OGH 4Ob333/00z (4Ob10/01a)

OGH4Ob333/00z (4Ob10/01a)30.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Wolfgang F*****, 2. Verlagsgruppe NEWS Gesellschaft mbH, beide *****, beide vertreten durch Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Freiheitliche Partei Österreichs ("Die Freiheitlichen"), Wien 1, Kärntner Straße 28, vertreten durch Mag. Huberta Gheneff-Fürst, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 240.000 S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Kläger gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 22. August 2000, GZ 1 R 121/00s-17, und infolge ordentlichen Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 22. August 2000, GZ 1 R 122/00v-18, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 23. Mai 2000, GZ 24 Cg 20/00z-12, "abgeändert" wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Kläger gegen den Beschluss ON 17 wird zurückgewiesen.

2. Dem ordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss ON 18 wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird insoweit als nichtig aufgehoben, als in der Sache selbst entschieden wird; soweit aber im Beschluss eine Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses liegt, wird der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit 23.049,18 S bestimmten Kosten (darin 3.841,53 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Erstkläger ist Herausgeber der Zeitschrift NEWS; die Zweitklägerin ist Eigentümerin, Verlegerin und Produzentin dieser Zeitschrift.

Die Beklagte ist Medieninhaberin des periodischen Mediums "Freiheitlicher Pressedienst", das im Wege des APA Originaltextservice elektronisch verbreitet wird.

Auf dem Titelblatt der am 17. 2. 2000 erschienenen Ausgabe der Zeitschrift "NEWS" waren Adolf Hitler und Jörg Haider im Profil abgebildet; mit Schlagzeilen wie "Die Haider-Hysterie" und "Wie uns die Welt zum Nazi-Land stempelt" wurde auf Berichte zur "Haider-Frage" hingewiesen.

Die Beklagte reagierte darauf durch eine Aussendung ihres Pressediensts:

"Die FPÖ hat ihre Anwälte beauftragt, alle möglichen rechtlichen Schritte gegen das aktuelle Cover der Zeitschrift NEWS einzuleiten. NEWS veröffentlicht am Cover der aktuellen Ausgabe Bildnisse von Jörg Haider und Adolf Hitler in einer Form, die dazu geeignet ist, den Kärntner Landeshauptmann und FPÖ-Bundesobmann schwerstens zu diffamieren. NEWS setzt damit die Diffamierungskampagne gegen die FPÖ und Jörg Haider fort. Der FPÖ bleibt als einziger Weg die Anrufung der Justiz. Wie schon beim bekannten 'Teufel-Cover', wo Haider in einer Fotomontage als Teufel verunstaltet wurde, werden die FPÖ-Anwälte alle rechtlichen Schritte einleiten. Verschärfend dürfte hinzukommen, dass ganz offensichtlich am Konterfei Adolf Hitlers fotografische Montagen und Veränderungen durchgeführt wurden, um auch eine Ähnlichkeit zu Haider in der optischen Ausdrucksweise zu erreichen. Diesem bisherigen Tiefstpunkt der Medienkultur werden wir in aller Schärfe entgegentreten."

