OGH 2Ob18/01p

OGH2Ob18/01p22.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Emma M*****, vertreten durch Dr. Candidus Cortolezis, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Gemeinde S*****, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wegen Zahlung von S 50.000 und Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 17. Oktober 2000, GZ 17 R 130/00i-51, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 21. Juli 2000, GZ 3 C 10/99h-43, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 811,84, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Klägerin kam am 30. 11. 1996 auf einem Weg, hinsichtlich dessen die beklagte Gemeinde als Wegehalterin die den Anrainern obliegende Räumungs- und Streupflicht gemäß § 93 Abs 1 StVO konkludent übernommen hatte, zu Sturz.

Sie begehrt unter Berücksichtigung eines 50 %igen Mitverschuldens an Schmerzengeld den Betrag von S 50.000 sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für allfällige weitere Schäden, ebenfalls im Ausmaß von 50 %.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und vertrat die Ansicht, die beklagte Partei habe die ihr obliegenden Verpflichtungen erfüllt.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Zur Frage der Zulässigkeit der ordentlichen Revision führte das Berufungsgericht aus, dass zur vorliegenden Rechtsfrage, was die Räumungs- und Streupflicht betreffend Gehsteige und Gehwege anlange, eine ausreichende Rechtsprechung vorliege. Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Räumungs- und Streumaßnahmen sei aber zu bedenken, dass es in sämtlichen kleinen ländlichen Gemeinden ebenfalls auch als ausreichend angesehen werden könnte, wenn unbedeutende, gering frequentierte Straßen ohne Gehsteig oder Gehweg nur mit einem Räumungsfahrzeug befahren und gleichzeitig mit Splitt bestreut werden. Es könnte nämlich auch die Grenze der Zumutbarkeit überschritten werden, wenn eine Straße, die einschließlich des Banketts eine Breite von 2,8 m aufweise, links und rechts jeweils mit einer Breite von 1 m von Schnee- und Eisresten nach Ende des Schneefalles, insbesondere bei Tauwetter, befreit werden müsste. Dazu fehle aber eine zumindest vergleichbare Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung sind Einhaltung und Verletzung der Streupflicht nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen; dabei orientiert sich die Grenze der Streupflicht an den Bedürfnissen und an der Zumutbarkeit für den Streupflichtigen (RIS-Justiz RS0023227; zuletzt 2 Ob 2289/96y = ecolex 1998, 208 [insoweit allerdings nicht veröffentlicht]). Die Beurteilung des Umfanges der Streupflicht hat aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles (konkretes Verkehrsbedürfnis und konkrete Zumutbarkeit) zu erfolgen, weshalb grundsätzlich die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind. Da die beklagte Partei die den Anrainern obliegende Streupflicht übernommen hat, oblag es ihr, in geeigneter Weise für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen nach § 93 Abs 1 StVO Sorge zu tragen; sie kann sich nicht darauf berufen, nur über beschränkte Möglichkeiten zur Schneeräumung zu verfügen (SZ 58/154).

Eine grobe Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmen wäre, kann in der Ansicht des Berufungsgerichtes, die beklagte Gemeinde habe im vorliegenden Fall die den Anrainern obliegende (erhöhte) Streu- und Säuberungspflicht nicht erfüllt, nicht erblickt werden.

Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO.

Die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit wurden geprüft, sie sind nicht gegeben (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO), weshalb auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (Kodek in Rechberger**2, ZPO, Rz 4 zu § 502 mwN).

Das Rechtsmittel der beklagten Partei war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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