OGH 7Ob80/01t

OGH7Ob80/01t18.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Josef H*****, über den Revisionsrekurs der zum Sachwalter bestellten Mag. Sabine H*****, vertreten durch Mag. Margot P***** und Mag. Eva G*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 22. Jänner 2001, GZ 10 R 4/01t-33, womit dem Rekurs der zum Sachwalter bestellten Mag. Sabine Hofer gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Amstetten vom 14. Dezember 2000, GZ 1 P 167/00b-26, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss als nichtig aufgehoben und die Sachwalterschaftssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Für den Betroffenen wurde mit Beschluss des Erstgerichtes vom 28. 8. 2000 Mag. Sabine H***** zum einstweiligen Sachwalter für die Besorgung finanzieller Angelegenheiten bestellt (ON 8). In der Tagsatzung vom 30. 11. 2000 vertrat der einstweilige Sachwalter - wie bereits in seinem Verfahrensbericht ON 20 - den Standpunkt, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters nicht vorlägen; während der Betroffene - nach ergänzender Stellungnahme des Sachverständigen - seinen Wunsch erneuerte, dass ihm ein Sachwalter beigegeben werden möge (ON 21).

Mit dem hier zu behandelnden Beschluss des Erstgerichtes vom 14. 12. 2000 wurde der einstweilige Sachwalter zum Sachwalter für finanzielle Angelegenheiten und Schuldenregulierung bestellt (ON 26). Der Betroffene sei offenkundig außer Stande seine finanziellen Angelegenheiten eingeständig zu regeln, weil ihn seine Persönlichkeitsstörung daran hindere, im rechtsgeschäftlichen Verkehr das gebotene Maß an Selbstkontrolle und Eigenverantwortung aufzubieten.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht - ohne dass der Betroffene zur Erhebung einer Rekursbeantwortung aufgefordert worden ist - dem Rekurs des bestellten Sachwalters nicht Folge und sprach aus, der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob die hier vorliegende bloße Unreife und Persönlichkeitsstörung bereits zur Bestellung eines Sachwalters ausreiche, keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des bestellten Sachwalters mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung ersatzlos zu beheben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Wahrnehmung einer Nichtigkeit erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zukommt (Fasching, Zivilprozessrecht2 Rz 1891; JBl 1997, 326; 9 Ob 11/98b; RIS-Justiz RS0041896). Eine Nichtigkeit liegt hier vor; sie ist aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses des bestellten Sachwalters vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmen:

Gegen den Beschluss über die Bestellung des Sachwalters steht dem Betroffenen, seinem Vertreter und dem bestellten Sachwalter das Rechtsmittel des Rekurses zu (§ 249 Abs 2 AußStrG). Wird ein Rekurs nicht von dem Betroffenen (seinem Vertreter) erhoben, so ist er in zweifacher, gegebenenfalls in dreifacher, Ausfertigung zu überreichen; eine Ausfertigung ist dem Betroffenen (seinem Vertreter) zuzustellen. Ihnen steht es frei, binnen 14 Tagen nach Zustellung der Rekursschrift beim Gericht erster Instanz eine Rekursbeantwortung einzubringen (§ 249 Abs 3 AußStrG).

Bei der Regelung nach § 249 Abs 2 und 3 AußStrG handelt es sich um eine Sonderbestimmung gegenüber der allgemeinen Verfahrensbestimmung des § 9 AußStrG (Ent/Hopf, Sachwalterrecht, Anm 2 zu §§ 249 f; Maurer/Tschugguel, Sachwalterrecht2, Rz 4 zu § 249 AußStrG; NZ 1985, 177; NZ 1986, 131). Der Gesetzgeber verfolgte mit der Regelung des Rechtsmittelverfahrens im Sachwalterrecht das Ziel, gegenüber der Entmündigungsordnung einen verbesserten Rechtsschutz des Betroffenen zu gewährleisten. Nur dem Betroffenen und seinem Vertreter wurde das Recht eingeräumt, sich zu einem nicht von ihnen erhobenen Rekurs durch Rekursbeantwortung zu äußeren (Ent/Hopf aaO 96 f; Maurer/Tschugguel aaO Rz 14 zu § 249 AußStrG; Mayr/Fucik, Verfahren Außerstreitsachen, 94; Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren3 Rz 114).

Das Erstgericht hat im vorliegenden Fall den § 249 Abs 3 AußStrG nicht beachtet und dem Betroffenen keine Ausfertigung des Rekurses des bestellten Sachwalters gegen den Bestellungsbeschluss zugestellt, sondern den Akt sogleich dem Rekursgericht vorgelegt. Dieses entschied meritorisch über den Rekurs des bestellten Sachwalters, ohne auf das Unterbleiben einer Zustellung der Rekursschrift an den Betroffenen Bedacht zu nehmen. Damit wurde das hier geltende Gebot der Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens verletzt und dadurch dem Betroffenen das rechtliche Gehör durch einen ungesetzlichen Vorgang im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO entzogen; dem Betroffenen war es damit nicht möglich, sich durch eine Rekursbeantwortung am Rechtsmittelverfahren zu beteiligen. Die Verletzung des vorgeschriebenen rechtlichen Gehörs begründet auch im Außerstreitverfahren eine Nichtigkeit (Birkner, Parteistellung und rechtliches Gehör im Außerstreitverfahren, 57 ff; SZ 56/109; 8 Ob 574/87; RIS-Justiz RS0005982; zuletzt: 10 Ob 52/00w). Die davon betroffene Entscheidung des Rekursgerichtes war deshalb von Amts wegen als nichtig aufzuheben (JBl 1997, 326; EvBl 1997/30; 4 Ob 172/98t; 3 Ob 105/97f; 4 Ob 2331/96i; 10 Ob 352/99h; 10 Ob 52/00w; RIS-Justiz RS0042158; RS0041896 [T9]).

Das Rekursgericht wird die Zustellung einer Gleichschrift des Rekurses an den Betroffenen zu veranlassen und nach Einlangen der Rekursbeantwortung oder nach Ablauf der Rekursbeantwortungsfrist erneut zu entscheiden haben.

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