Die Kläger begehren zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten die Behauptung zu verbieten, dass die Kläger Bildnisse von Personen verfälschen und damit ihrem Leserpublikum falsche Tatsachen über angebliche Ähnlichkeiten von Personen zu vermitteln, und zwar insbesondere unter Bezugnahme auf das Cover der Zeitschrift NEWS Nr 7 vom 17. 2. 2000, in welchem eine Profilansicht von Dr. Jörg Haider und Adolf Hitler veröffentlicht ist, zu behaupten "verschärfend dürfte hinzukommen, dass ganz offensichtlich am Konterfei Adolf Hitlers fotografische Montagen und Veränderungen durchgeführt wurden, um auch eine Ähnlichkeit zu Haider in der optischen Ausdrucksweise zu erreichen", sowie gleichartige ähnliche Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten. Die Behauptung, dass das Bildnis Adolf Hitlers verändert worden wäre, um es dem Bildnis Jörg Haiders ähnlich zu machen, sei falsch. Es sei keine fotografische Montage oder Veränderung durchgeführt worden. Zur Bescheinigung ihrer Behauptung beriefen sich die Kläger auf die Vernehmung des Erstklägers als Auskunftsperson; das von ihnen verwendete Bildnis Adolf Hitlers legten sie mit der Klage nicht vor. Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Zweitklägerin hätte eine Schädigung ihres wirtschaftlichen Rufs konkret behaupten und bescheinigen müssen. Sie sei auch nicht aktiv legitimiert, weil sich die beanstandete Behauptung nur gegen den Herausgeber richte. Die Behauptung sei wahr. Aus dem Gutachten des Sachverständigen Mag. Heinrich M***** ergebe sich, dass die Bildnisse von Adolf Hitler und Jörg Haider durch fototechnische Manipulation einander angenähert worden seien. Es liege aber gar keine Tatsachenbehauptung vor, sondern eine Wertung, die durch die Freiheit der Meinungsäußerung geschützt sei.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab (ON 5). Es stellte fest, dass die beanstandete Behauptung richtig sei. Die für die Gestaltung verwendeten Originalfotos seien "computergrafisch" verändert und zum klagegegenständlichen Titelbild zusammengefügt worden. Die beanstandete Behauptung sei eine Tatsachenbehauptung im Sinne von § 1330 Abs 1 und 2 ABGB, deren Wahrheit die Beklagte bescheinigt habe. Die Kläger bekämpften diesen Beschluss mit Rekurs und brachten einen neuen - mit dem ersten Sicherungsantrag wortgleichen - Sicherungsantrag ein. Mit dem Sicherungsantrag legten die Kläger ein Gutachten des Mag. Leon W***** und ein Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Wolfgang S*****, die Originale der beiden bei der Herstellung des Titelblatts verwendeten Dias sowie die vom Sachverständigen Wolfgang S***** hergestellten Vergrößerungen vor. Das Gericht könne sich durch Auflegen der Vergrößerungen auf das Titelblatt von NEWS selbst ein Bild über die Identität der verwendeten Fotos machen und leicht feststellen, dass das Bildnis Adolf Hitlers nicht verändert wurde, um eine Ähnlichkeit mit Jörg Haider in der optischen Ausdrucksweise zu erreichen. Die Beklagte beantragt, den zweiten Sicherungsantrag zurückzuweisen, in eventu ihn abzuweisen. Ein neuer Sicherungsantrag sei unzulässig und - ebenso wie der erste Sicherungsantrag - nicht berechtigt. Das Erstgericht wies den zweiten Sicherungsantrag zurück (ON 12). Die von den Klägern vorgelegten Sachverständigengutachten seien kein "neuer rechtserzeugender Sachverhalt". Da die beiden Sicherungsanträge völlig übereinstimmten, stehe einer Entscheidung über den zweiten Sicherungsantrag Streitanhängigkeit entgegen. Das Rekursgericht bestätigte den (den ersten Sicherungsantrag abweisenden) Beschluss ON 5 und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei (ON 17). Der behauptete Verfahrensmangel - Unterlassung der Vernehmung des Erstklägers als Auskunftsperson - sei nicht gegeben. Die Kläger hätten ihren Anspruch sowohl auf § 1330 ABGB als auch auf § 7 UWG gestützt. Die beanstandete Behauptung sei eine Tatsachenbehauptung, die als Vorwurf unehrenhaften Verhaltens im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB zu werten sei. Die Beklagte habe daher - ebenso wie nach § 7 UWG - bescheinigen müssen, dass die Behauptung wahr sei. Diese Bescheinigung habe sie erbracht, so dass sich das Erstgericht zu Recht nicht näher mit der Anspruchsgrundlage nach dem UWG auseinandergesetzt habe. Den Beschluss, mit dem das Erstgericht den zweiten Sicherungsantrag zurückgewiesen hatte (ON 12), "änderte" das Rekursgericht dahin ab, dass es die einstweilige Verfügung erließ und aussprach, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei (ON 18). Der zweite Sicherungsantrag sei zulässig, weil die Bescheinigungslage Teil des Sicherungstatbestands sei und neue Bescheinigungsmittel daher einen neuen Sicherungsantrag rechtfertigten. Da die von beiden Seiten vorgelegten Gutachten einander widersprächen, könne nicht festgestellt werden, dass ganz offensichtlich am Bildnis Adolf Hitlers fotografische Montagen und Veränderungen durchgeführt wurden, um auch eine Ähnlichkeit mit Jörg Haider in der optischen Ausdrucksweise zu erreichen. Diese Frage könne nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens im Hauptverfahren geklärt werden. Es sei nicht richtig, dass die behaupteten Manipulationen auch mit freiem Auge erkennbar wären. Die Zweitklägerin sei nicht zur Gefahrenbescheinigung im Sinne des § 381 Z 2 EO verpflichtet gewesen. Sie sei aktiv legitimiert, weil sich die beanstandete Äußerung auch gegen sie als Eigentümerin, Verlegerin und Produzentin der Zeitschrift NEWS richtete.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluss ON 17 gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Kläger ist unzulässig; der gegen den Beschluss ON 18 gerichtete ordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

1. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs der Kläger gegen den Beschluss ON 17

Die Kläger machen als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass der angefochtene Beschluss wegen Verletzung ihres rechtlichen Gehörs nichtig sei. Ihnen sei keine Gelegenheit gegeben worden, zu den Behauptungen der Beklagten und zu dem von ihr vorgelegten Gutachten Stellung zu nehmen.

Die behauptete Nichtigkeit liegt nicht vor:

Das Gericht ist nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet, die Äußerung des Gegners der gefährdeten Partei der gefährdeten Partei zur Gegenäußerung zuzustellen. Die Verpflichtung zur Einholung einer Gegenäußerung wäre mit dem Zweck des Provisorialverfahrens, möglichst rasch einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar (ÖBl 1998, 291 - Spinnrad II mwN; Kodek in Angst, EO § 389 Rz 24 mwN). Der vorläufige Charakter des Provisorialverfahrens schließt es auch aus, eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO anzunehmen; das Provisorialverfahren fällt nach ständiger Rechtsprechung nicht unter Art 6 Abs 1 MRK (ÖBl 1990, 32 = RZ 1990/26 - Vergleichsangebot an Dritte; SZ 67/166 mwN; ÖBl 1998, 291 - Spinnrad II; Kodek aaO § 389 Rz 18).

Als weitere erhebliche Rechtsfrage machen die Kläger geltend, dass das Rekursgericht den von ihnen geltend gemachten Verfahrensmangel - Unterlassung der Vernehmung des Erstklägers als Auskunftsperson - zu Unrecht verneint habe. Auf ihr Vorbringen ist nicht weiter einzugehen, weil ein von der zweiten Instanz verneinter Verfahrensmangel im Revisionsrekursverfahren nicht mehr geltend gemacht werden kann (Kodek in Rechberger, ZPOý § 528 Rz 1 mwN; ders in Angst aaO § 402 Rz 18).

2. Zum ordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss ON 18

Die Beklagte bekämpft die Auffassung des Rekursgerichts, dass ein neuer Sicherungsantrag zulässig sei. Sie verweist auf Rechtsprechung und Lehre, wonach neue Bescheinigungsmittel nicht ausreichen, um einen neuen Sicherungsantrag zu rechtfertigen.

