OGH 2Ob35/01p

OGH2Ob35/01p15.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen

I. der klagenden Partei *****B***** Versicherungs AG,***** vertreten durch Dr. Oswald Karminski-Pielsticker, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V***** Vers. AG,***** vertreten durch Dr. Wolfgang Danninger, Rechtsanwalt in Wien und deren Nebenintervenienten D*****Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 120.000 sA, sowie

II. der klagenden Partei T***** Transport GmbH, ***** vertreten durch Dr. Franz Lethmüller, Rechtsanwalt in Landeck, wider die beklagten Parteien 1. D***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, und 2. V*****Vers. AG, ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Danninger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 604.639,80 sA,

infolge der Revisionen der beklagten und zweitbeklagten Partei (V***** Vers. AG) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 19. September 2000, GZ 14 R 50/00a-71, womit infolge Berufung beider beklagter Parteien das Zwischenurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Dezember 1999, GZ 23 Cg 315/96d-56, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes insgesamt wie folgt zu lauten hat:

I. Die Forderung der *****B***** Versicherungs AG gegen die V***** Vers. AG aus der Kaskoabwicklung des Verkehrsunfalls vom 10. Juni 1994 (beteiligte Fahrzeuge Sattelfahrzeug IM-1HHP und Sattelaufleger *****, sowie PKW Alfa Romeo 164 *****) besteht bezüglich des S 120.000 übersteigenden Betrages mit einem Drittel dem Grunde nach zu Recht.

II. Die Forderung der T***** Transport GmbH gegen die beklagte Partei D***** Versicherungs AG in der Höhe von S 604.639,80 sA besteht dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht, jene gegenüber der V***** Vers. AG, besteht dem Grunde nach zu einem Drittel zu Recht. Die zweitbeklagte Partei schuldet aber zusammen mit der erstbeklagten Partei der klagenden Partei insgesamt nur die Hälfte ihrer Schäden.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 10. 6. 1994 ereignete sich gegen 22.25 Uhr auf der Ostautobahn A4 auf der Richtungsfahrbahn nach Wien ein Verkehrsunfall, bei dem der von Paul F***** gelenkte und bei der V***** Vers. AG (im Folgenden als V*****-Versicherung bezeichnet) versicherte PKW Alfa Romeo, dessen Halterin Dkfm Margit F***** war, ins Schleudern kam, gegen die Mittelleitschiene prallte und zuletzt quer zur Fahrbahn auf der Richtungsfahrbahn nach Wien auf dem Dach liegen blieb. Der Lenker des folgenden Sattelzuges (Anton L*****), dessen Halterin die T***** GmbH war, versuchte nach rechts auszuweichen, streifte den PKW, kam in der Folge von der Fahrbahn ab und kippte nach rechts um. Dieser LKW-Zug war bei der ***** B***** Versicherungs AG (im Folgenden als B*****-Versicherung bezeichnet) kaskoversichert.

Weiters war an dem Unfall beteiligt ein von Peter S***** gelenkter PKW Mercedes. Dieser war bei der D***** Versicherung AG (im Folgenden als D*****-Versicherung bezeichnet) haftpflichtversichert.

Im Verfahren zu 23 Cg 315/96d des Erstgerichtes begehrt die B*****-Versicherung von der V*****-Versicherung die Zahlung von S 120.000 mit der Begründung, den Schaden des Halters des LKW-Zuges in der Höhe von S 360.000 als Kaskoversicherer liquidiert zu haben. Unter Zugrundelegung einer Verschuldensteilung zwischen dem LKW-Lenker und dem Lenker des Alfa Romeo sowie des Teilungsabkommens habe die beklagte Partei die Hälfte des Schadens, soweit er S 120.000 übersteige, somit die Hälfte von S 240.000, d.s. S 120.000 zu bezahlen.

Im Verfahren zu 23 Cg 204/97g des Erstgerichtes begehrt die T***** GmbH als Halter des Sattelzuges von der D*****-Versicherung als Haftpflichtversicherer des PKW Mercedes (gelenkt von S*****) und der V*****-Versicherung als Haftpflichtversicherer des PKW Alfa Romeo (gelenkt von F*****) zur ungeteilten Hand die Bezahlung von S 604.639,80 sA mit der Begründung, die Lenker der beiden PKW hätten den Unfall verschuldet; es werde die Bezahlung des Selbstbehaltes aus der Kaskoversicherung, der durch den Unfall verursachten Nebenspesen und des Verdienstentganges begehrt. Das Verschulden der PKW-Lenker liege darin, dass sie einander mehrmals mit überhöhter Geschwindigkeit ohne erforderlichen Sicherheitsabstand überholt hätten. Aufgrund einer Streifung des PKW Mercedes am PKW Alfa Romeo sei letzterer ins Schleudern gekommen und auf dem Dach quer zur Fahrbahn liegengeblieben. Der Lenker des Sattelzuges hätte die Kollision mit dem PKW nicht mehr verhindern können. Er sei dadurch von der Fahrbahn abgekommen, weshalb der Sattelzug umgestürzt sei.

