verfahrensmangel bewirkt Urteilsnichtigkeit, sodass der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben war, weil sich zeigte, dass die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat (§ 285e StPO), ohne dass es der Erörterung der weiteren Beschwerdepunkte bedurfte.

Im neu durchzuführenden Verfahren wird durch Einvernahme eines psychiatrischen Sachverständigen auch zu klären sein, ob früherer sexueller Missbrauch Einfluss auf die Aussageverlässlichkeit der Eva P***** haben konnte.

Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte waren mit ihren Berufungen auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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