OGH 8ObA224/00z

OGH8ObA224/00z29.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Nicole P*****, vertreten durch Dr. Thaddäus Schäfer, Mag. Peter Prechtl, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr. Reinfried Z*****, vertreten durch Dr. Markus Komarek, Rechtsanwalt in Hall i.T., wegen S 3.500,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31. Mai 2000, GZ 13 Ra 17/00y-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. Februar 2000, GZ 47 Cga 273/99h-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.031,36 (darin enthalten S 338,56 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 21. 10. 1996 bis zu ihrem vorzeitigen Austritt am 8. 9. 1999 beim Beklagten als "Ordinationshilfe in Ausbildung" beschäftigt. Sie besuchte ab 1. 10. 1997 an der Schule für zahnärztliche Helferinnen an der Universitätsklinik Innsbruck einen Fachkurs, wobei ihr hiefür vom Beklagten die erforderlichen Zeit unter Fortzahlung ihres Gehaltes freigegeben wurde. Die Kosten des Ausbildungskurses in Höhe von S 3.500,-- wurden von der Klägerin gezahlt.

Anzuwenden ist der Kollektivvertrag für die Angestellten bei Fachärzten für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und Dentisten.

Die Klägerin begehrt vom beklagten Zahnarzt die Kosten des Besuches des Fachkurses in Höhe von S 3.500,-- und stützt sich dabei darauf, dass der Ausbildungsbetrieb sämtliche im Rahmen der kollektivvertraglich geregelten Ausbildung anfallenden Ausbildungskosten zu tragen habe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass die Klägerin ihr Ausbildungsverhältnis unberechtigt aufgelöst habe. Er sei nach dem Kollektivvertrag nur verpflichtet, der Klägerin die für den Fachkurs erforderliche Zeit unter Fortzahlung des Entgeltes freizugeben, nicht aber die Ausbildungskosten zu tragen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgerte rechtlich, dass der Beklagte in ergänzender Auslegung des Individualarbeitsvertrages für die Kosten der Ausbildung aufzukommen habe. Im Arbeitsverhältnis habe der Ausbildungszweck dominiert.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten in der Hauptsache nicht Folge. Es begründete dies rechtlich ebenfalls damit, dass im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung ausgehend von dem befristeten Ausbildungsvertrag zur ärztlichen Ordinationshilfe das Schwergewicht des Arbeitsverhältnisses auf der Ausbildung durch den Arbeitgeber im Zuge der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung liege. Dementsprechend sei auch zu Beginn ein geringeres Arbeitsentgelt vorgesehen. Entsprechend der in den §§ 9 Abs 1 und 17 BAG vorgesehenen Ausbildungs- und Entgeltfortzahlungspflicht des Lehrberechtigten sei im Lehrverhältnis der Anspruch des Lehrlings auf Lehrlingsentschädigung unabdingbar. Dieses sei dem Ausbildungsverhältnis zu einer Ordinationshilfe ähnlich, sodass die Grundsätze des BAG analog anzuwenden seien. Dementsprechend sei eine Schmälerung des kollektivvertraglichen Entgeltanspruches der Klägerin durch Überwälzung der Ausbildungskosten unzulässig. Die Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Kostentragung für Fachkurse im Rahmen der Ausbildung zur Ordinationshilfe fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision des Beklagten ist aus dem vom Berufungsgerichtes genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Der hier nach den Feststellungen anzuwendende Kollektivvertrag für die Angestellten bei Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und Dentisten enthält in seiner Präambel einen Hinweis darauf, dass eine gesetzliche Grundlage für die Ausbildung von Ordinationshilfen bei Fachärzten für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und Dentisten fehlt (vgl im Zusammenhang auch das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz sowie früher das Bundesgesetz betreffend die Regelungen des Krankenpflegefachdienstes des medizinischen Fachdienstes und des Sanitätshilfedienstes). Auch eine Verordnung im Sinne des § 7 Berufungsausbildungsgesetzes liegt nicht vor, sodass auf diese Beschäftigungsverhältnisse auch nicht das Berufungsausbildungsgesetz anzuwenden ist (§ 1 BAG). Insgesamt ist also einleitend festzuhalten, dass keine eigenen gesetzlichen Bestimmungen für diesen Beruf und seine Ausbildung vorliegen.

Die Regelungsbefugnis des Kollektivvertrages selbst beschränkt sich nun in dem hier maßgeblichen Zusammenhang auf die gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer (vgl § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG). Eine Schaffung von davon unabhängigen "berufsrechtlichen" Regelungen steht den Kollektivvertragsparteien nicht zu. Dementsprechend haben sie auch etwa nicht die Möglichkeit unabhängig vom Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses Regelungen über eine Ausbildung zu schaffen.

Betrachtet man nun vor diesem Hintergrund die Bestimmungen des hier maßgeblichen Kollektivvertrages, so sieht dieser in seinem § 8 über "Ordinationshilfen in Ausbildung" ua vor, dass die "Ausbildungszeit" für Ordinationshilfen drei Jahre beträgt und eine "praktische und theoretische Ausbildung (duales System)" wie folgt umfasst:

"a) Die praktische Ausbildung erfolgt durch die Beschäftigung als Auszubildende bei einem Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde oder Dentisten; sie kann auch an einer zahnärztlichen Universitätsklinik erfolgen.

b) Die theoretische Ausbildung erhält die auszubildende Ordinationshilfe neben ihrer praktischen Ausbildung in einem anerkannten Fachkurs. Die für den Besuch dieses Fachkurses erforderliche Zeit ist vom Dienstgeber unter Fortbestand des Gehaltsanspruches freizugeben. Diese Zeit darf in den Urlaub nicht eingerechnet werden."