Die V*****-Versicherung (jene des PKW Alfa Romeo) beantragte die Abweisung beider Klagebegehren. Den Lenker des bei ihr versicherten Fahrzeuges (F*****) treffe kein Verschulden. Den Unfall hätten die Lenker des PKW Mercedes und des LKW-Zuges verschuldet. Der Lenker des PKW Mercedes habe den von F***** gelenkten PKW angefahren und gegen die Mittelleitschiene geschleudert, weshalb er sich in der Folge überschlagen habe und mitten auf der Fahrbahn liegengeblieben sei. Der Lenker des LKW-Zuges habe den Unfall deshalb nicht vermeiden können, weil er mit Abblendlicht mit absolut überhöhter Geschwindigkeit gefahren und sein Fahrzeug überladen gewesen sei. Für den Lenker des Alfa Romeo habe der Unfall ein unabwendbares Ereignis dargestellt. Es seien am Unfall drei Fahrzeuge beteiligt gewesen, weshalb die V*****-Versicherung ein Drittel des Schadens von S 120.000, nämlich S 40.000, der B*****-Versicherung bezahlt habe.

Die D*****-Versicherung bestritt ein Verschulden des Lenkers des bei ihr versicherten Fahrzeuges (Mercedes) und wendete ein, dieser habe den Alfa Romeo nicht einmal berührt. Das Alleinverschulden an dem Unfall treffe den Lenker des klägerischen Sattelzuges (L*****).

Mit Zwischenurteil stellte das Erstgericht zur Klage der B*****-Versicherung fest, dass deren Forderung gegen die V*****-Versicherung aus der Kaskoabwicklung des genannten Verkehrsunfalles bezüglich eines S 120.000 übersteigenden Betrages zur Hälfte dem Grunde nach zu Recht bestehe; zur Klage der T***** GmbH gegen die D*****-Versicherung und V*****-Versicherung als Solidarschuldner über S 604.639,80 sA stellte es fest, dass diese Forderung dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe.

Dabei wurden im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Die A4 weist im Unfallbereich zwei durch Leitlinien getrennte Fahrstreifen und einen Pannenstreifen auf. Zum Unfallszeitpunkt war die Fahrbahn trocken, es herrschte Dunkelheit.

Paul F***** fuhr mit dem PKW Alfa Romeo bei der Auffahrt Fischamend auf die A4 in Richtung Wien auf. Schon vor dem Auffahren auf die Autobahn war ihm auf der Bundesstraße ein vor ihm fahrender PKW Mercedes aufgefallen, der vor Geschwindigkeitsbegrenzungen immer abrupt gebremst und dann wieder stark beschleunigt hatte. Nach der Auffahrt Fischamend überholte F***** diesen Mercedes auf der Autobahn. Der PKW Mercedes fuhr nach diesem Überholmanöver im zweiten Fahrstreifen der A4 einige Zeit hinter dem von F***** gelenkten PKW mit aufgeblendeten Scheinwerfern und geringem Folgeabstand. Sodann wechselte F***** in den rechten Fahrstreifen, um den Mercedes überholen zu lassen, was aber nicht geschah. F***** beabsichtigte sodann ein vor ihm fahrendes Fahrzeug zu überholen und wechselte wieder auf den linken Fahrstreifen. Nach Beendigung des Überholvorganges spürte er einen Anstoß von links hinten, weil der von S***** gelenkte Mercedes mit dem rechten Kotflügel vorne unmittelbar hinter dem Blinkerzellon den von F***** gelenkten PKW in spitzem Winkel gestreift hatte. Durch diese Streifung wurde eine Richtungsänderung des von F***** gelenkten PKWs im Sinne eines Schleuderns nicht hervorgerufen. Wohl aber war der Anstoß für F***** hörbar und spürbar und kann zu einer reflektorischen Reaktion im Sinne eines Verreißens des von ihm gelenkten Fahrzeuges geführt haben. Offenbar veranlasste der Anstoß eine Reaktion des Lenkers des Alfa Romeo, die zum Schleudern dieses Fahrzeuges führte. Dieser PKW stieß sodann gegen die linke Leitschiene, überschlug sich und kam auf dem Dach inmitten der Richtungsfahrbahn nach Wien quer zur Fahrbahn zum Liegen. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, aber auch nicht ausschließen, dass es nach der Streifung zu einer zweiten Kollision zwischen Alfa Romeo und Mercedes kam, die eine Instabilität des Alfa Romeo hervorrief.

