OGH 15Os36/01

OGH15Os36/015.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2001 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Philipp und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hartmann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Adam D***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Jugendschöffengericht vom 18. Dezember 2000, GZ 5 Vr 688/00-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Kandler zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die angemeldete Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld wird zurückgewiesen.

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch des Angeklagten enthält, wurde der am 9. April 1982 geborene Adam D***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 23. Oktober 2000 in Wien und in der Umgebung von Budapest im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten und deswegen bereits rechtskräftig verurteilten Erwachsenen Jure A***** sowie mit zwei weiteren unbekannt gebliebenen erwachsenen Mittätern dem Anton K***** mit Gewalt gegen seine Person, indem sie mit Fäusten auf ihn einschlugen und einer der unbekannten Täter - ohne Wissen und Billigung des Angeklagten - von hinten eine Pistole gegen K***** richtete, fremde bewegliche Sachen, nämlich einen weißen PKW der Marke Mercedes (E 200, Bj 1999, amtliches Kennzeichen W 3321TX), mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen.

Nach den wesentlichen erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen stimmte der Angeklagte am Abend des 23. Oktober 2000 einem Vorschlag seines Bekannten Jure A***** zu, mit ihm einen Taxifahrer von Wien nach Budapest zu locken, weil dort mit dem Taxi etwas (Raub oder Schmuggel) passieren soll, und wegen seiner guten Deutschkenntnisse dabei als Dolmetsch zu fungieren. Über Anweisung zweier unbekannter Erwachsener heuerten D***** und A***** auf der Wiener Kärntnerstraße den Taxifahrer Anton K***** für die geplante Fahrt zu einem bestimmten Hotel in Budapest an. Dort wurden sie bereits von zwei anderen unbekannten Männern erwartet, die in den PKW zustiegen und dem Fahrer - von dem daneben sitzenden Angeklagten übersetzt - die weitere Fahrtroute vorgaben. Aus ihren Äußerungen während der Fahrt erfuhr D***** konkret, dass gegen Anton K***** Gewalt angewendet werden soll, um ihm sein Taxi wegzunehmen. Nachdem einer der Männer dem Taxifahrer plötzlich von hinten eine Pistole an den Hals angesetzt und dieser daraufhin eine Notbremsung unternommen hatte, stieg der Angeklagte sofort aus dem Wagen aus und lief einige Meter vom Auto weg. Inzwischen hatte einer der Männer den Anton K***** mit Fäusten zusammengeschlagen. D***** sah, wie der Fahrer mit angehaltener Waffe gezwungen wurde, mit erhobenen Händen das Taxi zu verlassen. Daraufhin fuhren alle vier gemeinsam im PKW Mercedes weg, stellten ihn schließlich an einem Feldweg ab und fuhren mit einem ungarischen Taxi nach Budapest zurück. Der Angeklagte handelte in der Absicht, sich und Dritte durch die unrechtmäßige Zueignung des Fahrzeuges zu bereichern (US 5 bis 7).

In rechtlicher Hinsicht qualifizierte das Tatgericht das Verhalten des Angeklagten als Mittäterschaft zum Verbrechen des Raubes, weil er sich vorsatzgemäß in der Ausführungsphase am Raum beteiligt hat. Obgleich er nicht selbst Gewalt gegen Anton K***** angewendet hat, um die Gewahrsame am PKW Mercedes zu erlangen, hat er - nach den weiteren Urteilskonstatierungen - gemeinsam mit den anderen Mittätern den Raub durch den unmittelbar nachfolgenden Gewahrsamsbruch vollendet, indem er mit den anderen im Auto wegfuhr. In subjektiver Hinsicht führte es ergänzend aus, der Angeklagte habe es nicht nur ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass sie dem Anton K***** mittels Gewalt gegen seine Person sein Taxi wegnahmen, sondern auch mit dem erweiterten Vorsatz gehandelt, sich und Dritte durch Zueignung des Autos unrechtmäßig zu bereichern (US 9 f).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Rechtsrüge, die mangels Festhalten am gesamten subjektiven und objektiven Tatsachensubstrat weitgehend nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, geht fehl.

Nach Meinung des Beschwerdeführers war dem Anton K***** mit seinem Aussteigen aus dem Taxi der unmittelbare Zugriff auf das Auto entzogen, der Gewahrsamsbruch vollzogen und das Delikt vollendet. Aus der Feststellung, der Angeklagte sei "ein paar Meter" vom Auto weggelaufen, ergebe sich zwingend, dass im Zeitpunkt seines Zusteigens der Raub bereits vollendet gewesen sei. Das anschließende Wegfahren mit den anderen verwirkliche den objektiven Tatbestand nicht.

