OGH 4Ob74/01p

OGH4Ob74/01p22.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** GmbH, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. M***** GmbH & Co KG, 2. M***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch Korn, Zöchbauer, Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 480.000 S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. Jänner 2001, GZ 5 R 4/01x-9, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Beklagten machen als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass keine Rechtsprechung zur Frage bestehe, unter welchen Voraussetzungen ein Scheinentgelt vorliege, wenn für eine "preisgeregelte Ware" ein geringerer als der vorgesehene Preis verlangt wird. Sie verweisen darauf, dass sich die Rechtsprechung bisher nur mit Fällen befasst habe, in denen kein einheitlicher Marktpreis bestanden habe, so dass dem umworbenen Kunden der Umfang der Vergünstigung ohne unzumutbare Nachforschungen nicht bekannt gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesen Ausführungen verkennen die Beklagten, dass das Vorliegen eines Scheinpreises nicht davon abhängt, ob die beteiligten Verkehrskreise das Ausmaß der Vergünstigung erkennen können. Ob ein Scheinentgelt vorliegt, bestimmt sich vor allem danach, ob die Nebenware (-leistung) ordnungsgemäß kalkuliert worden ist und damit der für sie ausgeworfene "Preis" auch materiell ein echtes Entgelt ist. Ein krasses Missverhältnis zwischen dem objektiven Wert der Nebenware (-leistung) und dem für sie geforderten "Entgelt" wird regelmäßig die - widerlegbare - Vermutung einer nicht ernst gemeinten, nur zur Verschleierung der Unentgeltlichkeit geforderten "Scheinvergütung" begründen. Ob ein Scheinentgelt vorliegt, bestimmt sich demnach nicht nach dem Eindruck des Verkehrs, sondern nach der Kalkulation des Anbieters (ÖBl 1999, 29 - Jahresabonnement-Kombiangebot; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht22 § 1 ZugabeVO Rz 49). Es ist daher ohne Bedeutung, ob für die Nebenware kein einheitlicher Marktpreis oder - wie im Fall der Autobahnvignette - sogar ein amtlicher Preis besteht. Ohne Bedeutung ist auch, in welchem Verhältnis der für die Nebenware verlangte Preis zum Preis der Hauptware steht. Ein für eine Nebenware verlangter Preis kann nicht nur dann ein Scheinpreis sein, wenn dadurch ein auffallend niedriger Gesamtpreis zu Stande kommt, wie auch eine unentgeltliche Zugabe nicht nur dann vorliegt, wenn sie dazu führt, dass die Hauptware auffallend günstig erscheint. Die von der Beklagten zitierten Ausführungen aus den Materialien beziehen sich auf den Gesamtpreis als eine der - im vorangehenden Absatz angeführten - Möglichkeiten für die Verschleierung der Unentgeltlichkeit einer Zugabe.

Keine erhebliche Rechtsfrage bildet auch das Fehlen einer Rechtsprechung zur Frage, ob ein Preis in Höhe von 15 % des offiziellen Verkaufspreises bereits "per se" ein Scheinpreis ist. Diese Frage stellt sich nicht, weil nicht feste Prozentsätze ausschlaggebend sein können, sondern im Einzelfall zu prüfen ist, ob der Anbieter den Preis der Nebenware ordnungsgemäß kalkuliert hat. Eine ordnungsgemäße Kalkulation kann jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn eine Autobahnvignette im Wert von 1.000 S um 150 S abgegeben wird und das Entgelt die Selbstkosten demnach auch nicht annähernd deckt. Für die Zeitungsbranche kann nichts Anderes gelten, weil auszuschließen ist, dass sie über Bezugsquellen für Autobahnvignetten verfügt, die eine seriöse Kalkulation eines Verkaufspreises von 150 S möglich machen.

Als erhebliche Rechtsfrage machen die Beklagten weiters geltend, dass es ein Wertungswiderspruch wäre, Zugabenaktionen nach § 9a Abs 1 UWG zu verbieten, die nach der Rechtsprechung zu § 1 UWG als Kopplungsangebote zulässig sind. Durch das Zugabenrecht würden Verhaltensweisen, die unter Umständen auch ohne eigene zugabenrechtliche Norm sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG wären, formalisiert. Das Rekursgericht hätte daher auf die Rechtsprechung zu Vorspannangeboten Bedacht nehmen müssen.