Die Frage der Zulässigkeit eines neuen Sicherungsantrags stellt sich, weil auch im Provisorialverfahren das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Streitsache (§ 411 ZPO) zu beachten ist (Kodek aaO § 378 Rz 20 mwN) und daher auch nicht gleichzeitig zwei identische Sicherungsanträge anhängig gemacht werden können (Streitanhängigkeit als Vorläufer der Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft: s Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPOý § 233 Rz 7). Ein neuer Antrag kann grundsätzlich nur bei Änderungen im Anspruchs- oder Gefährdungssachverhalt gestellt werden (Kodek aaO mwN; Kininger, Einstweilige Verfügungen zur Sicherung von Rechtsverhältnissen 115 f; ders, Vollzug und Aufhebung der einstweiligen Verfügung - Ersatzansprüche des Verfügungsgegners, AnwBl 1989, 390 [391 f]). Während Fasching (III 698), Kodek (aaO), Konecny (Zur Anwendung fremden Rechts bei der Anspruchsprüfung im Provisorialverfahren, ÖBA 1988, 1184 [1192]) und König (Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahrený Rz 3/53) neue Bescheinigungsmittel nicht als eine derartige Änderung werten, vertritt Zechner (Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung, vor § 378 Rz 11; so schon - ohne Begründung - Heller/Berger/Stix III 2831) die Auffassung, dass die Bescheinigungsgrundlage Teil des Sicherungstatbestands sei. Behauptungen, die neue tatsächliche Gesichtspunkte der Anspruchs- oder Gefahrenbescheinigung erkennen lassen, seien als maßgebliche neue Tatsachen des als Einheit aufzufassenden Sicherungstatbestands zu qualifizieren. So gesehen, hindere die materielle Rechtskraft der Vorentscheidung auch nicht die Sachentscheidung über einen neuen Antrag. Soweit jedoch res iudicata eingreife, sei ein von der Ausschlusswirkung der materiellen Rechtskraft der Vorentscheidung erfasster neuer Sicherungsantrag zurückzuweisen.

Der Oberste Gerichtshof hat nur in der Entscheidung 3 Ob 406/56 einen neuen Sicherungsantrag schon deshalb als zulässig erachtet, weil neue Bescheinigungsmittel vorgelegt wurden (diese Frage offenlassend: 7 Ob 197/99t). Die weitaus überwiegende Rechtsprechung (ecolex 1994, 35 = MR 1994, 81 = RdW 1994, 49 = wbl 1994, 34 ua) verlangt nachträgliche Änderungen im Sachverhalt. In der Entscheidung EvBl 1999/112 wurde ausgesprochen, dass die Rechtskraft der Abweisung eines unschlüssigen Sicherungsantrags einen neuen schlüssigen Antrag nicht hindern kann, weil der Streitgegenstand nicht identisch ist.

Aus der von der Mehrheit der Autoren und von der herrschenden Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass neue Bescheinigungsmittel allein keinen neuen Sicherungsantrag rechtfertigen, würde folgen, dass auch in jenen Fällen kein neuer Sicherungsantrag gestellt werden könnte, in denen die gefährdete Partei ohne ihr Verschulden nicht in der Lage war, das Vorbringen ihres ersten Sicherungsantrags entsprechend zu bescheinigen. Im Erkenntnisverfahren schafft in diesen Fällen die Wiederaufnahme nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO Abhilfe; im Provisorialverfahren käme, wenn überhaupt, nur die analoge Anwendung dieser Bestimmung in Frage, weil § 78 EO nicht auf die §§ 530 ff ZPO verweist (Kodek aaO § 402 Rz 20 mwN).

Die herrschende Lehre (Heller/Berger/Stix III 2891 f; Fasching IV 481 [anders Fasching, Lehrbuchý Rz 2042 für den Fall des besonderen Schutzbedürfnisses]; König aaO Rz 3/97; Zechner aaO vor § 378 Rz 12; s auch Deixler/Hübner, Wiederaufnahme im Verfahren nach § 382/1 Z 8 lit a EO, in Buchegger, Beiträge zum Zivilprozessrecht V 3 [14]) lehnt eine analoge Anwendung der §§ 530 ff ZPO im Provisorialverfahren ab; König (aaO) verweist darauf, dass das Vorliegen entsprechender Sachverhalte zur Aufhebung (Einschränkung) der einstweiligen Verfügung führen oder zu einer neuen einstweiligen Verfügung berechtigen kann. Hingegen spricht sich Konecny (ÖBA 1998, 1192) dafür aus, bei nachträglich aufgefundenen oder entstandenen Beweismitteln, die eine günstigere Entscheidung über das Sicherungsbegehren ermöglichen, die Wiederaufnahme des Sicherungsverfahrens zuzulassen.