Abgesehen davon, dass der Rechtsmittelwerber die unangefochten gebliebenen Urteilsfeststellungen prozessordnungswidrig übergeht, denen zufolge er in Kenntnis des bevorstehenden Raubüberfalls und diesen, in seinen bedingten Vorsatz aufnehmend, das von Unbekannten ausgewählte Taxi in Wien bestieg, den Fahrer nach Budapest lockte und die Fahranweisungen der tatentschlossenen Mittäter übersetzte, könnten diese schon für sich allein den bekämpften Schuldspruch - wenn auch in der gleichwertigen Form als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB - tragen. Seiner irrigen Rechtsmeinung zuwider ist der Raub erst vollendet, wenn die Sache weggenommen oder abgenötigt worden ist. Der Gewahrsamsbruch ist dann geschehen, wenn das Tatobjekt dem unmittelbaren Zugriff des Opfers entzogen ist, das heißt, sobald der Täter die tatsächliche Sachherrschaft erlangt und der bisherige Gewahrsamsinhaber dadurch nicht mehr in der Lage ist, über die Sache zu verfügen (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 142 RN 16; 13 Os 64/78). Demnach wurde der hier gegenständliche Raub des PKW's - entgegen der Beschwerde und der gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung, die sich auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes berufen (SSt 56/46 = EvBl 1986/24), der ein anderer, nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrundeliegt - nicht schon mit dem bloßen Aussteigen des Fahrzeuglenkers vollendet, sondern erst mit dem Einsteigen und Wegfahren der Täter, weil diese erst dadurch die tatsächliche Sachherrschaft erlangten.

Zur subjektiven Tatseite behauptet die Beschwerde Feststellungsmängel bezüglich des konkreten Tatvorsatzes. Zur Stützung ihres Vorbringens zitiert sie verfahrensvorschriftswidrig nur ihr kritikwürdige Urteilsannahmen selektiv, somit sinnentstellend, aus dem Kontext und vermeint, diese seien für den Schuldspruch nicht ausreichend. Bei der gebotenen, vom Nichtigkeitswerber jedoch vernachlässigten Gesamtbetrachtung von Spruch und Gründen wird klar, dass das Erstgericht keineswegs allein das bloße "Denken" und "Wissen" um die Verwirklichung des Raubes konstatiert, sondern - auch auf das Geständnis des Angeklagten (S 245 ff) gestützt - den (zu Unrecht vermissten) bedingten Vorsatz sowohl in Bezug auf den Einsatz des Begehungsmittels der Gewalt (Einschlagen auf das Opfer mit Fäusten) als auch bezüglich des Wegnehmens und der unrechtmäßigen Bereicherung explizit feststellt (abermals US 3 iVm US 6 bis 8 oben und 9 f).

Nur der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass es sich bei gesamtheitlicher und verständiger Leseart bei der kritisierten Wortfolge "Aus den Taten des Angeklagten lässt sich entnehmen, ....."

(US 9 unten bis 10 oben) um eine eindeutige - vom Nichtigkeitswerber aus formellen Gründen unangefochten gebliebene - Schlussfolgerung der Tatrichter handelt. Die weitere Urteilspassage "...., war er sich jedoch sicherlich bewusst, ....." (US 6 unten) hinwieder ist als "sicher bewusst" zu verstehen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Die angemeldete Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (ON 39) war als unzulässig zurückzuweisen, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Prozessgesetzen nicht vorgesehen ist.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 142 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG eine 18-monatige Freiheitsstrafe, wovon es gemäß § 43a Abs 3 StGB einen Strafteil von 13 Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend keinen Umstand, als mildernd hingegen das Geständnis, die Unbescholtenheit und die teilweise objektive Schadensgutmachung.

Mit der dagegen gerichteten Berufung beantragt der Angeklagte eine geringere Strafe und deren gänzliche bedingte Nachsicht.

Die Berufung ist unbegründet.

Das Tatgericht hat die Strafzumessungstatsachen nicht nur richtig und vollständig festgestellt, sondern sie auch entsprechend gewichtet und über den Angeklagten eine tatschuldangemessene Sanktion verhängt.

Die von der Berufung zusätzlich zu ihren Gunsten ins Treffen geführten Milderungsgründe liegen in Wahrheit nicht vor:

Aus den erstgerichtlichen Urteilsannahmen zur Person des Angeklagten (US 5 iVm US 11 dritter Absatz) ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass mit der "Unbescholtenheit" zum Ausdruck gebracht wird, dass der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Tat in auffallendem Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten steht (§ 34 Z 2 StGB). Der weitere Einwand hinwieder, nach den Urteilsfeststellungen habe er keinerlei aktive Rolle beim Raub übernommen und sein Tatbeitrag habe sich in keinerlei Weise auf das verwirklichte Delikt ausgewirkt, weshalb seine untergeordnete Rolle als mildernd zu berücksichtigen gewesen wäre, ist urteilsfremd. Der Tatsache, dass sich der Berufungswerber am 28. Oktober 2000 um 20.10 Uhr in Begleitung seines Vaters im Bezirkspolizeikommissariat Mariahilf stellte (S 15), kommt nicht das von ihm gewünschte Gewicht zu. Denn der Journalrichter beim Jugendgerichtshof Wien hatte bereits am 27. Oktober 2000 um 17.00 Uhr gegen den des Raubes verdächtigen Adam D***** Haftbefehl erlassen (in ON 2), worauf die Sicherheitsbehörde seit 18.30 Uhr vergeblich nach ihm fahndete (S 7 ff).

Die beantragte Strafreduktion ist daher ausgeschlossen.

Mit zutreffender Begründung hat das Erstgericht aber auch die Gewährung der gänzlichen bedingten Strafnachsicht aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen abgelehnt (US 10 f). Dagegen bringt die Berufung keine Gründe vor, welche die begehrte Maßnahme rechtfertigen könnten.

Somit war auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstelle.

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