OGH 6Ob65/01d

OGH6Ob65/01d29.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Stefan L*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der prot. Firma Mehmet K*****, gegen die beklagte Partei Mehmet K*****, wegen 67.916,10 S sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. Jänner 2001, GZ 35 R 676/00x-5, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10. November 2000, GZ 29 C 1980/00v-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Masseverwalter einer Kommanditerwerbsgesellschaft. Er nimmt den Beklagten als persönlich haftenden Gesellschafter der KEG für Verbindlichkeiten der gemeinschuldnerischen Gesellschaft in Anspruch.

Das Erstgericht wies den Antrag des Klägers auf Bestellung eines Zustellkurators ab und die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Nach dem Vorbringen des Klägers betreffe sein Anspruch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter, wobei eine Kommanditerwerbsgesellschaft unter den Begriff "Handelsgesellschaft" des § 51 Abs 1 Z 6 JN falle. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung sei kraft Größenschlusses auch auf die KEG auszudehnen, weil diese Regelung selbst stille Gesellschaften und Gelegenheitsgesellschaften den Handelsgesellschaften gleichstelle.

Das Rekursgericht bestätigte mit der Maßgabe, dass der Antrag auf Bestellung eines Zustellkurators (mangels Zuständigkeit) zurückgewiesen werde. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur analogen Anwendung des § 51 Abs 1 Z 6 JN in Bezug auf Erwerbsgesellschaften fehle.

Für eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern einer Erwerbsgesellschaft oder zwischen dieser und ihren Mitgliedern spreche nicht nur die materiellrechtliche Gleichstellung der Erwerbsgesellschaft mit Personenhandelsgesellschaften in Ansehung ihres Organisations-, Vermögens- und Haftungssystems, sondern auch deren gebührenrechtliche Gleichstellung im Gerichtsgebührengesetz. Der Gesetzgeber unterstelle sogar die Rechtsstreitigkeiten zwischen einem stillen Gesellschafter und dem Inhaber des Handelsgewerbes sowie zwischen den Mitgliedern einer Gelegenheitsgesellschaft der Zuständigkeit der Handelsgerichte. Dies müsse kraft Größenschlusses umso mehr auch für die Erwerbsgesellschaften gelten. Das Erstgericht habe daher zu Recht die Klage zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Das Rekursgericht weist zutreffend darauf hin, dass § 51 Abs 1 Z 6 JN nicht nur Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis zwischen Mitgliedern einer Handelsgesellschaft oder zwischen dieser und ihren Mitgliedern der handelsgerichtlichen Zuständigkeit unterwirft, sondern auch Streitigkeiten zwischen einem stillen Gesellschafter und dem Inhaber des Handelsgewerbes, wie auch Streitigkeiten zwischen den Teilnehmern einer Vereinigung (somit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts) zur Vornahme einzelner Handelsgeschäfte. Schon daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber der Zivilverfahrens-Novelle 1981 den in dieser Bestimmung verwendeten Begriff "Handelsgesellschaft" nicht im engen Sinn einer Gesellschaft mit Kaufmannseigenschaft verstanden hat, ist doch weder die stille Gesellschaft noch die zum Abschluss einzelner Handelsgeschäfte gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine "Handelsgesellschaft" im handelsrechtlichen Sinn. Der Geschäftszweck der angeführten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Abschluss von Handelsgeschäften) ist im gegebenen Zusammenhang - Begründung der Zuständigkeit für Streitigkeiten zwischen den Teilnehmern an dieser bürgerlich-rechtlichen Vereinigung oder zwischen dieser und Dritten - ohne Bedeutung.

Ausgangspunkt des Erwerbsgesellschaftenge- setzes (EGG) waren rechtspolitische Bestrebungen, auch Nicht- und Minderkaufleuten eine der OHG bzw der KG vergleichbare Personengesellschaftsform zur Verfügung zu stellen, die über Rechtspersönlichkeit verfügt und in das Firmenbuch eingetragen wird. Auf eingetragene Erwerbsgesellschaften sind gemäß § 4 EGG die Vorschriften des HGB und der 4. EV zum HGB über die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft (unter Bedachtnahme auf die Vorschriften zur Firmenbildung und den Anwendungsbereich für freie Berufe) anzuwenden. Danach entspricht der organisatorische Aufbau von Erwerbsgesellschaften ebenso wie ihr Vermögens- und Haftungssystem jenem der Personenhandelsgesellschaften (Krejci, Erwerbsgesellschaftengesetz Rz 11 ff zu Vorbemerkung). Ihr allgemeiner Gerichtsstand bestimmt sich - wie jener der in § 75 Abs 1 JN aufgezählten Rechtsträger - nach ihrem Sitz (Krejci aaO Rz 26 vor §§ 5 ff). Angesichts dieser Umstände wie auch in Anbetracht der Zuständigkeit der Kausalgerichte für Streitigkeiten zwischen einem stillen Gesellschafter und dem Inhaber des Handelsgewerbes sowie zwischen den Gesellschaftern einer zum Abschluss einzelner Handelsgeschäfte gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts besteht kein sachlicher Grund, Erwerbsgesellschaften von der Regelung des § 51 Abs 1 Z 6 JN auszunehmen. Insofern liegt eine planwidrige Gesetzeslücke vor, die eine analoge Anwendung der angeführten Bestimmung über die sachliche Zuständigkeit der Kausalgerichte auch auf offene Erwerbsgesellschaften und Kommanditerwerbsgesellschaften ermöglicht. § 51 Abs 1 Z 6 JN ist somit auch auf Erwerbsgesellschaften anzuwenden.

In diesem Sinn vertritt auch Simotta (in Fasching2 I, Rz 96 zu § 51 JN) unter Hinweis auf den Zweck der die sachliche Zuständigkeit regelnden Bestimmung die Auffassung, dem Begriff "Handelsgesellschaft" im Sinn des § 51 Abs 1 Z 6 JN liege nicht der enge handelsrechtliche Begriff einer "Handelsgesellschaft" zugrunde. Vielmehr falle nach einem Größenschluss auch die Erwerbsgesellschaft unter diesen Anwendungsbereich, der selbst stille Gesellschaften und Gelegenheitsgesellschaften den Handelsgesellschaften gleichstelle. Krejci (aaO Rz 31 vor §§ 5 ff) verweist auf die handelsgerichtliche Zuständigkeit für Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die auf den Abschluss einzelner Handelsgeschäfte abzielen und meint, es sei nur konsequent, § 51 Abs 1 Z 6 JN auch auf minderkaufmännische Erwerbsgesellschaften anzuwenden.

Auch der Oberste Gerichtshof hat im Zusammenhang mit der Beurteilung einer Unternehmensveräußerung nach § 12a Abs 1 MRG in Übereinstimmung mit der dort zitierten Lehre bereits erkannt, dass § 12a Abs 3 MRG - wenngleich auch diese Bestimmung nur juristische Personen und Personengesellschaften des Handelsrechts anführt - auch auf Erwerbsgesellschaften nach dem Erwerbsgesellschaftengesetz analog anzuwenden ist (SZ 70/216).

Die Vorinstanzen sind somit zutreffend von der Unzuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien ausgegangen. Dem Revisionsrekurs wird ein Erfolg versagt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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