Die Rechtsprechung hat die analoge Anwendung der §§ 530 ff ZPO im Falle einer Regelungsverfügung nach § 382 Z 8 lit a EO (einstweiliger Unterhalt) bejaht. Nach der Entscheidung RZ 1996/12 ist eine Wiederaufnahmeklage gegen eine Entscheidung im Provisorialverfahren in allen anderen Fällen immer unzulässig, weil keine die Sache erledigende Entscheidung vorliege. In der - eine Sicherungsverfügung betreffenden - Entscheidung JBl 1996, 327 = ÖBl 1996, 87 - BAD + MAD hat der Oberste Gerichtshof eine analoge Anwendung der §§ 530 ff ZPO nicht von vornherein ausgeschlossen, wohl aber das Vorliegen eines besonderen, einen Analogieschluss rechtfertigenden Schutzbedürfnisses verneint. Bei Vorliegen eines dem Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO entsprechenden Sachverhalts könne die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gemäß § 399 EO beantragt werden; im Fall der Abweisung des Sicherungsantrags stehe grundsätzlich die Möglichkeit offen, eine neue einstweilige Verfügung zu beantragen. Diese Möglichkeit steht, wie oben ausgeführt, wegen der Rechtskraft des abweisenden Beschlusses und der daraus folgenden Sperrwirkung für anhängige Anträge nur bei Änderungen im Anspruchs- oder Gefährdungssachverhalt offen. Ob auch eine Änderung in Form neuer Bescheinigungsmittel einen neuen Sicherungsantrag rechtfertigt, ist - wie oben dargelegt - umstritten.

Auch in Deutschland sind die Auffassungen geteilt. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass die Präklusion in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht strenger sein kann als beim Urteil. Nach der Beschlussfassung des Gerichts entstandene Tatsachen seien daher nie präkludiert; die Besonderheiten der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (zB weniger Vorbereitungszeit, Schwierigkeit der Trennung von Bescheinigungsangebot und Tatsachenbehauptung) sprächen dafür, anders als im Hauptverfahren auch neue Bescheinigungsmittel von der Präklusion auszunehmen. Allerdings würde damit der beliebigen Wiederholung derartiger Anträge Tür und Tor geöffnet. Die notwendige Beschränkung lasse sich in Anlehnung an die zu § 927 ZPO (Aufhebung des Arrests wegen veränderter Umstände) entwickelten Grundsätze gewinnen: Neue Mittel der Glaubhaftmachung genügen nur, wenn der Antragsteller sie in dem ersten Verfahren noch nicht vorbringen konnte, sei es, dass er erst nach Erlass der ersten Entscheidung von ihnen Kenntnis erlangte oder sie zwar kannte, aber nicht in das Verfahren einführen konnte (Baur, Studien zum einstweiligen Rechtsschutz 89f; Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung21 vor § 916 II Rz 16, jeweils mwN). Dadurch soll eine missbräuchliche Verteilung der Mittel der Glaubhaftmachung auf verschiedene einstweilige Rechtsschutzverfahren vermieden werden (Heinze in Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, vor § 916 Rz 57).

Auch für den österreichischen Rechtsbereich muss die Notwendigkeit bejaht werden, neue Sicherungsanträge wegen neuen Bescheinigungsmittel jedenfalls nicht unbeschränkt zuzulassen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Antragsteller Sicherungsanträge beliebig oft wiederholt und damit den Antragsgegner dazu zwingt, sich in immer neue Sicherungsverfahren einzulassen (s Kininger, AnwBl 1989, 391 f). Das widerspräche dem Grundsatz der Waffengleichheit im Prozess; der Antragsgegner kann die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung nur erreichen, wenn sich die Umstände geändert haben (Kodek aaO § 399 Rz 7). Keine ausreichende Änderung der Umstände liegt nach der Rechtsprechung in einer Änderung der Bescheinigungslage, weil die Aufhebung immer den Wegfall der Gefährdung des Antragstellers voraussetzt und insoweit bis zur rechtskräftigen Entscheidung im anspruchsbegründenden Sachverhalt noch keine endgültige Änderung eingetreten ist (RZ 2000/20; Kodek aaO; König aaO Rz 3/149 mwN). Demgegenüber vertritt Zechner (aaO § 399 Rz 5) die Auffassung, dass nicht einzusehen sei, weshalb der Gegner, wenn er das nachträgliche Erlöschen des gesicherten Anspruchs im kontradiktorischen Aufhebungsverfahren zu bescheinigen vermag und keine Oppositionsklage erheben will, weiterhin durch eine Provisorialmaßnahme belastet bleiben solle.

