OGH 13Os6/01

OGH13Os6/0131.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manuela E***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, AZ 10 Vr 630/00 des Landesgerichtes Wels, über die Grundrechtsbeschwerde der Beschuldigten Manuela E***** gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Linz vom 5. Dezember 2000, AZ 7 Bs 300/00 (= ON 88 des Vr-Aktes) sowie des Landesgerichtes Wels vom 17. November 2000 (ON 73 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Manuela E***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes wird abgewiesen, soweit sie sich gegen den Fortsetzungsbeschluss des Untersuchungsrichters richtet, zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Über Manuela E***** wurde in der gegen sie wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB geführten Voruntersuchung am 30. Juli 2000 die bedingt obligatorische Untersuchungshaft nach § 180 Abs 1 und Abs 7 StPO verhängt und mit Beschlüssen des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Wels vom 11. August 2000, 11. September 2000 und 17. November 2000 (ON 30, 44 und 73) fortgesetzt.

Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 5. Dezember 2000, AZ 7 Bs 300/00 (ON 88 des Vr-Aktes) wurde einer Beschwerde der Beschuldigten gegen den letztgenannten Beschluss nicht Folge gegeben und die (befristete) Fortsetzung der Untersuchungshaft angeordnet, wobei ausgesprochen wurde, dass die Haftgründe der Flucht und Tatbegehungsgefahr nicht ausgeschlossen werden könnten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss (sowie - unzulässig - gegen den zugrundeliegenden Beschluss des Untersuchungsrichters) richtet sich eine Grundrechtsbeschwerde der Beschuldigten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Vorweg ist es geboten darauf hinzuweisen, dass im Verfahren über Grundrechtsbeschwerde die behauptete Grundrechtsverletzung grundsätzlich nach dem Zeitpunkt des Ergehens der angefochtenen Entscheidung zu beurteilen ist und Neuerungsverbot besteht (Mayerhofer/Steininger GRGB 1992 Vorbem Rz 12 bis 14 mwN), d. h., dass Verfahrensergebnisse nach der angefochtenen Entscheidung [wie das erst am 5. Dezember 2000 beim Landesgericht Linz eingelangte (ergänzungsbedürftige - ON 81) psychiatrische Gutachten ON 78 samt Ergänzung vom 2. Jänner 2001 (ON 95) und der Bericht vom 18. Dezember 2000 (ON 89)] durch den Obersten Gerichtshof weder von Amts wegen noch über Antrag berücksichtigt werden dürfen.

Zur Grundrechtsbeschwerde selbst: Sie richtet sich vorerst gegen die tatsächliche Grundlage, der zufolge der rechtliche Schluss auf das Vorliegen der Haftvoraussetzung, wonach der Angeklagte (zumindest) einer bestimmten Tat dringend verdächtig ist (§ 180 Abs 1 erster Satz StPO), bejaht wurde. Ein solcher rechtlicher Schluss ist dann und nur dann zulässig und geboten, wenn sich aus bestimmten Tatsachen (= Beweisergebnissen; § 179 Abs 4 Z 4 StPO) die hohe Wahrscheinlichkeit eines Sachverhaltes ergibt, welcher dann, wenn er vom erkennenden Gericht als Tat (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) des Betroffenen festgestellt würde (= entscheidende Tatsachen), im Strafurteil jenen strafbaren Handlungen (zu den Begriffen ,strafbare Handlung" und ,Tat" (vgl EvBl 2000/134, 2000/ 221) zu subsumieren wäre (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO), auf die sich die Bejahung der Haftvoraussetzung bezieht (13 Os 158/00).

Vorliegend wurde der (Verdachts-)Ausspruch über die entscheidenden Tatsachen (= die tatsächliche Grundlage für das Vorliegen der Haftvoraussetzung) bezüglich des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB vom Oberlandesgericht Linz auf das detaillierte Geständnis der Beschwerdeführerin vor dem Untersuchungsrichter, das auch ihre Motivationslage wiedergab, die Angaben der Ärztin Dr. Christa P***** und mit dem Hinweis auf die objektivierten Tatortspuren, welche mit dem Geständnis der Beschwerdeführerin in Einklang stünden begründet, dabei aber auch teils entgegenstehende Verfahrensergebnisse, nämlich ihre Behauptung eines Selbstmordes ihres Ehemannes Hermann E*****, eine von ihr zugestandene falsche Belastung Stefan B*****s, in der Vergangenheit mehrfach geäußerte Selbstmordabsichten Hermann E*****s und auch Ausführungen des medizinischen Sachverständigen (ON 64) über die Zufügung der tödlichen Verletzung Hermann E***** durch eigene oder fremde Hand sowie dessen erhebliche Alkoholisierung im Zeitpunkt seines Todes in die Überlegungen einbezogen.

Damit ist aber entgegen der Beschwerdemeinung der in Richtung des Verbrechens des Mordes gehende dringende Tatverdacht im Zeitpunkt des Ergehens der angefochtenen Entscheidung hinlänglich begründet.

Wegen der sinngemäßen Anwendbarkeit nicht nur der Z 5, sondern auch der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO (§ 10 GRBG; vgl EvBl 1999/192 = JBl 2000, 259, zuletzt: 13 Os 158/00) ist im Grundrechtsbeschwerdeverfahren vor dem - funktionell als Verfassungsgericht entscheidenden - Obersten Gerichtshof die Anfechtung der Tatfrage in vergleichsweise besonders weitem Umfang möglich (zur Prüfung von Entscheidungen der UVS vgl VfSlg 13732, 14813, 15046; zur Begründungspflicht vor dem deutschen BVerfG vgl Eschelbach/Giegl/Schulz, NStZ 2000, 565 [569]). Die nach dieser Bestimmung vorgenommene Überprüfung ergibt - bezogen auf den Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung - keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem dringenden Verdachtsausspruch in Richtung § 75 StGB zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen.

Auch die vom Oberlandesgericht vorgenommene sorgfältige, auf die Haftfrage bezogene Würdigung der vorliegenden Verfahrensergebnisse ist aktenkonform und vollständig, und die daraus (zur Fluchtgefahr:

aus den persönlichen Verhältnissen und der Beziehung zu Spanien, zur Tatbegehungsgefahr: das Persönlichkeitsbild, die Tatumstände und das Folgeverhalten der Beschuldigten) gezogenen Schlüsse, dass Flucht- und Tatbegehungsgefahr nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, rechtlich vertretbar. Dabei spielt bei der Beurteilung der nicht auszuschließenden Tatbegehungsgefahr entgegen der Beschwerdemeinung der Umstand, dass die Beschuldigte nicht vorbestraft ist, hier keine entscheidende Rolle. Fallbezogen zutreffend ist auch die Ansicht des Oberlandesgerichtes, dass die Leistung einer Kaution (die nur ersteren Haftgrund betrifft) und auch sonstige Haftsurrogate nicht geeignet sind, die bestehenden Gefahren verlässlich hintanzuhalten.

Da durch den angefochtenen Beschluss des Oberlandesgerichtes Manuela E***** sohin nicht in ihrem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt wurde, war die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen, soweit sie sich jedoch mehrfach ausdrücklich auch gegen den Fortsetzungsbeschluss des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Wels vom 17. November 2000 (ON 73) richtete, zurückzuweisen, weil Gegenstand der Grundrechtsbeschwerde nur die Entscheidung der funktionell letzten Instanz ist (Mayerhofer/Steininger GRBG 1992 § 1 Rz 46).

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