Im Anschluss bestimmt dann § 8a über die "Ordinationshilfe", dass diese ihre Tätigkeit in Verantwortung des Zahnarztes auf seine Anordnung und unter seiner Anleitung und Aufsicht ausübt und für alle in einer Ordination anfallenden Arbeiten herangezogen werden kann. Ausgenommen sind Reinigungsarbeiten, die einem Bedienungspersonal zustehen.

§ 18 regelt dann die Mindestgehälter vorweg für die Ordinationshilfen während ihrer Ausbildung und sah dabei vergleichbar Lehrlingsentschädigungen ab März 1998 für Ordinationshilfen im ersten Ausbildungshalbjahr S 3.400,--, im zweiten Ausbildungshalbjahr S 4.800,--, im zweiten Ausbildungsjahr S 7.000,-- und im dritten Ausbildungsjahr S 8.000,-- vor. Im Anschluss daran finden sich dann die Mindestgehälter für die Ordinationshilfen nach ihrer Ausbildung, jeweils gestaffelt nach Berufsjahren.

Betrachtet man nun die so vom Kollektivvertrag im Rahmen der Ausbildung der Ordinationshilfen festgelegten "Rechte und Pflichten" der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer (vgl § 2 Z 2 ArbVG), so ergibt sich eindeutig, dass sich die "Ordinationshilfe in Ausbildung" auch einer theoretischen Ausbildung in einem "anerkannten Fachkurs" zu unterziehen hat. Die Absolvierung der Ausbildung ist auch Voraussetzung für die höhere Bezahlung als Ordinationshilfe. Weiters ist daraus ersichtlich, dass diesen Teil der Ausbildung der Arbeitgeber nicht unmittelbar selbst durchzuführen hat. Nicht eindeutig festgelegt ist jedoch damit, wer die Kosten dieser Ausbildung zu tragen hat. Dazu ist jedoch allgemein darauf zu verweisen, dass es dem Kollektivvertrag nur freisteht, den Arbeitnehmer zu solchen Leistungen zu verhalten, die "typischer, wesentlicher oder regelmäßig wiederkehrender Inhalt eines Arbeitsverhältnisses" sein können (vgl SZ 54/147 = Arb 10.057 = ZAS 1983, 101 [Geppert] = DRdA 1983, 178 [Wachter]; Arb 10.965 = ZAS 1993/1 [Strasser] uva).

Die typischen Pflichten des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis bestehen aber darin, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich sorgfältig zu bemühen, die ihm übertragenen Aufgaben richtig auszuführen (vgl Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser ArbR I4, 147), nicht aber in der Verpflichtung der Organisation einer Ausbildung. Vielmehr trifft ihn typischerweise die Verpflichtung, an dieser teilzunehmen. Anders als etwa bei einer Bildungskarenz (vgl § 11 AVRAG) kann hier - auch ausgehend von der Regelungskompetenz der Kollektivvertragsparteien - nicht davon ausgegangen werden, dass dem Arbeitnehmer in einem allgemeinen Fortbildungsinteresse oder dem Interesse an einer allgemein anerkannten Berufsausbildung (vgl aber auch da zur Kostentragung Berger/Fida/Gruber BAG § 9 Rz 52) entgegengekommen wird. Hier hat der Arbeitnehmer vielmehr die für seine Tätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers erforderlichen Kenntnisse zu erwerben.

Ist mit einer solchen Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis ein Aufwand verbunden, so hat diesen nach der auf das Arbeitsverhältnis analog anzuwendenden Bestimmung des § 1014 ABGB (vgl dazu RIS-Justiz

RS0019687 = insbes SZ 56/86 = DRdA 1984/1, 32 [Jabornegg] = EvBl

1983/154, 92 = Arb 10.268 = JBl 1984, 391 = ZAS 1985, 14; ZAS 1987, 85 [Kerschner] = DRdA 1988, 132 [Jabornegg] = Arb 10.495 ua; Strasser in Rummel ABGB3 §§ 1014, 1015 Rz 2 mzwN) der Arbeitgeber zu tragen. Hat doch nach dieser Bestimmung ua der "Gewaltgeber", also der Arbeitgeber, jeden zur "Besorgung des Geschäftes notwendigen Aufwand" zu ersetzen.

Dass die Parteien des Kollektivvertrages eine davon abweichende Regelung treffen wollten, ist nicht ersichtlich, sodass die Frage ihrer Wirksamkeit nicht zu erörtern ist.

Davon zu unterscheiden ist die Frage, in welchem Umfang derartige Ausbildungskosten vom Arbeitgeber vereinbarungsgemäß dann wieder zurückverlangt werden können, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet. Diese wurde hier nicht releviert.

Insgesamt haben daher die Vorinstanzen zutreffend die Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz der Aufwendungen der Klägerin für die Ausbildung ausgesprochen.

Der Revision des Beklagten war dementsprechend ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.

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