Ob der Auffassung Zechners zu folgen ist und eine Änderung der Bescheinigungslage daher als Aufhebungsgrund zu werten wäre, so dass der Grundsatz der Waffengleichheit die Zulässigkeit eines neuen Sicherungsantrags wegen neuer Bescheinigungsmittel nicht gänzlich ausschlösse, und demnach - im Sinne der Entscheidung JBl 1996, 327 = ÖBl 1996, 87 - BAD + MAD und der Auffassung von König (aaO) - die durch die Ablehnung einer Wiederaufnahme bei Sicherungsverfügungen entstehende Rechtsschutzlücke durch die Zulassung eines neuen Sicherungsantrags wegen neuer Bescheinigungsmittel geschlossen werden könnte, muss im vorliegenden Fall nicht endgültig geklärt werden. Selbst wenn nämlich ein neuer Sicherungsantrag wegen neuer Bescheinigungsmittel für zulässig erachtet wird, so kann dies - aus den oben dargelegten Gründen - jedenfalls im zweiseitig gewordenen Verfahren immer nur für Bescheinigungsmittel gelten, die der Antragsteller noch nicht beibringen konnte. Diese Negativvoraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt:

Die Kläger haben sich im ersten Sicherungsantrag zur Bescheinigung ihres Anspruchs (nur) auf die Vernehmung des Erstklägers berufen. Sie haben weder die von ihnen verwendeten Originaldias noch die dem zweiten Sicherungsantrag angeschlossenen Vergrößerungen vorgelegt, obwohl sie über die Dias verfügt haben müssen und daher anzunehmen ist, dass es ihnen möglich gewesen wäre, Dias und Vergrößerungen bereits mit dem ersten Sicherungsantrag vorzulegen. Die Vorlage dieser Bescheinigungsmittel hätte ihnen ungeachtet dessen zweckmäßig erscheinen müssen, dass die Bescheinigungslast für die Wahrheit der beanstandeten Behauptung die Beklagte traf. Die Kläger mussten nämlich damit rechnen, dass die Beklagte versuchen werde, den Wahrheitsbeweis zu erbringen. Da ihnen bekannt sein musste, dass sie keine Gelegenheit zu einer Gegenäußerung haben würden, hätte die Vorlage der Originaldias und Vergrößerungen bereits mit dem ersten Sicherungsantrag - folgt man dem Vorbringen der Kläger - eine Bescheinigung der Wahrheit der beanstandeten Behauptung durch die Beklagte verhindert. Die Kläger sind nämlich - wie sie im zweiten Sicherungsantrag vorbringen - der Meinung, dass ein bloßer Augenschein der Fotos genügte, um die Unrichtigkeit der beanstandeten Behauptung festzustellen.

Es ist den Klägern demnach als Verschulden anzulasten, dass sie die Originaldias und Vergrößerungen nicht bereits mit dem ersten Sicherungsantrag vorgelegt haben. Hätten sie die Fotos vorgelegt, so hätte die Beklagte kein auf Annahmen und Vermutungen beruhendes Gutachten vorlegen können (müssen) und die Einholung der mit dem zweiten Sicherungsantrag vorgelegten Gegengutachten hätte sich erübrigt.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben. Der angefochtene Beschluss war - da das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit zu bejahen ist - insoweit als nichtig aufzuheben, als das Rekursgericht in der Sache entschieden hat; im Übrigen war der Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

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