Gleichzeitig näherte sich Anton L***** im rechten Fahrstreifen mit einem Sattelzug mit einer Geschwindigkeit von 87 km/h zur Unfallstelle, wobei er das Abblendlicht eingeschaltet hatte. Die auf der Autobahn für den LKW-Zug zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 80 km/h. Der Lenker des LKW-Zuges sah den Alfa Romeo erst, als er bereits quer zur Fahrbahn auf dem Dach lag. Den Schleudervorgang nahm er nicht wahr. Der LKW-Zug kollidierte mit dem Alfa Romeo mit 67,3 km/h, kam in der Folge rechts von der Fahrbahn ab und stürzte um.

Um innerhalb der bei Abblendlicht einsehbaren Strecke von 52 m das Fahrzeug vor einem Hindernis abbremsen zu können, hätte L***** höchstens eine Geschwindigkeit von 62 km/h einhalten dürfen. Es war ihm auch nicht möglich, am Alfa Romeo links vorbeizufahren, weil er gerade links überholt wurde.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dem Lenker des LKW-Zuges sei eine absolut und relativ überhöhte Geschwindigkeit vorzuwerfen, nicht aber eine verspätete Reaktion oder eine Fehlreaktion. Aber auch die beiden PKW-Lenker hätten eine Unfallursache gesetzt. Hätten aber mehrere Fahrzeuglenker eine Unfallursache gesetzt, dann stehe dem Geschädigten ein Schadenersatzanspruch gegen jeden Fahrzeughalter bzw dessen Haftpflichtversicherer als Gesamtschuldner zu. L***** sei als Lenker des Sattelzuges ein Mitverschulden von 50 % anzulasten, weshalb die Forderungen der B*****-Versicherung sowie der T***** GmbH dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestünden.

Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach zunächst aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, dem Lenker des PKW Mercedes (S*****) sei vorzuwerfen, gegen den PKW Alfa Romeo (gelenkt von F*****) gestoßen zu sein. Dieser verkehrswidrige Kontakt habe zu einer dem Anstoß adäquaten Reaktion F***** geführt, die einer instabilen Fahrlage seines Fahrzeuges und einer Endlage inmitten der Fahrbahn während der Nacht zur Folge gehabt habe. Es bestehe ein adäquater Zusammenhang zwischen dem verkehrswidrigen von S***** ausgelösten Kontakt und dem Folgeunfall mit dem Sattelschlepper, weshalb S***** auch für die klagsgegenständlichen Schäden verantwortlich sei. Von dem von F***** gelenkten Fahrzeug sei eine außergewöhnliche Betriebsgefahr ausgegangen, sei es doch bei Dunkelheit auf der Autobahn quer zur Fahrbahnlängsachse zum Stillstand gekommen. Diese außergewöhnliche Betriebsgefahr könne nicht außer Acht bleiben. Da aber auch dem Lenker des Sattelzuges vorzuwerfen sei, nicht auf Sicht gefahren zu sein, hafteten alle drei Fahrzeuglenker für die Unfallsfolgen, wobei die Verschuldensteilung des Erstgerichtes zutreffend sei. Nach § 4 des Teilungsabkommens sei durch die Bezahlung des Betrages von S 40.000 eine Forderung aus der Kaskoliquidation in der Höhe von S 120.000 als ausgeglichen anzusehen, weshalb für einen allfälligen Mehrbetrag die Ansprüche außerhalb des Abkommens gemäß der Sach- und Rechtslage zu verfolgen seien. Die B*****-Versicherung sei daher berechtigt, den Ersatz des S 120.000 übersteigenden Schadens von jedem anderen an der Kollision Beteiligten zu begehren. Da die Zurechnungskriterien der einzelnen Fahrzeuglenker, nämlich deren Verschulden bzw die außergewöhnliche Betriebsgefahr als gleichwertig zu betrachten seien, erweise sich die Schadensteilung für ihre Regressforderung als zutreffend. Gleiches gelte auch für die von der T***** GmbH geltend gemachten Forderungen.

