Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Parteien waren Miteigentümer einer Liegenschaft mit Haus in St. Pölten. Dieses Objekt wurde am 5. 5. 2000 im Exekutionsverfahren gemäß § 352 EO um das Meistbot von 6,1 Mio S rechtskräftig dem Betreibenden als Ersteher zugeschlagen. Der Versteigerung lagen vereinbarte, mit dem berichtigten Beschluss vom 7. 1. 2000 gerichtlich festgestellte Bedingungen zugrunde, die auszugsweise folgenden Wortlaut haben:
"I. Gegenstand
d) Bei der Liegenschaft handelt es sich um ein Mehrfamilienwohnhaus
mit einem Geschäftslokal. Bestandverträge sind vom Ersteher dann zu
übernehmen, wenn ein gültiger Vertrag (sei es schriftlich, sei es
mündlich) vorliegt. Ein allfälliges Geh- oder Fahrrecht über die
Liegenschaft zum Nebengrundstück ... ist dann zu übernehmen, wenn es
wirksam eingeräumt wurde.
Festgehalten wird, dass die verpflichtete Partei die Vermietung
sämtlicher Wohnungen und einen Zugang über das zu versteigernde
Grundstück zum Grundstück ... behauptet. Die Betreibende bestreitet
die Existenz von gültigen Mietverträgen und sonstigen Vereinbarungen und stellt auch in Abrede, dass ein Geh- oder Fahrrecht auf der zu versteigernden Liegenschaft lastet.
VI. Übergabe
Die Übergabe der Liegenschaft an den Ersteher erfolgt mit dem Tag der vollständigen Berichtigung des Meistbotes. Vom Tag der Übergabe an gebühren dem Ersteher alle Nutzungen, Früchte und Einkünfte der Liegenschaft, vom selben Tag an trägt er die mit der Liegenschaft verbundenen Lasten einschließlich der Steuern und sonstigen Abgaben. Mehrere Ersteher haften gemeinsam zur ungeteilten Hand. Mit diesem Zeitpunkt gehen (offenkundig gemeint: geht) die Gefahr an der Liegenschaft an den Ersteher über. ...".
Mit Beschluss vom 3. 7. 2000 stellte das Erstgericht die Erfüllung der Versteigerungsbedingungen durch den Ersteher fest. Am 24. 7. 2000 stellte es dem Ersteher eine Amtsurkunde aus, wonach er "nunmehr als Eigentümer" der zugeschlagenen Liegenschaft "einverleibt werden kann".
Mit Beschluss vom 10. 10. 2000 ordnete das Erstgericht auf Antrag des Erstehers die "zwangsweise Räumung" der "beiden zusammengelegten Wohnungen im Erdgeschoß des Hauses" durch den Verpflichteten und deren Übergabe an den Ersteher an.
Das Rekursgericht wies den Exekutionsantrag ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Die Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft im Exekutionsverfahren gemäß § 352 EO sei nach den §§ 272 bis 279 AußStrG abzuwickeln. Demnach unterliege der Beschluss auf Feststellung der Versteigerungsbedingungen dem Außerstreitgesetz. Die Regelung des § 156 Abs 2 EO beruhe darauf, dass der Ersteher im Verfahren auf Zwangsversteigerung einer Liegenschaft mit dem Zuschlag Eigentum erwerbe. Dagegen schaffe der Zuschlag im Verfahren nach § 352 EO nur einen Rechtstitel für den Besitz- und Eigentumserwerb. Der Erwerb gelte als Kauf. Der Besitzerwerb setze die Besitzergreifung, der Eigentumserwerb die grundbücherliche Einverleibung voraus. Zweck der Versteigerung gemäß § 352 EO sei "nicht die Entfernung oder Räumung des Verpflichteten, sondern die Zivilteilung". Daher sei § 156 Abs 2 EO, der nicht dem Wesen einer freiwilligen Versteigerung entspreche, nicht analog anwendbar. Verweigere der Verpflichtete die Räumung, müsse der einen Gebrauchstitel des Verpflichteten verneinende Ersteher klageweise einen Räumungstitel erwirken. Unzutreffend sei daher die Entscheidung des Kreisgerichts Korneuburg RPflSlgE 1987/81, nach der eine Übergabregelung in den Versteigerungsbedingungen gemäß § 19 Abs 3 AußStrG vollstreckbar sei. Somit ersetze die Übergaberegelung in Pkt. VI der im Anlassfall maßgebenden Versteigerungsbedingungen nicht die Erwirkung eines Exekutionstitels. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, "ob die in den Versteigerungsbedingungen enthaltene Übergaberegelung eine zulässige Räumungsvereinbarung für eine zwangsweise Räumung darstelle", noch keine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Erstehers ist wegen des vom Gericht zweiter Instanz angeführten Grundes zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Der Ersteher teilt die - der herschenden Meinung entsprechende -
Ansicht des Rekursgerichts, dass der Zuschlag im Exekutionsverfahren
gemäß § 352 EO in der hier noch maßgebenden Fassung vor der
EO-Novelle 2000 BGBl I 59 bloß als Rechtstitel für den Besitz- und
Eigentumserwerb anzusehen ist (Höllwerth in
Burgstaller/Deixler-Hübner, EO-Kommentar § 352 Rz 39; vgl auch Klicka
in Angst, EO-Kommentar § 352-352c Rz 18). Er meint jedoch, eine
Räumungsexekution gemäß § 156 Abs 2 EO sei deshalb zulässig, weil die
Parteien in den gerichtlich festgestellten Versteigerungsbedingungen
eine vollstreckbare Übergaberegelung getroffen hätten. Eine Klage zur
Erwirkung eines Räumungstitels sei nur dann erforderlich, wenn die
Versteigerungsbedingungen - anders als hier - keine ausdrückliche
Regelung "über den Zeitpunkt der Übergabe des Feilbietungsobjektes"
enthielten.