Nach dieser Rechtsprechung sind Vorspannangebote nur dann sittenwidrig, wenn die Koppelung der Hauptware mit der preisgünstigen Nebenware geeignet ist, sachliche Erwägungen beim Konsumenten gänzlich auszuschließen; das Vorspannangebot muss also geeignet sein, Verbraucher ohne jede sachliche Prüfung, allein wegen der Möglichkeit, die Vorspannware zu einem Bruchteil des üblichen Preises zu erwerben, zum Kauf einer Hauptware zu verleiten, die sie sonst

erfahrungsgemäß nicht gekauft hätten (ecolex 1993, 536 = MR 1993, 117

= ÖBl 1993, 73 = ÖZW 1994, 83 = WBl 1993, 298 - Badezimmerradio ua).

Begründet werden die strengen Anforderungen an die Sittenwidrigkeit eines Vorspannangebots damit, dass eine Nebenware zu einem höheren als einem Scheinpreis nicht ohne weiteres unzulässig sein kann, wenn das Zugabenverbot nur unentgeltliche Zugaben und Zugaben zu Scheinpreisen erfasst. Die Rechtsprechung zu Vorspannangeboten ist demnach nur auf Nebenwaren anwendbar, die weder unentgeltlich noch zu einem Scheinpreis abgegeben werden.

Ob aber ein für eine Nebenware verlangtes Entgelt ein Scheinpreis ist, muss in jedem Fall - wie oben dargelegt - nach der Kalkulation des Anbieters beurteilt werden. Ergibt diese Beurteilung, dass das Entgelt ein Scheinpreis ist, dann liegt kein nach § 1 UWG zulässiges Kopplungsangebot vor. Das gilt auch dann, wenn für Haupt- und Nebenware ein Gesamtpreis verlangt wird. Auch in diesem Fall ist zuerst zu prüfen, ob das auf die Nebenware entfallende Entgelt ein Scheinpreis ist; ist dies zu bejahen, so ist Zugabenrecht anzuwenden (s Baumbach/Hefermehl aaO § 1 dUWG Rz 127). Danach ist der Verbotstatbestand bereits dann erfüllt, wenn die Nebenware unentgeltlich oder zu einem Scheinpreis abgegeben wird, während bei Vorspannangeboten die oben wiedergegebenen Sittenwidrigkeitselemente als Ersatz für die hier fehlende Unentgeltlichkeit und das Nichtvorliegen eines Scheinpreises erfüllt sein müssen.

Der von den Beklagten behauptete Wertungswiderspruch liegt daher nicht vor; Zugabenverstoß und Vorspannangebot bilden nicht einander überschneidende, sondern einander ergänzende Tatbestände. Eine wegen Vorliegens eines Scheinpreises unzulässige Kopplung einer Nebenware mit einer Hauptware ist kein nach § 1 UWG zu beurteilendes Vorspannangebot; sie verstößt unabhängig davon gegen das Zugabenverbot, ob der Scheinpreis für die Nebenware offengelegt oder durch einen Gesamtpreis verschleiert wird.

Keine erhebliche Rechtsfrage bildet auch der von den Beklagten behauptete Verstoß gegen die Rechtsprechung zur Fassung von Unterlassungsgeboten. Nach der von den Beklagten zitierten neueren Rechtsprechung (4 Ob 204/00d, 4 Ob 248/00z) ist ein allgemeines Zugabenverbot nicht gerechtfertigt, wenn der Beklagte bisher Zugabenverstöße nur durch Sachzugaben verwirklicht hat und die Befürchtung nicht gerechtfertigt ist, er werde ein nur auf diese Tathandlung abstellendes Unterlassungsgebot auf andere Weise, etwa durch Abgabe von Zugaben zu Scheinpreisen oder durch Veranstaltung verbotener Gewinnspiele, zu umgehen versuchen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Unterlassungsgebot demnach auf die - allgemein umschriebene - konkrete Tathandlung einzuschränken, wie dies im vorliegenden Fall ohnehin geschehen ist.

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