Hinsichtlich der Klage der B*****-Versicherung gegen die V*****-Versicherung über S 120.000 änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision dahin ab, dass diese doch für zulässig erklärt wurde. Es begründete diesen Beschluss damit, dass eine einheitliche Rechtsprechung zur Frage der Gewichtung des Verschuldens und der außergewöhnlichen Betriebsgefahr nicht vorliege.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen der V*****-Versicherung in beiden verbundenen Verfahren mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das gegen sie gerichtete Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird eine Abänderung dahin begehrt, dass ausgesprochen werde, dass ihre Haftung lediglich dem Grunde nach zu 25 % zu Recht bestehe; hilfsweise wird ein weiterer Aufhebungsantrag gestellt.

Die beiden klagenden Parteien in den verbundenen Verfahren haben Revisionsbeantwortungen erstattet und jeweils beantragt, die Rechtsmittel der beklagten Partei und zweitbeklagten Partei zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Bei den Revisionen der V*****-Versicherung handelt es sich um eine ordentliche, soweit der Anspruch der B*****-Versicherung über S 120.000 sA betroffen wird, sowie, um eine außerordentliche, soweit der Anspruch der T***** GmbH über S 604.639,80 betroffen wird. Die Rechtsmittel sind zulässig, weil das Berufungsgericht - wie im Folgenden noch darzulegen sein wird - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Gewichtung der Schadensanteile bei Zusammentreffen gravierenden Verschuldens mit außergewöhnlicher Betriebsgefahr abgegangen ist, sie ist zum Teil auch berechtigt.

Die V*****-Versicherung macht geltend, es sei unrichtig, dass vom PKW Alfa Romeo ihres Versicherungsnehmers eine außergewöhnliche Betriebsgefahr ausgegangen sei. Das Verschulden des Mercedes-Lenkers sowie des LKW-Lenkers sei jeweils derart schwer, dass es gerechtfertigt sei, eine zum Schaden beitragende außergewöhnliche Betriebsgefahr des Alfa Romeo zu vernachlässigen. Ohne Zweifel stellten das Fahrverhalten des Mercedes-Lenkers und des LKW-Lenkers ein grobes Verschulden dar, demgegenüber die außergewöhnliche Betriebsgefahr außer Betracht bleiben könne, oder aber lediglich eine Quote von 25 % in Ansatz zu bringen sei. Trotz Bejahung der Adäquanz des Folgeunfalls sei die Zurechnung des Folgeschadens nicht mehr gerechtfertigt, wenn dieser auf einem selbständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluss des Verletzten selbst beruhe. Die Zurechnung des adäquaten Folgeschadens bei Anwendung einer umfassenden Interessenabwägung erscheine aufgrund der Belastungsmomente auf Seiten des Mercedes-Lenkers und des LKW-Lenkers an letztere gerechtfertigt. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Berufungsgericht vom gleichteiligen Verschulden des Mercedes-Lenkers und des LKW-Lenkers ausgehen müssen und die vom Alfa Romeo-Lenker hervorgerufene außergewöhnliche Betriebsgefahr zu vernachlässigen gehabt.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Richtig ist die Ansicht der Vorinstanzen, dass von dem PKW Alfa Romeo eine außergewöhnliche Betriebsgefahr ausging. Eine solche liegt dann vor, wenn zur gewöhnlichen Betriebsgefahr besondere Gefahrenmomente hinzutreten, die nach dem normalen Lauf der Dinge nicht bereits dadurch gegeben sind, dass das Fahrzeug überhaupt in Betrieb ist (Schauer in Schwimann**2, ABGB, Rz 37 zu § 9 EKHG mwN; RIS-Justiz RS0058461 und RS0058467; 2 Ob 43/01i). Kommt ein Fahrzeug bei Dunkelheit auf einer Autobahn quer zur Fahrbahnlängsachse zum Stillstand, wird dadurch eine Situation geschaffen, in der es leicht zu einem Folgeunfall kommen kann, weshalb von einem solchen Fahrzeug eine außergewöhnliche Betriebsgefahr ausgeht (ZVR 1990/101; ZVR 1999/36; ZVR 2000/62). Diese außergewöhnliche Betriebsgefahr ist auf das Verhalten eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten (Lenker des PKW Mercedes) zurückzuführen, nicht aber auf ein solches des Geschädigten selbst, weshalb keine Haftungsbefreiung besteht (Schauer, aaO, Rz 41 zu § 9 EKHG).