Mit diesen Ausführungen verkennt der Ersteher die Rechtsnatur der
zwischen den Parteien vereinbarten Übergaberegelung. Weil der
Ersteher mit dem Zuschlag im Verfahren nach § 352 EO nur einen Titel
für den Besitz- und Eigentumserwerb erlangt, ist in einer
Übergaberegelung, die - wie im Anlassfall - nur mit dem Übergang der
Gefahr, der rechtlichen Zugehörigkeit von Nutzungen und der Tragung
von Lasten verknüpft ist, nur der gemäß §§ 316 f, 320 ABGB
erforderliche Rechtstitel für den Erwerb des Sachbesitzes zu
erblicken. Der Sachbesitz des Eigentümers wird jedoch durch den
Rechtsbesitz eines anderen einschränkt. So ist etwa ein Bestandnehmer
Rechtsbesitzer, der durch seine Besitzausübung auch dem Eigentümer
als Besitzmittler zur Aufrechterhaltung dessen Sachbesitzes dient. Es
besteht also ein rechtlicher Unterschied zwischen einer reinen
Übergabe- und einer (zusätzlichen) Räumungsklausel in
Versteigerungsbedingungen. Dieser Unterschied spiegelt sich hier
deutlich im Parteiwillen, wurde doch in den Versteigerungsbedingungen
unmissverständlich klargestellt, dass zwischen den Verfahrensparteien
unter anderem das Bestehen von Bestandrechten strittig ist. Es kann
daher nicht unterstellt werden, der Verpflichtete habe mit der "die
Übergabe der Liegenschaft an den Ersteher" betreffenden Klausel
gleichzeitig auch eine Verpflichtung zur Räumung der von ihm
bewohnten Räume treffen wollen.
Nur zu Räumungsklauseln in gerichtlich festgestellten, auf einer Parteieneinigung beruhenden Versteigerungsbedingungen findet sich im Schrifttum die Ansicht, es handle sich dabei um ein vollstreckbares Urteilssurrogat (Ziehensack, Die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft [1998] 326; aM LGZ Wien RPflSlgE 1964/163; Hofmann, Exekution zur Aufhebung einer Gemeinschaft, in: Rechtslexikon Exe Pkt IV. 5.; Höllwerth aaO § 352 Rz 41). Ein solcher Fall ist jedoch hier, wie schon erörtert wurde, gerade nicht zu beurteilen, zumal den Versteigerungsbedingungen eine eindeutige Leistungsverpflichtung, die Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit wäre (s Jakusch in Angst, EO § 7 Rz 27), nicht zu entnehmen ist.
Soweit sich der Rechtsmittelwerber auf die Entscheidung des Kreisgerichts Korneuburg 5 R 310/86 (= RPflSlgE 1987/81) stützt, übersieht er ein wesentliches Detail des gerichtlichen Entscheidungswillens. Es wurde zwar ausgesprochen, dass eine vereinbarte Übergabe, die in die gerichtlich festgestellten Versteigerungsbedingungen aufgenommen wurde, gemäß § 19 Abs 3 AußStrG vollstreckbar sei. Zu diesem Ergebnis gelangte das Kreisgericht Korneuburg allerdings nur deshalb, weil es die dort bedeutsame Übergabeklausel auch als Räumungsvereinbarung auslegte. Nach den voranstehenden Erwägungen ist ein solches Auslegungsergebnis hier jedoch nicht erzielbar.
Das Gericht zweiter Instanz hat daher den Räumungsantrag des Erstehers, wie zusammenzufassen ist, zutreffend abgewiesen, sodass dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm § 41 ZPO.
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