OGH 10ObS101/01b

OGH10ObS101/01b8.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hoch sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Karlheinz Kux (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir Winfried Kmenta (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Jozsef T*****, vertreten durch Dr. Gottfried Bischof, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2000, GZ 7 Rs 362/00g-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 3. Juli 2000, GZ 33 Cgs 157/99s-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Obgleich diese Beurteilung nach § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner Begründung bedürfte, ist den Revisionsausführungen kurz zu erwidern:

Es trifft zwar zu, dass das Berufungsgericht den geltend gemachten Mangel des Verfahrens erster Instanz (Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht gegenüber dem unvertretenen Kläger, was die von ihm konkret ausgeübten Tätigkeiten betrifft) nicht ausdrücklich erwähnt hat. Daraus ist für den Standpunkt des Revisionswerbers aber nichts zu gewinnen, weil die Mängelrüge in der Berufungsentscheidung ohnehin behandelt wurde: Hat das Berufungsgericht doch zu der in diesem Zusammenhang vermissten Befragung des Klägers (Punkt 1. der Berufung) auf seine Aussage (AS 51) hingewiesen und daraus abgeleitet, dass das Erstgericht ohnehin die "rechtlich relevanten Fragen stellte", sodass der "geltend gemachte primäre Verfahrensmangel" nicht vorliege (S 6 der Berufungsentscheidung). Die neuerliche Geltendmachung der angeblichen, vom Berufungsgericht aber verneinten Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens in der Revision ist daher nach der seit der Entscheidung SSV-NF 1/32 ständigen Rechtsprechnung des erkennenden Senates unzulässig (vgl auch Kodek in Rechberger**2 Rz 3 zu § 503 ZPO mwN; 10 ObS 329/00f; 10 ObS 16/01b uva).

Davon abgesehen brauchte der Kläger gar nicht angeleitet zu werden, Berufsschutz geltend zu machen, weil er die Frage, ob er in den letzten 15 Jahren überwiegend im erlernten bzw angelernten Berufen tätig gewesen sei, ohnehin verneint hat (RIS-Justiz RS0111052): Er hat dazu nämlich angegeben, dass er den Beruf des Elektrikers erlernt habe, in den letzten Jahren ("seit 1987/89" [AS 51]) aber als Steinmetz tätig gewesen sei und dabei - nach Anweisung - (Teil)Tätigkeiten wie Fliesenlegen und Marmorverlegen verrichtet habe (AS 37 und 55).

Was aber die Rechtsrüge betrifft ist zunächst Folgendes festzuhalten:

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen hat der am 23. 9. 1942 geborene Kläger innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag überwiegend auf Baustellen Fliesen und Marmor verlegt. Er hat keinen Lehrberuf ausgeübt, sondern aus dem Beruf des Platten- und Fliesenlegers im Teilbereich Platten- und Fliesenlegen Fertigkeiten angelernt, wofür eine etwa sechsmonatige Anleitungsphase nötig war (S 2 und 5 des Ersturteils).

Voraussetzung für die in der Revision angestrebte Qualifikation des Klägers als angelernter Arbeiter iSd § 255 Abs 2 ASVG wäre aber, dass er hinsichtlich seiner Fähigkeiten und Kenntnisse den Anforderungen entsprechen würde, die üblicherweise an Absolventen des Lehrberufes gestellt werden. Es reicht nicht aus, wenn die Kenntnisse und Fähigkeiten nur ein Teilgebiet eines Tätigkeitsbereiches umfassen, der von Ausgelernten ganz allgemein in viel weiterem Umfang beherrscht wird (SSV-NF 12/35 mwN; 10 ObS 316/00v). Wenn auch die Dauer der für eine Tätigkeit notwendigen Anlernung nicht das einzige Kriterium für die Beurteilung der Frage bildet, ob die Tätigkeit als angelernt iSd § 255 Abs 2 ASVG zu qualifizieren ist, kommt ihr doch hiefür maßgebliche Bedeutung zu. Im Hinblick darauf, dass die Dauer der für die Erlernung eines Berufes notwendigen Lehrzeit im Durchschnitt etwa drei Jahre beträgt, spricht auch der Umstand, dass für die angelernten Fertigkeiten des Klägers die nach seinen eigenen Angaben Gegenstand seiner Tätigkeit waren, nur eine etwa sechsmonatige Anleitungsphase nötig war, bereits dagegen, dass in dieser Zeit Kenntnisse und Fähigkeiten erworben wurden, die den in einem Lehrberuf vermittelten gleichzuhalten sind (10 ObS 175/00h mwN).

Im Gegensatz zur Meinung des Revisionswerbers reichen die Verfahrensergebnisse, von denen die Vorinstanzen ausgegangen sind, aus um die Tätigkeit des Klägers innerhalb der letzten 15 Jahre zu beurteilen. An diese Feststellungen, wonach der Versicherte in seiner bisherigen Berufstätigkeit keine qualifizierten Kenntnisse eines bestimmten Lehrberufes erworben hat, ist der Oberste Gerichtshof gebunden.

Die Ausführungen der Mängel- aber auch der Rechtsrüge stellen daher den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der die Beschäftigung und Fähigkeiten des Klägers betreffenden Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen dar (10 ObS 16/01b). Davon ausgehend sind die Voraussetzungen für die Erlangung einer Invaliditätspension nach dem für den Kläger - mangels Berufsschutzes - maßgeblichen § 255 Abs 3 ASVG nicht erfüllt.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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