Im vorliegenden Fall trifft den Lenker des LKW-Zuges ein gravierendes Verschulden an dem Unfall, weil er mit absolut und relativ überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Treffen Verschuldens- und Gefährdungshaftung zusammen, so besteht zwischen mehreren beteiligten Fahrzeugen eine Ausgleichspflicht gemäß § 11 Abs 1 letzter Satz EKHG. Stehen einander gravierendes (wenngleich nicht grobes) Verschulden und außergewöhnliche Betriebsgefahr gegenüber, so ist für letztere eine Quote von 1/3 in Ansatz zu bringen (vgl ZVR 1962/316).

Grundsätzlich hat die Aufteilung des Schadens zwischen Nebentätern und dem mitschuldigen Geschädigten selbst nach der Methode der Verknüpfung der Einzelabwägung mit einer Gesamtabwägung zu erfolgen (RIS-Justiz RS0017470; 2 Ob 43/01i; 2 Ob 260/99w; Apathy, KommzEKHG Rz 11 zu § 11; Koziol, Haftpflichtrecht I3, Rz 12/107 f; Reischauer in Rummel**2, Rz 6 zu § 1304; EKHG, MGA6, Rz 1 zu § 7 mwN). Wird aber nur ein Schädiger belangt, dann hat eine Gesamtabwägung nicht zu erfolgen, weil die angenommenen Quoten nicht bindend wären und ein anderes Ergebnis im späteren Verfahren die Gesamtabwägung im Vorprozess unrichtig machen könnte (RIS-Justiz RS0017470; 2 Ob 43/01i; ZVR 1985/156; Apathy, aaO, Rz 15 zu § 11).

Es war daher im Rechtsstreit der Kaskoversicherung des LKW-Zuges gegen die Haftpflichtversicherung des PKW Alfa Romeo (B*****-Versicherung gegen V*****-Versicherung wegen S 120.000) auszusprechen, dass die beklagte Partei mit einem Drittel dem Grunde nach haftet.

Im Prozess zwischen dem Halter des beschädigten LKW-Zuges und den Haftpflichtversicherungen der beiden anderen am Unfall beteiligten Fahrzeuge ist die Aufteilung im Verhältnis 1 : 1 im Verhältnis zwischen dem geschädigten Halter und der Versicherung des beteiligten PKW Mercedes (T***** GmbH gegen D*****-Versicherung) rechtskräftig, sie ist daher der weiteren Schadensaufteilung zugrundezulegen (vgl Apathy, aaO Rz 11 zu § 11). Daraus folgt folgende Einzelabwägung:

T***** gegen D*****-Versicherung 1 : 1 und T***** gegen V*****-Versicherung 2 : 1. Die Gesamtabwägung im Verhältnis T***** GmbH zu den beklagten Parteien hat daher im Verhältnis 2 : 2 : 1 zu erfolgen. Daraus würde sich ergeben, dass die T***** GmbH gegenüber der zweitbeklagten Partei einen Anspruch auf Ersatz von 1/3 ihres Schadens hätte, sie selbst hätte aber 2/5 selbst zu tragen.

Die außergewöhnliche Betriebsgefahr des Alfa Romeo wirkt aber nur im Verhältnis zur klagenden Partei (Halterin des LKW-Zuges), nicht aber im Verhältnis zur erstbeklagten Partei (Versicherung des PKW-Mercedes), weil sie durch das Verschulden des Lenkers des PKW-Mercedes hervorgerufen wurde (Apathy, aaO, Rz 25 zu § 11). Die zweitbeklagte Partei (V*****-Versicherung des PKW Alfa Romeo) könnte daher bei der erstbeklagten Partei (D*****-Versicherung des PKW Mercedes) voll Rückgriff nehmen. Das hätte aber in wirtschaftlicher Hinsicht die Folge, dass die erstbeklagte Partei 3/5 des Schadens der klagenden Partei zu tragen hätte und diese selbst nur 2/5. Dies würde aber der rechtskräftigen Annahme gleichteiliger Schadensaufteilung zwischen der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei widersprechen. Um dies zu vermeiden muss bei der Gesamtschau, durch die ja ein Ausgleich zwischen allen an der Schädigung Beteiligten erfolgen soll (Koziol, Haftpflichtrecht3 I Rz 12/107) berücksichtigt werden, dass die zweitbeklagte Partei gegenüber der erstbeklagten Partei voll regressberechtigt ist.

Daraus folgt, dass die T***** GmbH insgesamt Anspruch auf Ersatz der Hälfte ihres Schadens hat, wobei die beklagten Parteien solidarisch für 1/3 und die erstbeklagte Partei allein für das restliche 1/6 haftet.

Es war daher der Revision teilweise stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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